In der Gastronomie und Hotellerie brodelt es. Für Zündstoff unter den Sozialpartnern sorgen die Arbeitsbedingungen in der Branche in Österreich. Arbeiterkammer und Gewerkschaft fahren mit schweren Geschützen auf. Von grassierendem Lohn- und Sozialdumping ist die Rede, von wachsender Diskriminierung und sexuellen Übergriffen.

Die Sozialpartner in der Gastronomie prosten einander nicht zu. Die Stimmung ist vielmehr gereizt
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Was umgehend Vertreter der Arbeitgeberseite ausrücken ließ. Sie weisen die Kritik scharf zurück und orten in jüngsten Anschuldigungen plumpe Pauschalverurteilungen wie das gebetsmühlenartige Schlechtreden verdienter Wirtschaftszweige.

Auslöser des Konflikts ist einmal mehr eine aktuelle Studie des Forba-Instituts im Auftrag der Arbeiterkammer und Gewerkschaft Vida.

Diese zeichnet das Bild von Ausbeutung, hohem Arbeitsdruck und mageren Löhnen, das nur von wenigen Ausnahmen konterkariert wird. "Es fehlt an Respekt und Wertschätzung", zieht Arbeiterkammer-Wien-Präsidentin Renate Anderl Bilanz. Vier von zehn Beschäftigten überlegten, den Job zu wechseln.

"Tourismus als Sorgenkind"

"Es geht hier um kein Branchenbashing", versichert Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. Das größte Sorgenkind der Gewerkschaft bei den Kollektivvertragsverhandlungen bleibe jedoch der Tourismus.

Mit Aussagen wie diesen erweise die Arbeitnehmerseite nicht nur den Betrieben, sondern auch tausenden Beschäftigten der Gastronomie und Hotellerie einen Bärendienst, ärgern sich Mario Pulker und Hans Spreitzhofer, oberste Funktionäre selbiger Branchen der Wirtschaftskammer.

Vorab die trockenen Zahlen. Wer für Hotels oder Restaurants arbeitet, ist im Schnitt 36 Jahre alt und damit im Vergleich zu unselbstständig Beschäftigten anderer Sparten jung.

Der Grad der Ausbildung ist im Schnitt gering. 27 Prozent des Personals haben Forba zufolge als höchste abgeschlossene Ausbildung nur einen Pflichtschulabschluss. Über alle Branchen hinweg liegt dieser Anteil bei durchschnittlich zwölf Prozent. Mit 33 Monaten ist die Dauer der Beschäftigung zudem deutlich kürzer als in anderen Dienstleistungen.

Kleinteilig sind die Betriebsstrukturen: 39 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdingen sich gemeinhin in Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten.

Magere Einkommen

Frauen überwiegen in der Branche mit einem Anteil von gut 60 Prozent. Nahezu die Hälfte der Dienstnehmer hat Migrationshintergrund, rechnet der Co-Studienautor Georg Adam vor. Viele suchten über Gastronomie und Tourismus einen Einstieg in den Arbeitsmarkt, sagt er.

Pulker und Spreitzhofer rücken die Statistik zurecht: Arbeitnehmer aus Drittstaaten stellten nur 1,7 Prozent der Gesamtbeschäftigten.

Was aus Adams Sicht aus den Erhebungen hervorsticht, ist der vergleichsweise hohe Teilzeitanteil unter Männern, was er unter anderem auf viele Studierende und zusätzliche Schwarzarbeit zurückführt. Was die Einkommen betrifft, reiht der Rechnungshof die erzielten Gehälter und Löhne in Hotel- und Gastgewerbe an letzter Stelle.

In der Arbeiterkammer schlugen die meisten Beratungsfälle aus der Gastronomie auf, sagt Anderl. Probleme bereiteten vor allem vorenthaltene Löhne, lückenhafte Aufzeichnungen der Arbeitszeit und nicht abgegoltene Überstunden. Die Tourismusbranche habe Lohn- und Sozialbetrug zum Geschäftsmodell erhoben, resümiert Hebenstreit.

Aggressive Kundschaft

Anderl schildert Fälle mit einem Streitwert von bis zu 16.000 Euro. Vor dem Arbeitsgericht wurden diese fehlenden Löhne eingeklagt.

Belastend seien auch unplanbare Arbeitszeiten, der raue Umgangston – und nicht zuletzt aggressive Kundschaft. Großen Aufholbedarf gebe es bei der Prävention von sexueller Belästigung. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer würden daher entsprechende Maßnahmen erarbeitet.

Wer wolle seine eigenen Kinder in der Gastronomie arbeiten sehen, fragt Hebenstreit. Wenn man sie dazu gern motiviere, habe die Gewerkschaft ihr Ziel erreicht. Hebenstreit holt Betriebe wie die Hotelgruppe Jufa vor den Vorhang, die ArbeitsStandards über freiwillige Kollektivverträge deutlich erhöht habe.

Darüber hinaus aber fänden Arbeitgebervertreter ihre Kugelschreiber nicht, gehe es um Verbesserungen im Rahmen der Lohnrunden.

"Säbelrasseln"

"Politisch motiviertes Säbelrasseln" machen Pulker und Spreitzhofer aus. Sie geizen nicht mit "positiven Nachrichten" aus der Branche, etwa über einen Beschäftigungsrekord von knapp 250.000 Arbeitnehmern. Ein großer Teil der Unternehmen habe einen Anteil an Stammpersonal von 80 Prozent, zeigten aktuelle Umfragen. Auch das beweise, dass es überwiegend gut laufe.

Markus Gratzer, Generalsekretär der Hoteliervereinigung, räumt ein, dass "Gruselgeschichten aus Hinterhofbeiseln" verfolgt gehörten. Ansonsten aber habe die Kritik der Arbeitnehmervertreter mit dem Alltag im Tourismus nichts zu tun. (Verena Kainrath, 16.9.2023)