Die Yacht des russischen Oligarchen Dmitry Pumpyansky
Die Yacht des russischen Oligarchen Dmitry Pumpyansky wurde längst festgesetzt. Jetzt hat das Europäische Gericht entschieden, dass die Sanktionen gegen ihn und seine Frau zulässig sind.
REUTERS/Jon Nazca

Nicht nur Oligarchen selbst, sondern auch deren Eltern, Kinder und Eheleute wurden von der Europäischen Union im Zuge der Sanktionen ins Visier genommen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Villen, Yachten und Stiftungen gehören oft nicht den Geschäftsmännern selbst, sondern ihren Familienangehörigen. Die EU will möglichen Umgehungskonstrukten einen Riegel vorschieben.

Aus rechtlicher Sicht ist das freilich nicht unproblematisch. Und nach einer Reihe von Beschwerden müssen sich die Richterinnen und Richter am Europäischen Gericht in Luxemburg nun mit heiklen Fragen beschäftigen: Nähert man sich mit Sanktionen gegen Eltern, Kinder und Eheleute einer Art Sippenhaftung an, die mit westlichen Grundrechten nicht vereinbar ist? Wo verlaufen die Grenzen zwischen einer rein familiären Verbindung auf der einen und einer wirtschaftlichen Beziehung auf der anderen Seite?

Über Stiftungen verbunden

Am Mittwoch sind in Luxemburg zwei Urteile ergangen, die etwas mehr Klarheit in die Debatte bringen: Zwei Oligarchen und deren Ehefrauen hatten sich gegen die von der EU verhängten Sanktionen beschwert. Die Richterinnen und Richter erteilten ihnen allerdings eine Absage: Sowohl die Sanktionen gegen Gennadi Timtschenko und seine Ehefrau Elena als auch die gegen Dmitry Pumpyansky und dessen Frau Galina sind rechtmäßig. Die Ehefrauen seien nicht nur privat, sondern auch über gemeinnützige Stiftungen mit den Geschäftsaktivitäten ihrer Männer verbunden.

Das Gericht bestätigte damit die Argumente des EU-Rats: Timtschenko, Chef der Volga Group, sei ein "langjähriger Bekannter von Wladimir Putin" und "profitiere von seinen Verbindungen zu russischen Entscheidungsträgern". Dasselbe gelte – zumindest indirekt – für seine Ehefrau Elena. Sie nehme über "die Timtschenko-Stiftung an seinen öffentlichen Angelegenheiten teil". Sehr ähnlich lautete die Argumentation bei Pumpyansky, dem Chef Sinara-Gruppe, und dessen Ehefrau Galina. Sie sei Vorsitzende einer Stiftung, die die Wohltätigkeitsarbeit der Firmen organisiere.

Dass die Grenzen bei Sanktionen gegen Angehörige oft schwer zu ziehen sind, zeigt ein ähnlicher Fall, den die Luxemburger Richterinnen und Richter im März ganz anders beurteilt haben: Damals hatte sich Violetta Prigoschina, die Mutter des verstorbenen Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin, über die EU-Sanktionen beschwert und vor Gericht gewonnen: Der EU-Rat habe im Zuge der Sanktionen kein wirtschaftliches Naheverhältnis Prigoschinas zu ihrem Sohn beweisen können; allein die familiäre Beziehung der beiden könne die Sanktionen aber nicht rechtfertigen, hieß es in der Entscheidung. Zwar hatte Prigoschina in der Vergangenheit Funktionen in den Unternehmen ihres Sohnes inne, allerdings nicht mehr zu dem Zeitpunkt, als die Sanktionen beschlossen wurden.

Heikle rechtliche Fragen

Juristisch sind diese Probleme derzeit schwer zu lösen. "Im Gegensatz zu den USA hat die EU den Weg gewählt, die Sanktionen für jede Person einzeln zu begründen und ihnen ein Beschwerderecht zu geben", erklärt Marc Lager, Anwalt für Sanktionsrecht, dem STANDARD.

Die Europäische Union macht es damit den Oligarchen leichter, gegen ihre Nennung auf der Sanktionsliste vorzugehen. Gleichzeitig werden neue Listungen erschwert, zumal aus Sicherheitsgründen nicht alle Hintergrundinformationen veröffentlicht werden könnten. Im Ergebnis könnte dadurch die Effektivität der Sanktionen unterlaufen werden, sagt Lager.

In den beiden aktuellen Verfahren ist das letzte Wort übrigens noch nicht gesprochen. Die Oligarchen könnten eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) richten, die höchste gerichtliche Instanz der EU. Viele weitere Verfahren sind völlig offen. (Jakob Pflügl, 6.9.2023)