Der Sternenhaufen der Hyaden. Untersuchungen des Weltraumteleskops Gaia.
Jose Mtanous

Dunkles ist schwerer zu sehen als Helles. Diese Binsenweisheit hat sich in der Astronomie zum bestimmenden Prinzip etabliert: Während wir über alle Objekte, die Licht aussenden, viel wissen, bleiben etwa Dunkle Materie und Dunkle Energie weitgehend rätselhaft. Etwas besser ist die Lage bei Schwarzen Löchern. Ihr Nachweis kann seit einigen Jahren als gesichert gelten, und dank der Möglichkeit, Gravitationswellen aus ihrer Verschmelzung zu messen, sind sie sogar zum Hoffnungsträger geworden, der Informationen und andere dunkle Gebiete des Universums liefern soll.

Durch ihre Dunkelheit und enorme Größenunterschiede – die größten von ihnen sind viele Milliarden Mal massiver als unsere Sonne, während die kleinsten nur etwa die dreifache Masse der Sonne haben – sind Schwarze Löcher in der Nähe nicht unbedingt die am besten untersuchten. Nur jene Schwarzen Löcher, die starken Einfluss auf sichtbare Materie wie Gaswolken oder vorbeifliegende Sterne ausüben, lassen sich gut studieren. Das bedeutet, dass wir über mögliche Schwarze Löcher in unserer Nachbarschaft nur wenig wissen. Sie könnten sich unbemerkt in unmittelbarer Nähe befinden.

Nun berichtet eine neue Studie im Fachjournal "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society", dass es im Sternenhaufen der Hyaden, nur etwa 150 Lichtjahre von uns entfernt, zwei bis drei Schwarze Löcher geben könnte. Das legen Simulationen nahe, die im Zuge einer Kooperation der Universitäten Padua, Cambridge, Barcelona, der chinesischen Sun Yat-sen University und der europäischen Südsternwarte ESO entstanden.

Ein Weltraumteleskop, das an eine fliegende Untertasse erinnert
Eine künstlerische Darstellung des Weltraumteleskops Gaia.
ESA/ATG medialab; background: ESO/S. Brunier

Zwei bis drei Schwarze Löcher

Die Hyaden sind ein lose gebundener Sternenhaufen aus einigen Hundert Sternen mit ähnlichen Eigenschaften. Das Forschungsteam interessierte sich für seine Entwicklung, also die Entstehung der Sterne und ihre Bewegung. Computersimulationen zeigten, dass die Entstehung der derzeitigen Form ohne die Hinzunahme weiterer Objekte nicht zu erklären ist. Das zeigte ein Vergleich mit genauen Daten des Hyaden-Sternenhaufens vom Weltraumteleskop Gaia der europäischen Weltraumorganisation Esa.

"Unsere Simulationen passen nur dann zur Masse und Größe der Hyaden, wenn einige Schwarze Löcher im Zentrum des Haufens vorhanden sind oder zumindest bis vor Kurzem vorhanden waren", sagt Erstautor Stefano Torniamenti von Universität Padua. Am besten ist die Übereinstimmung mit der Ist-Situation, wenn zwei oder drei Schwarze Löcher hinzugefügt werden. Diese müssten zumindest bis vor astronomisch kurzer Zeit noch im Cluster gewesen sein, am besten ist die Übereinstimmung mit den Daten, wenn man annimmt, dass sie nach wie vor dort sind.

Dass es in den Hyaden Schwarze Löcher geben könnte, hatte das Team bereits vermutet. Zwar sind die Hyaden nur ein relativ lose gebundener Sternenhaufen, aus dem Schwarze Löcher leicht herausgeschleudert werden können. Das könnte etwa bei ihrer Entstehung passieren, wo sie aufgrund uneinheitlicher Massenverteilung einen sogenannten Geburts-"Kick" erhalten könnten. Doch die große Zahl der bisher gefundenen Gravitationswellensignale durch die Verschmelzung von Schwarzen Löchern legt laut dem Team nahe, dass dieser Kick häufig nicht allzu stark sein dürfte und Schwarze Löcher, die im Hyaden-Sternenhaufen entstanden, trotz der geringen Anziehung des Haufens dort verblieben sein könnten.

"Diese Beobachtung hilft uns zu verstehen, wie die Anwesenheit von Schwarzen Löchern die Entwicklung von Sternhaufen beeinflusst und wie Sternhaufen ihrerseits zu Gravitationswellenquellen beitragen", sagt Mark Gieles von der Universität Barcelona. "Diese Ergebnisse geben uns auch Aufschluss darüber, wie diese mysteriösen Objekte in der Galaxie verteilt sind". Und auch eine Abschätzung für den Geburts-Kick liefert die Studie. Er dürfte für die Schwarzen Löcher im Hyaden-Sternenhaufen weniger als drei Kilometer pro Sekunde betragen haben.

Weltraumteleskop Gaia

Die Studie stützt sich dabei auf Daten des Weltraumteleskops Gaia der europäischen Weltraumorganisation Esa, das in unmittelbarer räumlicher Nähe des James-Webb-Weltraumteleskops operiert. Seine Aufgabe ist keine Geringere als die Vermessung der Milchstraße. Dazu wird die Position von zwei Milliarden Objekten 14-mal im Jahr bestimmt. Die wiederholte Positionsmessung ist nötig, um auch die Entfernung der Objekte zu bestimmen: Beim Kreisen des Teleskops um die Sonne verändert sich der Blickwinkel des Teleskops minimal und analog zum dreidimensionalen Sehen der beiden menschlichen Augen lässt sich aus der veränderten Position auf die Entfernung rückschließen. Diese Methode funktioniert bei relativ nahen Objekten innerhalb der Milchstraße.

Zwei Bahnkurven im All.
Die Orbits von Gaia (gelb) und dem James-Webb-Weltraumteleskop (blau). Beide umkreisen den sogenannten Lagrange-Punkt L2, wobei ihre Entfernung zueinander zwischen 100.000 und 400.000 Kilometer schwankt. L2 befindet sich dabei im Zentrum der gelben Kurve, Webb kreist etwas weiter in der Nähe der Erde.
ESA/Gaia/DPAC; CC BY-SA 3.0 IGO

Ziel ist die bislang größte dreidimensionale Karte der Milchstraße. Durch die Möglichkeit, auch Positionsveränderungen aufzuzeichnen, ist Gaia in der Lage, neben Braunen Zwergen und Planeten in anderen Sonnensystemen auch Asteroiden aufzuspüren. Nun kann Gaia womöglich auch Schwarze Löcher ins Portfolio der Objekte aufnehmen, zu deren Entdeckung es beigetragen hat. Bis darüber Sicherheit herrscht, wird es noch etwas dauern. Eine Suche nach Sternen, die eventuell ein Schwarzes Loch als Partnerstern umkreisen, blieb vorerst erfolglos. (Reinhard Kleindl, 12.9.2023)