Klimademo in Wien
Vor fünf Jahren gab es die erste weltweite Demo von Fridays for Future. Am Freitag protestierten auch in Wien wieder Tausende fürs Klima.
© Christian Fischer

Vor dem Parlament gerät der spätsommerliche Fußmarsch über die Ringstraße ins Stocken. Für eine halbe Stunde bewegt sich der Demonstrationszug nicht zu seinem Ziel am Heldenplatz weiter – vielleicht auch deshalb, weil aus Sicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer innerhalb des Parlamentsgebäudes längst zu wenig weitergeht. "Wir wollen jetzt ein Klimaschutzgesetz", rufen Aktivistinnen und Aktivisten durch die Lautsprecher, um auf die Einlösung des verschleppten Regierungsvorhabens zu pochen.

Zumindest 20.000 Personen waren laut den Organisatoren von Fridays for Future diesmal allein in Wien auf der Straße, um an den global verbundenen Protesten teilzunehmen, die am Freitag unter dem Namen Klimastreik zum 14. Mal seit 2018 stattfanden.

Zwei eingefleischte Teilnehmerinnen nutzen den Stillstand der Demo, um sich auf einem Hocker vor dem Parlamentseingang eine Sitzpause vom Gehen zu gönnen: "Wir waren bei fast allen Demos bisher dabei", sagt die 79-jährige Christa Staudinger, die mit ihrer gleichaltrigen Freundin Margaretha Afra bei der grünen Seniorenorganisation dabei ist. "Ich habe acht Enkel, was soll aus denen bei der aktuellen Klimapolitik werden?", fragt sich Afra. Sie wolle die eigene Partei nicht schlechtreden, doch mehr habe sie sich von der grünen Regierungsbeteiligung schon erwartet. Das Hauptproblem sei allerdings die ÖVP, setzt Staudinger zur Ehrenrettung ihrer Partei an: "Die betreiben mittlerweile Opposition gegen den Klimaschutz innerhalb der Regierung, weil sie glauben, dass ihnen das bei der nächsten Wahl Stimmen bringt."

Unrühmliche Importe

Der Kreis der Demonstrierenden geht aber ohnedies weit über die Grünen hinaus. Das Fahnenmeer reicht von NGOs wie Amnesty International über rote Gewerkschafter und kommunistische Grüppchen bis zu den Scientists for Future. Dazwischen tummeln sich viele Schülerinnen, Schüler und Studierende, die mit selbstgebastelten Demoschildern unterwegs sind.

Klimastreik in Wien: "Es ist der Kampf unseres Lebens"
In elf österreichischen Städten demonstrierten am Freitag Menschen für den Klimaschutz. In Wien waren laut Fridays for Future rund 20.000 Demonstrierende auf der Straße
DER STANDARD

Aus der Menge sticht ein blau-gelber Stoff hervor, den man auf einer Klimademo zunächst nicht vermuten würde: Es ist die ukrainische Nationalfahne, in die Mila Sirychenko ihren Körper hüllt. Die 23-Jährige stammt aus Mariupol und war für die dortigen Fridays for Future aktiv, jetzt studiert sie in Wien. Der russische Angriffskrieg gegen ihr Land habe einen regelrechten "Ökozid" bewirkt, die Zerstörung der Ukraine bedeute auch eine Zerstörung der Umwelt und wichtiger natürlicher Lebensräume.

Man müsse den Krieg in seiner klimapolitischen Dimension sehen, sagt Sirychenko. Die russische Kriegsmaschinerie sei bekanntlich auf die Einnahmen aus klimaschädlichen Ressourcen wie Öl und Gas angewiesen – und hier spielten die österreichischen Energieimporte eine unrühmliche Rolle.

Klimademo in Wien
Der Autoverkehr am Wiener Ring war am Freitagnachmittag wegen der Klimademo für einige Stunden gesperrt.
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Prominente Nebenrolle

Die Bundeshauptstadt stellte zwar die mit Abstand größte, aber bei weitem nicht die einzige Freitagsdemo in Österreich. Insgesamt wurde an elf Orten marschiert, dabei waren laut Veranstaltern insgesamt rund 30.000 Personen. Am frühesten, nämlich schon am Vormittag, starteten bereits – wie könnte es anders sein – die Vorarlberger.

Ausgerechnet auf einem großen Parkplatz sammeln sich die Teilnehmer, am Ende sollten es 700 und damit viel weniger als zu Spitzenzeiten von Fridays for Future sein. Weil sich zwischen die Demonstranten immer wieder Parkplatzsuchende mit ihren Autos mischen, geht die Demo etwas später als geplant los. Und auch während des Protests nehmen die Verbrenner eine prominente Nebenrolle ein, denn die ursprünglich geplante Route muss kurzfristig geändert werden: Ein Lkw blockiert die Strecke zum Landhaus.

Die Stimmung trübt all das nicht. Während am Anfang noch "Ihr seid viel zu leise" skandiert wird, klappen die Schlachtrufe am Ende ganz gut. Und bei Vertretern von Grünen und Neos wurden sie auch gehört. Immerhin treten diese vor die Landhaus-Tür und hören sich die Abschlusskundgebung an. (Theo Anders, Lara Hagen, 15.9. 2023)