Der 1,90 Meter große Kevin Danso hält bei 13 Einsätzen im ÖFB-Team. Die zweite Zahl wird sich wohl deutlich erhöhen.
APA/AFP/BERTRAND GUAY

Vermutlich ist der Welt einiges erspart geblieben. Buben aus Voitsberg haben Träume, suchen das Abenteuer. Der kleine Kevin Danso war ein aufgewecktes Kind, dauernd unterwegs und hatte nur ein Ziel. "Ich wollte unbedingt Action-Schauspieler werden", sagt der 24-Jährige dem STANDARD. Einer wie Jean-Claude Van Damme, Jackie Chan oder Vin Diesel. Glücklicherweise gab es zu Beginn der 2000er in und um Voitsberg Fußbälle. Danso sattelte spontan um, manche Träume sind bekanntlich nur Schäume. "Ich wollte unbedingt Fußballprofi werden." Kevin Danso wurde es.

Jackie Chan atmete tief durch, hatte er doch einen Konkurrenten weniger, die Filmbranche ist kein Ponyhof und Hollywood ein Intrigantenstadl. Danso wechselte das Vorbild, die Wahl fiel auf Didier Drogba. "Ungewöhnlich. Ich bin ja Verteidiger, er war Stürmer, ganz andere Position. Er hat in großen Spielen immer Tore gemacht, wusste, worauf es ankommt."

Dansos Eltern stammen aus Ghana. Er selbst ist vor einem Jahr dort gewesen, hat seine Großeltern besucht. "Das war wunderschön." Ghana ist von Voitsberg ungefähr so weit weg wie Rapid vom Meistertitel. Dansos Vater wollte der Familie ein besseres Leben bieten, er fand einen Job in einem Stahlwerk, wie genau das zustande kam, weiß der Sohn nicht. Jedenfalls ließ der Papa die Familie in die Steiermark nachkommen. Kevin wurde am 19. September 1998 in Voitsberg geboren. Als österreichischer Staatsbürger. "Darauf bin ich stolz."

Sein älterer Bruder Emanuel, er ist Kevins Berater, war da schon auf der Welt, machte die Übersiedelung mit. Josef, der jüngere Bruder, ist ebenfalls ein echter Steirerbua.

Als Kevin sechs Jahre alt war, zog es die Familie nach England. Er hatte in erster Linie Fußball im Kopf, die Stationen als Jugendlicher waren FC Reading und Milton Keynes Dons. Die Karriere nahm Fahrt auf. Er lebte seine Leitsätze: "Du musst immer hundert Prozent geben, nicht nur im Fußball, denn die Zeit kommt nie wieder." "Wenn du dich entspannst, dann entspanne dich zu hundert Prozent." "Hast du einen großen Willen, kannst du alles erreichen im Leben. Sogar das Glück kannst du dir erarbeiten."

Auch Kylian Mbappé hat mit Kevin Danso seine Probleme.
AP

2014 wurde er von Augsburg verpflichtet, ab 2016 gehörte er der Kampfmannschaft an. Ein Jahr später debütierte er gegen Wales im Nationalteam. Danso wurde an Southampton und Fortuna Düsseldorf verliehen, 2021 wechselte der bullige Innenverteidiger nach Frankreich zum RC Lens. Die damalige Ablöse betrug 5,5 Millionen Euro, sein aktueller Marktwert wird auf gut 30 Millionen geschätzt. Danso hat sich also in zwei Jahren nahezu versechsfacht. In der abgelaufenen Saison wurde Lens hinter Paris St. Germain Vizemeister, der Österreicher wurde von den Profis und Trainern in das Team der Saison gewählt. Er spielte also rein theoretisch mit Kylian Mbappé in einer Elf.

Lens hat 32.000 Einwohner, ist nur rund dreimal so groß wie Voitsberg. "Ich fühle mich extrem wohl." Er hat seinen Vertrag bis 2027 verlängert, bereichert heuer erstmals die Champions League. Die Gegner sind Sevilla, Arsenal und Eindhoven. "Mein Plan ist immer, den nächsten Schritt zu machen. Ziel ist, bei einem ganz großen Klub in Europa zu spielen." Wohlgemerkt Europa, nicht Saudi-Arabien. "Ich will mich in allen Bereichen verbessern, mich ständig beweisen. Ich bin im Spielaufbau stärker geworden. Das Selbstvertrauen ist da, ich genieße Wertschätzung." Der Saisonstart mit Lens ist allerdings missglückt, nur ein Punkt aus vier Partien, zuletzt ein 0:3 in Monaco. "Wir werden das ändern."

Am Montag ist Danso im Teamtrainingslager in Windischgarsten eingetroffen. Österreich testet am Donnerstag in Linz gegen die Republik Moldau, am 12. September steigt dann in Solna die EM-Qualifikation gegen Schweden. "Ich will beide Spiele gewinnen." Danso hat auf seiner Position starke Konkurrenz (u. a. Philipp Lienhart, Stefan Posch), im Abwehrzentrum ist lediglich Kapitän David Alaba gesetzt.

Neben Alaba

Danso wird von Ralf Rangnick aufgrund seiner Robustheit und Zweikampfstärke hoch geschätzt, der Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. "Mit Teamchef Rangnick kam ein neuer Push. Mit ihm zu arbeiten ist etwas ganz anderes, ist höchstes Niveau." Neben Alaba verteidigen zu dürfen sei eine Ehre. "Unglaublicher Spieler." Generell besitze die Nationalmannschaft "enorme Qualität. Die Reise kann weit gehen, die Qualifikation ungeschlagen zu beenden ist mein Ziel. Wir wollen bei der Endrunde in Deutschland nicht nur dabei sein, wir wollen dort eine wichtige Rolle spielen. Wir können Europa überraschen."

In Voitsberg hat es begonnen. Danso hat schöne Erinnerungen. Natürlich wurde er nicht nur dort mit Rassismus konfrontiert. "Bei meinen Eltern war es ärger. Wir sind alle Menschen und eine Familie, egal welche Hautfarbe und woher wir kommen." Danso hat in Voitsberg ein Sozialprojekt initiiert, es heißt "DANnSO", kümmert sich um die Integration benachteiligter Kinder. Danso sagt: "Ich habe meinen Traumberuf." Und gegen die Schweden verspricht er "Action". (Christian Hackl, 5.9.2023)