Vera Russwurm freut sich sehr, dass er ihrer Einladung gefolgt ist, nämlich jener zu einem Gespräch über den "Privatmann Michael Ludwig". Am Freitag startete die neue Staffel, es soll die letzte "Vera"-Staffel sein. "Loslassen ist nicht leicht, aber ich hatte das Gefühl, dass nach 45 Jahren im ORF und fast 30 Jahren meiner Talkshow der richtige Zeitpunkt jetzt gekommen ist", ließ uns Russwurm schon im August an ihrem Gefühl teilhaben.

ORF-Chef Roland Weißmann aber scheint auf dieses Gefühl keine Rücksicht zu nehmen, er will sie nicht ziehen lassen: "Ich bedaure die Entscheidung von Vera Russwurm sehr, aber ich werde ihr ein Angebot machen, das sie nicht abschlagen kann, um sie weiterhin dem ORF zu erhalten." Wir werden sehen.

Der Fleiß der Mutter

Aber zuvor schauen wir uns an, was sie dem "Privatmann" und Wiener Bürgermeister Michael Ludwig entlockt. Aufgewachsen ist er in Neubau. "In einem Altbau", führt Vera Russwurm ein. Und Ludwig erzählt gleich recht munter drauflos, wie es damals in den 60er-Jahren so war im siebten Bezirk.

Kleinindustrie, Hinterhöfe, Einschusslöcher in den Häusern, Lücken durch Bomben. "Wien war eine Stadt am Eisernen Vorhang", so Ludwig. Und er spricht über seine fleißige Mama, die nach der Fabrik noch Putzen ging und am Wochenende Heimarbeit mit nach Hause brachte. Auch er habe bereits als Teenager in der Küche eines Wirtshauses mitgeholfen.

Michael Ludwig bei "Vera" am Freitag.
Foto: ORF/Hubert Mican

Und dann geht es vom Privaten doch ins Politische. Ludwig spricht über die Bedeutung von Arbeit, über wirtschaftliche Unabhängigkeit. Auch die Sozialpartnerschaft wird kurz reingepackt, als Vera auspackt, dass seine Mutter ja bei jenem Fabrikanten gearbeitet hat, dessen Sohn heute der Präsident der Industriellenvereinigung Wien ist. Sozialpartnerschaftlich familiär sozusagen.

Nach ein bisschen Wien-Werbung ("Platz eins in diversen Rankings") geht es lächelnd um Unfreundlichkeit, da führt Wien ja etwa im Expat-City-Ranking. Ludwig führt das darauf zurück, dass viele "unseren Schmäh" nicht verstehen würden.

Liegestütze-Challenge

Von Neubau zog es den jungen Michael Ludwig dann Richtung Floridsdorf, dort wohnt er ja noch heute. Wir lernen mehr über sein Leseverhalten (er liest immer mehrere Bücher gleichzeitig) und warum seine Frau manchmal mit ihm schimpft: Er schleppt nämlich viele Zeitungen und Zeitschriften heim, das sei für ihn ein Korrektiv und bringe einen auf den Boden. Denn wenn man sich anschaue welche Artikel einen oft sehr emotionalisiert hätten - im positiven wie im negativen - und "welche Rolle das schon eine Woche oder einen Monat später schon nicht mehr spielt", dann erkenne man, dass man sich" auf die wichtigen Sachen des Lebens konzentrieren und sich nicht von Tagespolitik zu sehr treiben lassen soll".

Diese "wichtigen Sachen im Leben" nutzt Russwurm dann auch gleich, um über seine Frau zu sprechen. Weil uns ja versprochen wurde, mehr über den Privatmann Michael Ludwig zu erfahren.

"Sie ist eindeutig sportlicher als ich", sagt er. Aber er versuche ab und zu zu laufen. "Offenbar sind Sie tatsächlich fit und vielleicht fitter, als Sie ausschauen", sagt Vera nicht ganz so charmant und untermauert diese Aussage mit einem Fundstück aus dem Netz. Und wow: 22 Stück astreine Liegestütze legte Ludwig da in einer "Liegestütze-Challenge" hin. Russwurm ist voller Bewunderung, sie selbst komme über 17 nicht hinaus. Wissen wir das also auch. Dann wird es wieder gefühlig, kein Wunder bei diesen Themen: Haushalt, Heiratsantrag, Hochzeitsreise, erstes Kennenlernen. Das war über den Wolken, in einem Flugzeug nämlich.

Krassnitzers Traum

Auch bei Russwurms zweitem Gast – Schauspieler Harald Krassnitzer – geht es gleich ums Gefühl. "Ich nehme an, dein Urlaub ist gefühlt schon wieder eine Ewigkeit her", unterstellt sie ihm. "Gefühlt ja, aber innerlich immer noch präsent", antwortet er gefühlvoll. Jetzt muss man natürlich erklären, warum Krassnitzer eingeladen wurde. Er war mit einem kleinen, flachen, wackeligen Boot vier Wochen allein von Wien über Budapest, Belgrad bis zum Schwarzen auf der Donau unterwegs, zeltete am Schiff oder an Land. Außer dem Handy hatte er kein technisches Hilfsmittel dabei, "die Donau lehrt dich, jeden Tag", so seine Erkenntnis.

Schauspieler Harald Krassnitzer mit Vera Russwurm
Harald Krassnitzer schwärmt von seiner Reise auf der Donau.
ORF/Hubert Mican

Sein Frau, die Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer, hätte durchaus auch Interesse gehabt, aber dafür sei erstens die Zille zu klein. Und er wollte diese Reise alleine machen. Es sei schon lange "ein Traum und eine Sehnsucht" von ihm, diesen Fluß hinunterzuschippern.

Er schwärmt von der Kraft, die dieser Fluss ausstrahlt, erzählt von Bugwellen der Kreuzfahrtschiffen. Und er erzählt über Begegnungen, über Menschen, die weinen, ihm Geschichten und Märchen erzählen, über Hilfsbereitschaft und viel Gastfreundschaft. Es war "eine Art Jakobsweg", sagt er. Nur eben auf dem Wasser. (Astrid Ebenführer, 16.9.2023)