Lisa Gadenstätter steht auf einem riesigen stinkenden Müllberg, giftige Dämpfe belasten die umliegende Landschaft. "Stille Zeugen eines Umweltdesasters", kommentiert Gadenstätter. Europa schickt Teile seines Abfalls in ärmere Länder, etwa nach Rumänien. Dort wird er billig verbrannt. Es geht auch um unseren Plastikmüll, der dort entsorgt wird. In ihrer "Dok 1"-Reportage "Die Plastiklawine" – zu sehen am Mittwoch um 20.15 Uhr in ORF 1 – zeichnet sie den Weg unseres Mülls bis zur Entsorgung nach. Von Österreich über Rumänien bis in den Atlantik, mit teils drastischen Erkenntnissen.

Plastik in den Autos

Was passiert mit unserem Plastikmüll? Was kann daraus noch produziert werden? Allein in Österreich seien 2020 über eine Million Tonnen Plastikmüll angefallen, rechnet Gadenstätter vor, in der EU seien es rund 26 Millionen Tonnen. Oft landet er dort, wo er zumindest oberflächlich nicht sichtbar ist, etwa in den Ozeanen. Dabei geht es nicht nur um Plastikverpackungen – ein viel größeres Problem ist etwa das Plastik in Möbeln oder auch in Autos. Was passiert damit?

Aluminien, Stahl, Kupfer werden auf dem Schrottplatz aus den Autos herausgelöst, übrig bleibt jedoch das Plastik. Und das ist nicht wenig: 18 Prozent eines Fahrzeuggewichts in etwa sind Kunststoff, das seien rund 200 Kilo, berichtet ein Experte in der Sendung. Hersteller wollten diesen Anteil in Zukunft erhöhen, weil Kunststoff leichter als andere Materialien sei. Nur wenig davon könne recycelt werden. Ein weiteres Problem sei, dass nicht alle abgemeldeten Autos hierzulande verschrottet werden. Von 200.000 abgemeldeten Autos würden nur 60.000 verschrottet. Von 140.000 Autos wisse man nicht, wohin sie verschwinden.

Viele alte Autos landen in Rumänien, viele davon in einem kleinen Dorf im Norden. Dort werden sie zerlegt. Motor, Kupfer, Eisen bringen Geld. Und die Kabel werden einfach verbrannt, die Plastikteile, die kein Geld bringen, auf illegalen Müllhalden entsorgt. Und angezündet. Neben einer Müllhalde steht eine Wasseraufbereitungsanlage – erbaut mit EU-Geldern. Wer dieses Wasser trinke, müsse mutig sein, sagt ein Bewohner, der erzählt, wie ein Sportplatz der Müllhalde weichen musste.

ORF-Reporterin Lisa Gadenstätter
Lisa Gadenstätter war für ihre "Dok 1"-Reportage unter anderem auch auf dem Schrottplatz unterwegs.
Foto: ORF

Müllinseln im Meer

Illegale Müllhalden gebe es in Rumänien tausende. "Diese Zustände beeinträchtigen die Gesundheit", sagt eine Journalistin, die seit Jahren zu Orten wie diesen recherchiert. Sie will herausfinden, wer hinter diesen illegalen Müllhalden steckt. Und sie berichtet von Müll, der von Schiffen herab ins Schwarze Meer gekippt wird. Ciara Burns – sie hat 2021 in einem Ruderboot den Atlantik überquert – erzählt von ganzen Müllinseln, durch die sie durchrudern musste.

Was passiert mit dem Plastikmüll, den wir täglich in die gelbe Tonne werfen? Rund 300.000 Tonnen Plastikmüll produzieren wir in Österreich jedes Jahr allein mit Verpackungen. Der überwiegende Teil eignet sich aber nicht für das Recycling, viel davon wird verbrannt. Hierzulande recycelten wir derzeit nur rund 22 Prozent unserer Plastikabfälle, rechnet Gadenstätter vor. Der Rest verlässt das Land, wird oft in ärmeren Ländern billig verbrannt, ein Teil auch dort recycelt.

Illegale "Gratis"-Entsorgung

An einem Grenzübergang in Österreich begleitet Gadenstätter Beamte bei einer Kontrolle: Lkws, die Müll ins Ausland bringen, werden kontrolliert. Jeden Tag rollen legal 1.000 Tonnen Plastikmüll über Österreichs Grenzen. Auch Greenpeace recherchierte zu den Müllexporten, und fand etwa österreichischen Müll - der legal dorthin gebracht wurde - in einer Anlage in Rumänien, die den Müll in Gewässern und auf Wiesen lagert. Gadenstätter spricht in Rumänien auch mit Octavian Berceanu, dem ehemaligen Leiter der rumänischen Umweltbehörde, der offiziell illegale Müllhalden und deren Verbrennungen bekämpfte. Er war auch für die Kontrolle der Müllimporte verantwortlich. Und er erzählt von geheimem, nicht legal recycelbarem Müll, der in Lkws versteckt war und der dann auf illegale Mülldeponien gebracht wurde, darunter viel Plastik.

Viele Recyclingunternehmen seien das nur dem Papier nach, so könnten sie legal Plastikmüll aus EU-Ländern importieren und dann hier günstig entsorgen. Warum stoppt das niemand? Weil alle hier daran verdienen und unter einer Decke stecken würden, so Berceanu. Die Entsorgung einer Tonne Plastik auf einer legalen Müllhalde würde 30 Euro kosten, sagt er. Und hier koste es nichts.

Importierter Müll lande aber auch legal im Rumänien, rund 67.000 Tonnen seien 2022 legal importiert worden. Aber gleichzeitig aber würde Rumänien so wenig wie kaum ein anderes EU-Land recyceln. Der Großteil lande unsortiert auf Müllhalden.

Zwischen Mehrkosten und Lobbying

Warum wird bei Verpackungsmaterial oft Neuplastik und nicht recyceltes Plastik eingesetzt? Weil es fast doppelt so viel kostet, rechnet ein Nachhaltigkeitsexperte vor. Diese Mehrkosten wollen natürlich viele einsparen. Und auch die Petrochemie hat freilich Interesse daran, dass neues Plastik hergestellt wird. Um nur 0,4 Prozent sei der Anteil recycelter Materialien im Schnitt aller EU-Staaten zwischen 2015 und 2021 gestiegen.

Helga Berger vom Europäischen Rechnungshof hat sich die Kreislaufwirtschaft näher angeschaut. EU-Staaten hätten die vorhandene Möglichkeiten nicht so genutzt, um den Umstieg einzuleiten. Das EU-Ziel, die Recyclingquote bis 2030 zu verdoppeln, sei nicht realistisch, lautet ihr Fazit. (Astrid Ebenführer, 13.9.2023)