Schallenberg und sein Außenminister-Kollege Hussein in Bagdad.
BMEIA/Michael Gruber

Österreich ist zurück in Bagdad." Mit dieser Ansage an seinen Amtskollegen Fuad Hussein hat Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) den Terminreigen auf seiner Irak-Reise am Dienstag eröffnet. Neben der offiziellen Wiedereröffnung der österreichischen Botschaft in der Hauptstadt – sie besteht aus einem bescheidenen Büro in einem abgesicherten Hotelkomplex am Fluss Tigris – traf Schallenberg auch den von Iran-treuen Milizen unterstützten Premierminister Mohammed Shia al-Sudani und Präsident Abdul Latif Raschid.

Erklärtes Ziel der Reise: eine verstärkte Kooperation mit den irakischen Behörden bei Rückführungen von Asylwerbern und ein vermehrter Austausch in Sicherheitsfragen. Aber auch das Instellungbringen österreichischer Firmen für mögliche lukrative staatliche Infrastrukturaufträge steht auf dem Programm. "Eine Win-win-Situation – für unsere Firmen und für den Irak, den wir bei seiner Stabilisierung unterstützen wollen", so Schallenberg, der vom Irak und seiner neuen Regierung als einem wichtigen "Scharnier" für Ruhe in der Region und damit auch für Österreich spricht.

Fragiler Frieden

Dass sich die Sicherheitslage im Irak verbessert hat, ist dieser Tage in Bagdad deutlich spürbar. Zwar gibt es immer noch viele Checkpoints, doch die immerwährende Angst vor Anschlägen scheint verflogen. Die Lokale haben länger geöffnet, die Leute gehen mehr aus. Zudem verzeichnet die Wirtschaft im Vergleich einen Aufschwung – nicht zuletzt dank gestiegener Ölpreise, womit die Führung Investitionen aus dem Ausland an Land ziehen will.

Sie hat die Massenproteste der Jugend 2019 nicht vergessen, die sich gegen die Elite, den Iran und die Perspektivlosigkeit wandten. Mit einem fragwürdigen Budgetbeschluss, der viele neue öffentliche Jobs schaffen soll, will al-Sudanis Zentralregierung die Gunst der Bevölkerung gewinnen. Zugleich bemüht sich der Irak, wo bis heute US-Truppen, türkische Soldaten und Iran-nahe Milizen aktiv sind, deren Einfluss zurückzudrängen.

Außenminister Hussein, der am Mittwoch in Teheran erwartet wird, sprach zwar von einer historisch wichtigen Beziehung mit dem Iran. Doch man dulde auch keine Gewalt der Iraner auf eigenem Staatsgebiet, sagte er auf Nachfrage zu iranischen Angriffen auf iranisch-kurdische Gruppen im Nordirak. "Es ist beeindruckend, was ihr in den letzten zwei Jahren geschafft habt", sagte Schallenberg zu Hussein in Hinblick auf das Erstarken des Zentralstaats – auch wenn das zulasten der Kurden, immerhin wichtige Partner des Westens in der Region, geschieht.

Massive Korruption

Doch ob die verbesserte Sicherheitslage von Dauer ist, wagt kaum ein Beobachter zu prognostizieren. Die Korruption ist massiv. Die Volksgruppen und ihre Parteien sind miteinander und innerhalb ihrer selbst zerstritten. Spannungen können im schiitischen Lager (etwa vom einflussreichen Oppositionellen Moqtada al-Sadr, dem eigentlichen Sieger der Parlamentswahl 2021) und im kurdischen Lager einfach angefacht werden. Und sie flammen auch regelmäßig zwischen Bagdad und den Kurden in Erbil, wo Schallenberg am Mittwoch erwartet wird, auf. Streitpunkt ist dabei vor allem die Höhe von Teilzahlungen Bagdads an die teilautonome Region Kurdistan, die ihre eigenständigen Ölexporte stoppen musste, ein echter Etappensieg des Zentralstaats.

Doch die Konsolidierung der Macht von al-Sudanis Parteienblock hat noch weitere Schattenseiten. Sie nützt auch den Iran-nahen Milizen, die ihn stützen – und konterkariert Mühen der Zivilgesellschaft, die für eine Entmilitarisierung und Bürgerrechte kämpft. Die Aktivistinnen der NGO Moja blicken gespannt auf die Provinzwahlen im Dezember. Sie gelten als Testlauf für die Parlamentswahlen 2025: Die Proteste 2019 haben der Bürgerrechtsbewegung viel Aufwind verschafft.

Seither wurden etliche neue Kleinparteien gegründet, für Moja trotz Zersplitterung ein wichtiger, pluralistischer Prozess. Bedauerlich sei aber, dass die Politelite mit Zensur, Populismus und einem neuen Wahlgesetz eine Teilhabe erschwert. Sie werden der Bürgerrechtsbewegung nicht einfach das Feld überlassen, gibt man sich im STANDARD-Gespräch realistisch. (Flora Mory aus Bagdad, 12.9.2023)