Ein Windrad vor einem Strommasten mit schweren Wolken im Hintergrund.
In Ostösterreich wie hier nahe Parndorf im Burgenland stehen viele Windräder, und für viele weitere wäre noch Platz. In Westösterreich hingegen steht noch keines.
APA/ROBERT JAEGER

Das vergangene Jahr war das schlimmste, seit es Energiepreise gibt. Anders als in den 1970ern, als sich der Preis für Rohöl nach Unruhen im Nahen Osten quasi über Nacht vervierfacht hat, ist der Preis für Gas im August 2022 um den Faktor zehn gestiegen und hat den Strompreis mit nach oben gerissen. Hauptgrund: Russlands Einfall in die Ukraine, verbunden mit der Sorge, der Gasfluss könnte versiegen. Die Situation war schlimm, es hätte aber noch schlimmer kommen können, zeigen jüngste Modellrechnungen.

Hätte es keine erneuerbaren Energien im Strommix gegeben, wären die Stromkosten wegen des dann nötigen Mehreinsatzes fossiler Energien in Summe um rund 100 Milliarden Euro höher gewesen. Umgekehrt heißt das, dass sich Haushalte und Industrie in Europa seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine im Februar 2022 an die 100 Milliarden Euro erspart haben. Das geht aus einer Studie der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (Irena) hervor, die am Donnerstag bei einer Veranstaltung der IG Windkraft zitiert wurde.

Merit-Order

Zurückzuführen sei dies auf die sogenannte Merit-Order. Demnach gehen in aufsteigender Reihenfolge zunächst Kraftwerke mit den niedrigsten Gestehungskosten ans Netz, wobei aber immer das teuerste, zum Ausgleich der Nachfrage gerade noch notwendige Kraftwerk in jeder Stunde des Tages und der Nacht den Preis für alle anderen Kraftwerke setzt, auch jenen der günstiger produzierenden. Andernfalls wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass Kraftwerksbetreiber ihre Stromprodukte an der Börse nicht zu Grenzkosten, sondern zu höheren Preisen anbieten aus Angst, andernfalls übervorteilt zu werden. Je mehr vergleichsweise günstig produzierter Sonnen- oder Windstrom zu jeder Stunde bereitsteht, desto weniger oft muss zusätzlich noch ein teureres Kohle- oder Gaskraftwerk zugeschaltet werden, das den Preis aller anderen fixiert.

Von März 2022 bis Jänner 2023 gingen in den EU-27 laut Ember, einem auf erneuerbare Energien spezialisierten Thinktank, an die 50 Terawattstunden (TWh) Wind- und Solarstrom zusätzlich ans Netz. Zum Vergleich: Österreich verbrauchte 2022 insgesamt 63,3 TWh Strom.

Gasimporte gesunken

Gleichzeitig mit Inbetriebnahme zusätzlicher Erzeugungskapazitäten für Wind und Solar ging der Import von Gas um rund neun Milliarden Kubikmeter zurück. Das entspricht dem Jahresverbrauch von Österreich. Dadurch habe man sich in Europa an die zwölf Milliarden Euro an Ausgaben erspart, die andernfalls zusätzlich fossilen Produzenten im Ausland zugutegekommen wären, sagte Harriet Fox von Ember.

Auf einen weiteren wichtigen Umstand wies Karina Knaus von der Österreichischen Energieagentur hin. Seit die gemeinsame Strompreiszone zwischen Österreich und Deutschland im Oktober 2018 aufgehoben werden musste, hat sich der Strom hierzulande deutlich verteuert. Grund: Konnte Österreich früher zu gewissen Stunden von den günstigen Windstrom- oder Solarpreisen der Nachbarn profitieren, ist das wegen künstlich verknappter Leitungskapazitäten nur noch rudimentär der Fall. Besonders im Winter schlage das mitunter heftig zu Buche, weil dann verstärkt Gaskraftwerke angeworfen werden müssen, sagt Knaus. Die seien nicht nur teuer, sondern aufgrund der CO2-Emissionen auch umweltschädlich.

Windkraft im Winter stark

Stünde im Winter mehr Windkraft zur Verfügung, könnten die Preisspitzen gekappt werden, sagt Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft: "Jetzt rächt sich, dass Windkraft nicht schon viel früher ausgebaut wurde." Die Vorteile lägen auf der Hand. Die Stromerzeugung mittels Winds im Winterhalbjahr stärker als im Sommerhalbjahr – im Verhältnis 60 zu 40 in etwa.

Gerade im Winter werde mehr Strom benötigt, der andernfalls importiert oder in Gaskraftwerken produziert werden müsse. Die Gaskrise im Vorjahr sollte Weckruf genug sein für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren, sagt Moidl.

(Günther Strobl, 7.9.2023)