Reger Andrang beim Stand des chinesischen Unternehmens BYD auf der IAA.
Messerbesucher tummeln sich auf der Münchner Automobilausstellung IAA um den chinesischen Automobilhersteller BYD.
AFP / CHRISTOF STACHE

München–- Chinesische Autobauer sind ein großes Gesprächsthema bei der Münchner Automesse IAA – nicht nur bei den europäischen Fahrzeugherstellern, sondern vor allem bei den Zulieferern. Konzernchefs von Bosch bis ZF spekulieren auf zusätzliches Geschäft mit den neuen Spielern auf dem Markt – in China hoffen zahlreiche neue Unternehmen und etablierte Autobauer, vom Elektroautoboom zu profitieren. Einige von ihnen wollen ihre Fahrzeuge auch in Europa auf den Markt bringen.

Und doch dürften nicht nur auf die Autobauer wie Volkswagen stürmischere Zeiten zukommen, wenn ihnen nun bislang kaum bekannte Unternehmen wie BYD mit Kampfpreisen Marktanteile auch in Europa abjagen. Auch die Zulieferer müssen sich wohl auf verstärkte Konkurrenz einstellen – sowohl in China, wo zunehmend einheimische Lieferanten den Zuschlag bei den neuen Elektroauto-Anbietern erhalten, als auch auf ihrem Heimatmarkt, wenn BYD und Co bei der Expansion ihre eigenen Zulieferer mitbringen.

Unterstützung durch Regierung

Der Aufbau eines extrem wettbewerbsstarken Lieferantennetzwerks sei parallel zur Förderung von Autobauern über viele Jahre von der chinesischen Regierung strategisch unterstützt worden, sagt Thomas Luk, Autoexperte und Partner der Unternehmensberatung Kearney. "Die Kostenvorteile der chinesischen Autobauer und Zulieferer ergeben sich auch durch ihren direkten Zugriff auf lokale Rohstoffe und Komponenten", sagt Luk. Gleichzeitig werden chinesische Zulieferer die weltweite Expansion der chinesischen Unternehmen begleiten und damit den Platzhirschen Konkurrenz machen.

Schon jetzt dominieren chinesische Batteriezellhersteller den Weltmarkt und bauen Gigafabriken in Europa. Andere dürften dazukommen. Bosch-Chef Stefan Hartung sagte, es sei immer gut und richtig für Bosch, dass eine harte Konkurrenz entstehe und Wettbewerb unter fairen Bedingungen stattfinde. "Dann ringen wir alle um die beste Lösung." ZF Friedrichshafen etwa erwirtschaftete 2020 in seinen 40 chinesischen Standorten etwa ein Fünftel seines Jahresumsatzes – und ungefähr 40 Prozent der Erlöse in China stammen von chinesischen Herstellern. Der weltweit führende Autozulieferer kennt das Geschäft in China und liefert Fahrassistenzsysteme für BYD, Elektromotoren für den Luxus-Autobauer Human Horizons und zählt Nio zu seinen Kunden. "Wenn wir mit unseren chinesischen Kunden sprechen, ist von sehr konkreten Plänen zum Bau von Fabriken in Europa die Rede", sagte ZF-Chef Holger Klein. Continental-Chef Nikolai Setzer merkt an, dass sein Unternehmen mit Werken vor Ort ist und Kapazitäten hat. Er müsse nicht erst Werke bauen, um chinesische Kunden zu beliefern.

Preis ist bestimmendes Thema

Zumindest gelten deutsche Bauteile als Garant für Qualität. Der chinesische Hersteller Leapmotor zählt Zulieferer wie ZF und Continental zu seinem Netzwerk. Doch gerade wegen des derzeitigen Preiskrieges werden die Kostenvorteile der chinesischen Lieferanten immer mehr zum Thema. Über kurz oder lang dürfte das dazu führen, dass bei Lieferverträgen die Europäer zurückstecken müssen. Für die Margen heißt das nichts Gutes: Aufträge gibt es, wenn überhaupt, mit Rabatt.

Hinzu kommt, dass das Kuchenstück für die Zulieferer bei Elektroautos kleiner ist. Die Batterie als wichtigste Komponente wird von chinesischen Firmen beigesteuert, viele andere Funktionen wie Software oder Antriebsstrang machen die Autobauer selbst. Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld verweist auf die Bedeutung, welche daher einzelne Komponenten erhalten. "Wir kommen von der Komponente und arbeiten uns von da hoch", sagte er. So kann Schaeffler einzelne Kugellager oder ganze Achssysteme liefern. Die Herzogenauracher verfügen neben dem Automobilgeschäft über eine Industriesparte und haben dieses zweite Standbein in den vergangenen Jahren über Zukäufe ausgebaut.

Hinter vorgehaltener Hand ist auch von der Politik die Rede, die chinesische Unternehmen unterstützt. Zuletzt hatte Peking Ausfuhrlizenzen für Gallium und Germanium eingeführt; Gallium etwa wird für LED-Lichter oder bestimmte Halbleiter benötigt. Bosch-Chef Hartung sagte, in den meisten Bereichen des Zuliefergeschäfts herrschten faire Wettbewerbsbedingungen, bei einigen Teilen wie Batterien gebe es "Diskussionen". Ein Spitzenvertreter eines anderen europäischen Unternehmens sagte, die Autobranche habe keine Restriktionen gesehen. "Behalten Sie im Kopf, die Chinesen wollen nach Europa importieren. Wenn sie uns das Leben schwer machen, verschließt ihnen das die Tür nach Europa."

Der chinesische Batteriehersteller Calb etwa will in seiner Fabrik in Portugal zunehmend Material aus Europa verarbeiten. Bis 2026 könnten mindestens 70 Prozent der Rohstoffe wie Lithium und Kathodenmaterialien in Europa lokal gewonnen werden, sagte Calb-Markektingchef Wu Tao. "Wir halten es für notwendig, die Materialversorgung so weit wie möglich lokal zu organisieren", sagte Tao. Es sei nicht sinnvoll für ein auf erneuerbare Energie ausgerichtetes Unternehmen, Rohstoffe über weite Strecken mit dieselbetriebenen Schiffen heranzuschaffen.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mahnte bei der IAA, die "Abhängigkeiten von einzelnen Märkten zu reduzieren". Baerbock sagte, die Karten am Automobilmarkt würden neu gemischt. "Das ist auch eine Chance, aus alten Fehlern zu lernen und bei klimaneutraler Mobilität führend zu werden." (Reuters)