Lampedusa – Kurz vor einem am Sonntagvormittag erwarteten Besuch von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kommen weiterhin Migranten auf Lampedusa an. 144 Menschen erreichten am Sonntagfrüh die süditalienische Mittelmeerinsel. Am Samstag waren 1.000 Migranten an Bord von 23 Booten eingetroffen. Die Behörden meldeten, dass weitere Boote mit hunderten Menschen an Bord in Richtung Lampedusa unterwegs seien.

Im Hotspot der Insel befinden sich derzeit circa 2.000 Personen. 640 Migranten sollen im Laufe des Sonntags Lampedusa in Richtung Sizilien verlassen. Damit wollen die Behörden die Insel entlasten, die diese Woche mit präzedenzlosen Migrationsbewegungen konfrontiert war. 11.000 Personen erreichten diese Woche Lampedusa, auf der 6.300 Personen leben.

Auf Lampedusa kam es indes am Samstag zu einer Protestkundgebung von Anrainern. Sie demonstrierten gegen angebliche Pläne zur Errichtung eines Zeltlagers für die Unterbringung der Migranten, da der Hotspot der Insel überfüllt ist. "Schluss, Lampedusa gehört uns und nicht der EU", skandierten die Demonstranten, die einige Straßen blockierten.

Italiens Premierministerin Meloni und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen vor Nationalflaggen
Am Sonntag wird Kommissionspräsidentin von der Leyen (rechts) auf Anfrage von Italiens Premierministerin Meloni in Lampedusa erwartet.
EPA/MAX CAVALLARI

Eingreifen der EU

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird an diesem Sonntag auf Lampedusa erwartet. Sie folgt damit einer Einladung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die die deutsche Spitzenpolitikerin auf die Insel begleiten soll. Meloni hatte von der Leyen eingeladen, "um sich persönlich den Ernst der Lage, in der wir uns befinden, bewusst zu machen". Italiens Regierungschefin pocht auf ein Eingreifen der EU, damit Migranten auf dem Weg über das Mittelmeer gestoppt werden - sie brachte sogar einen Marineeinsatz ins Gespräch, um die Migranten schon von der Abfahrt abzuhalten.

Meloni und von der Leyen hatten im Juni gemeinsam Tunesien besucht, von wo aus die meisten Migranten in Richtung Italien aufbrechen. Die EU plant ein Abkommen mit dem nordafrikanischen Land: Im Gegenzug für millionenschwere Finanzhilfen soll Tunesien künftig stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen.

Am Samstag berichteten italienische Medien, dass ein Baby, das während der Überfahrt auf einem Migrantenboot geboren wurde, kurz nachdem es zur Welt kam gestorben ist. Die Mutter des Babys, die während der Überfahrt Wehen bekam, entband mit Hilfe einiger Mitreisender. Berichten zufolge starb das Baby unmittelbar nach der Geburt. Etwa 40 Migranten befanden sich an Bord des Bootes, das von einem Patrouillenboot der Hafenbehörde gerettet wurde.

Boot vor Lampedusa mit Migranten
Am Freitag waren 527 Personen an Bord von 15 Booten auf Lampedusa eingetroffen.
EPA/CIRO FUSCO

Größere Aufnahmezentren

Ministerpräsidentin Meloni fordert Unterstützung seitens der Europäischen Union, um Migranten von der Überquerung des Mittelmeeres abzuhalten. Notfalls müsse die Marine eingesetzt werden, um Migrantenboote am Ablegen zu hindern, erklärte sie in einer am Freitagabend veröffentlichten Video-Botschaft im Internet. Sie versprach ein hartes Vorgehen gegen den Anstieg der Ankünfte vor allem auf Lampedusa. Sie habe den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel auch darum gebeten, das Thema Einwanderung auf die Tagesordnung des EU-Gipfels im Oktober zu setzen.

Meloni kündigte Sofortmaßnahmen an, die ihr Kabinett am kommenden Montag beschließen werde - darunter die Aufforderung an die Armee, größere Aufnahmezentren zu errichten und die Zeitspanne zu verlängern, in der die Menschen festgehalten werden können.

Faeser: Deutschland wird wieder Migranten aufnehmen

In diesem Jahr haben bisher fast 126.000 Migranten italienische Küsten erreicht, fast doppelt so viele wie zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2022. Auf Lampedusa wurde angesichts der vielen ankommenden geflüchteten Personen der Notstand ausgerufen. Die Insel sei überwältigt von den Migranten, allein am Dienstag und Mittwoch seien etwa 7.000 Menschen aus Nordafrika in Booten angekommen, klagte Bürgermeister Filippo Mannino.

Das NGO-Schiff "Geo Barents" ist inzwischen nach mehreren Rettungs- und Bergungsaktionen im zentralen Mittelmeer mit 471 Migranten, darunter 205 Kinder, in Richtung Süditalien unterwegs. Wie die NGO "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) in einer Pressemitteilung erklärt, ist Bari der von den italienischen Behörden zugewiesene Hafen für die Ausschiffung der Migranten.

Angesichts der zahlreichen Ankünfte auf Lampedusa will Deutschland nun doch wieder Migranten aus Italien aufnehmen. Die freiwillige Aufnahme war erst vor kurzem gestoppt worden. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der ARD, das Verfahren sei ausgesetzt gewesen, "weil Italien keinerlei Bereitschaft gezeigt hat, im Wege des Dublin-Verfahrens Leute zurückzunehmen". Sie fügte hinzu: "Jetzt ist natürlich klar, dass wir unserer solidarischen Verpflichtung auch nachkommen." (APA, red, 16./17.9.2023)