STANDARD: Was ist sexuelle Gewalt?

Windhager: Sexuelle Gewalt ist der Überbegriff für alle sexuellen Handlungen, die gegen den Willen einer Person erfolgen. Dazu zählen: Vergewaltigung, geschlechtliche Nötigung, sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person, Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, sexueller Missbrauch von unmündig Minderjährigen und sexuelle Belästigung.

Prozess gegen Florian Teichtmeister
Auch über den Prozess gegen Florian Teichmeister berichtete DER STANDARD.

STANDARD: Was muss man bei der Berichterstattung über Vorwürfe sexueller Gewalt abwägen?

Windhager: Das Opfer genießt den Identitätsschutz und den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereiches. Bei identifizierenden detaillierten Berichten über Sexualdelikte wird der höchstpersönliche Lebensbereich des Opfers regelmäßig verletzt.

Auch der Tatverdächtige ist grundsätzlich vor einer identifizierenden Berichterstattung geschützt. Man muss abwägen, ob aufgrund seiner Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung besteht.

STANDARD: Ab wann kann man jemanden einen Täter, eine Täterin nennen?

Windhager: Bis zur rechtskräftigen Verurteilung des Verdächtigten einer gerichtlich strafbaren Handlung darf eine beschuldigte Person nicht als schuldig oder als Täter bezeichnet oder als solcher hingestellt werden. Es gibt aber Ausnahmen: Im Fall Teichtmeister hat dieser über seinen Anwalt ein öffentliches Geständnis gegenüber den Medien abgegeben.

STANDARD: Mit welchen rechtlichen Konsequenzen müssen Journalisten rechnen?

Windhager: Wird in einer Berichterstattung die Unschuldsvermutung des Betroffenen verletzt, können neben medienrechtlichen Entschädigungsanträgen auch straf- und zivilrechtliche Klagen eingebracht werden.

Ein Beispiel ist das Vorgehen von Till Lindemann gegen zahlreiche Medien. Mit einstweiliger Verfügung wurde beispielsweise dem "Spiegel" in erster Instanz untersagt, den Verdacht zu erwecken, Till Lindemann habe Frauen bei Konzerten der Gruppe Rammstein mithilfe von K.-o.-Tropfen, Drogen oder Alkohol betäubt oder betäuben lassen, um ihm zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an den Frauen vornehmen zu können. (Isadora Wallnöfer, 15.9.2023)