Bruck a. d. Leitha / Ingelheim – Der Jubel in der Politik und in der Region war im Vorjahr groß. Im niederösterreichischen Bruck an der Leitha östlich von Wien wollte der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim ein Werk mit 800 neuen Arbeitsplätzen errichten. 1,2 Milliarden Euro waren für eine neue Produktionsanlage für Medikamente vorgesehen. Nach monatelangen Planungen zwischen Unternehmen, Kommune und Land kam am Dienstag dann die Hiobsbotschaft: Die Expansionspläne werden verworfen, ein Ersatzprojekt gibt es nicht. Was ist passiert?

Die Präsentation des Projekts im April des Vorjahres war prominent besetzt. Neben Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner lauschte auch die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) den Vorstellungen des Pharmakonzerns. Der Plan war aus Sicht der Beteiligten vielversprechend. Bis 2026 hätte im Brucker Eco-Plus-Park ein Campus aus sieben Gebäuden samt hunderten Fachkräften entstehen sollen. Gesprochen wurde von einer "Aufwertung der Region" und einem "Erfolgsbeispiel". In der biopharmazeutischen Anlage sollten Medikamente gegen Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfälle hergestellt werden.

Bürgermeister Gerhard Weil im Rahmen einer Pressekonferenz.
Der Brucker Bürgermeister Gerhard Weil (SPÖ) muss sich vom Traum von 800 hochwertigen Arbeitsplätzen verabschieden.
IMAGO/SEPA.Media

Für die Region wäre eine derartige Ansiedelung eines internationalen Unternehmens tatsächlich neu gewesen. Am Rande von Bruck an der Leitha befinden sich zwar bereits einige Unternehmen samt Einkaufszentrum. Ein derart großes Industrieprojekt wäre für die Region aber eine Innovation gewesen.

Produktion in Wien

Boehringer Ingelheim hat seit vielen Jahren zwar einen Standort in Wien, doch Platzmangel bewegte den Konzern dazu, eine weitere Produktionsstätte ins Auge zu fassen. Die Wahl fiel wegen der guten Verkehrsanbindung auf Bruck an der Leitha. Davon verzückt war nicht nur der Brucker Bürgermeister ­Gerhard Weil (SPÖ), sondern auch die Landesregierung, die bis zuletzt eng in die Planungen eingebunden war.

Doch der Bedarf, den das Unternehmen noch im Vorjahr für eine weitere Produktionsstätte sah, ist laut Unternehmenssprecher Matthias Sturm nicht mehr gegeben. Vergangenes Jahr hieß es noch, dass die Produktion von Arzneimitteln nicht allein von der Wiener Dependance gestemmt werden könne. Infolge eines Evaluationsberichts sei man aber nun zu dem Ergebnis gekommen, dass der erwartete Bedarf "durch die kürzlich in Betrieb genommene Zellkulturanlage in Wien mit den bestehenden Produktionsanlagen abgedeckt werden kann", erklärt Sturm auf Anfrage.

Aller anfänglicher Jubel ist dadurch am Dienstag binnen weniger Stunden verflogen. Man sei mit der Meldung, dass das Unternehmen den Standort nun doch aufgeben will, quasi überrumpelt worden. "Die Nachricht kam für uns alle sehr überraschend. Vom Projekt selbst waren wir alle sehr begeistert", sagt ein Sprecher von Landeshauptfrau Mikl-Leitner dem STANDARD. Sturm betont, dass das Ergebnis der Evaluation allen Beteiligten unmittelbar mitgeteilt wurde.

"Maßlos enttäuscht über die Entscheidung des Konzerns" zeigte sich erwartungsgemäß der Brucker Bürgermeister Gerhard Weil. Sowohl die Gemeinde als auch die Landesregierung betonten, dass umfangreiche Vorarbeiten und Planungen erfolgt seien. Deshalb sei es "besonders überraschend", dass das Projekt derartig kurzfristig abgesagt wurde, sagt der ÖVP-Sprecher.

"Eine Katastrophe"

Auch die SPÖ in Niederösterreich ist entsetzt über die Absage. Als "eine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich" bezeichnete Landesparteichef Sven Hergovich (SPÖ) die Unternehmensentscheidung.

Trotz der Absage an Bruck an der Leitha erneuerte das Unternehmen sein klares "Bekenntnis zum Standort Österreich". In den vergangenen zehn Jahren habe Boehringer Ingelheim mehr als eine Milliarde Euro in den Standortausbau investiert, für 2024 sei in Wien die Eröffnung eines neuen Krebsforschungsgebäudes geplant. Wie mit dem Grundstück in Niederösterreich, das Boehringer Ingelheim von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus erworben hat, nun verfahren wird, bleibt abzuwarten. Dies sei Teil weiterer Verhandlungen, heißt es. (Max Stepan, 13.9.2023)