Mann sitzt im Wohnzimmer auf Yogamatte. Vor ihm steht ein Tablet.
In der Studie konnte die App nur kurzfristig zu mehr Bewegung motivieren. Wichtig ist jedoch, dass man dranbleibt.
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Die Yoga-Stunde beginnt bereits in 30 Minuten, aber das Meeting scheint noch lange kein Ende zu nehmen. Ist man dann endlich aus der Arbeit raus, ist die Yoga-Einheit, die man sich so fest vorgenommen hatte, meistens auch bereits wieder vergessen. Also geht man erschöpft nach Hause und setzt sich auf die Couch. Viele kennen das. Dabei ist gerade Bewegung und Sport im Alltag eine der wichtigsten Faktoren für eine gute Work-Life-Balance. Wer lange Zeit nicht auf sich achtet, nicht gut Nein sagen kann und ständig über seine Grenzen geht, könnte in einem Burnout landen.

Aber man muss gar nicht unbedingt in die geführte Stunde hetzen. Laut einer randomisierten Studie könnte auch eine Yoga-App dabei helfen, depressive Verstimm­ungen zu überwinden und darüber hinaus Symptome eines Burnouts zu mildern.

Mentale Verfassung deutlich besser

Der Begriff Burnout wurde in den 1970er-Jahren vom New Yorker Psychotherapeuten Herbert Freudenberger geprägt. Er bezeichnet einen Zustand völliger Erschöpfung, die Symptome reichen von Müdigkeit, Überforderung und Lustlosigkeit bis hin zu körperlichen Beschwerden. Zu Beginn wurde der Begriff vor allem bei Personen benutzt, die im sozialen oder gesundheitlichen Sektor arbeiteten. Die körperliche und psychische Belastung gilt in diesen Berufen als besonders groß. Mittlerweile werden alle Berufsgruppen eingeschlossen.

An der Studie nahmen ausschließlich Angestellte aus dem Gesundheitswesen teil. Vor allem während der Pandemie habe diese Berufsgruppe sehr viel leisten und über ihre persönlichen Grenzen gehen müssen, begründen die Forschenden die Entscheidung. Im Frühjahr 2022 wurden 288 Personen ausgewählt. Sie waren im Durchschnitt 41 Jahre alt, in der Krankenpflege tätig und bewegten sich zu Studienbeginn kaum.

Die App DownDog sollte sie dazu motivieren, mindestens 80 Minuten pro Woche mit Yogaübungen und einem Ausdauer- und Krafttraining zu verbringen. Um den Nutzen für die Psyche zu untersuchen, wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach zwölf Wochen befragt. Das Ergebnis: Die Teilnehmenden fühlten sich mental deutlich besser.

Emotionale Erschöpfung geringer

Auch nach drei Merkmalen des Burnout-Syndroms wurden die App-Nutzer befragt. Zwei Merkmale hatten sich klar verbessert: Die emotionale Erschöpfung war um einiges geringer und die Teilnehmenden waren weniger zynisch. Nur Misserfolge wurden genauso wie zuvor wahrgenommen.

Wie wichtig Sport für die psychische Gesundheit ist, erklärt Laura Stoiber, klinische Psychologin aus Wien: "Sport fungiert als wirksamer Stresspuffer, der dazu beiträgt, negative Gedanken und Emotionen zu regulieren. Durch regelmäßige sportliche Betätigung wird nachweislich und langfristig Stress reduziert und es entsteht eine Abwehr gegenüber negativen Auswirkungen von chronischem Stress."

Die Fachleute der Studie sind mit den Ergebnissen zufrieden. Ein einfaches Heimtraining mit Unterstützung einer Trainings-App könne depressive Symptome bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen wirksam reduzieren, und die App könnte ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der globalen psychischen Gesundheitskrise in diesem Sektor sein, schreiben sie.

Eine Fitness-App ist allerdings kein Ersatz für eine professionelle Therapie, stellt Stoiber klar: "Diese Apps konzentrieren sich häufig ausschließlich auf die körperliche Ebene, was kurzfristig positive Effekte haben kann, jedoch selten langfristig wirksam ist. Die tieferen Ursachen und Themen werden nicht bearbeitet. Zudem fehlt der so wichtige Austausch mit professionellen Therapeuten, um die Isolation und die Überforderung allein mit den eigenen Problemen zu bewältigen." Die Effizienz der Mitarbeiter könnte zwar gesteigert werden, Apps seien jedoch keine Lösung für organisatorische oder personelle Probleme, Führungsfragen, gesunde Arbeitsgrenzen oder die emotionale Stabilität der Mitarbeiter.

Regelmäßige Wiederholungen entscheidend

Und noch ein Manko gibt es: Die App war nicht in der Lage, die Menschen langfristig zu motivieren. In den ersten beiden Wochen hatten noch 54,9 Prozent ihr Wochenziel von 80 Minuten erreicht. In der letzten Woche der Untersuchung waren es nur noch 23,2 Prozent.

Obwohl sich die Teilnehmenden deutlich besser fühlten, hielten sie an ihrem App-Programm nicht fest. Gegen den inneren Schweinehund kam also auch die App nicht an. Die Psychologin weiß, was dahintersteckt: "Trotz Erfolge verfallen wir wieder in alte Muster. Psychologisch ist das aber ganz normal. Gewohnheiten sind nicht sofort etabliert, sondern erfordern Zeit und kontinuierliche Wiederholungen, um sich zu festigen." Forschungen haben gezeigt, dass es im Durchschnitt etwa 66 Tage dauern kann, bis eine neue Gewohnheit in den Alltag integriert ist. "Dabei ist zu beachten, dass regelmäßige Wiederholungen, am besten täglich, entscheidend für den Erfolg sind," sagt Stoiber. (jaa, 06.09.2023)