Overtourism, Klimakrise, hohe Preise: Das Image des Tourismus hat gelitten. Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) über die Herausforderungen im Tourismus.

STANDARD: Der Tourismus funktioniert wieder. Österreich rühmt sich, recht nachhaltig zu sein. Lügen wir uns nicht selbst in die Tasche? In den Lehrplänen der meisten Tourismusschulen kommt das Thema doch gar nicht vor.

Kraus-Winkler: Es muss in allen Lehrplänen in Tourismusschulen, aber auch bei den Berufsschulen noch viel stärker vorkommen. Wir sind seit einiger Zeit im Gespräch mit Bundesminister Polaschek, da wird zurzeit intensiv an den neuen Lehrplänen gearbeitet, bei denen Digitalisierung und Nachhaltigkeit stärker verankert werden müssen.

STANDARD: Geht so wenig weiter wie in anderen Bildungsfragen, warten wir auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Kraus-Winkler: Das geht jetzt sehr zügig, aber es wird die neuen Lehrpläne nicht vor Anfang 2025 geben.

Touristen fotografieren mit ihren Handys und spazieren durch Hallstatt.
Die Lösung über den Busparkplatz in Hallstatt habe anfangs sicher funktioniert. Mittlerweile reiche das nicht mehr, sagt Kraus-Winkler: Vielleicht gibt es irgendwo eine bessere Lösung für einen Fotopoint?
EPA/CHRISTIAN BRUNA

STANDARD: Zur Nachhaltigkeit gehört auch Akzeptanz des Tourismus. Sie haben in der "Kleinen Zeitung" kritisiert, Hallstatt habe seine Hausaufgaben nicht gemacht. Was kann man einem Hotspot wie diesem empfehlen?

Kraus-Winkler: Hallstatt war immer auch international eines der Beispiele für zeitliche und örtliche Konzentration, die nicht akzeptabel ist. In manchen Regionen von Frankreich bis Italien hat man begonnen, Frequenz zu managen. Die Lösung über den Busparkplatz in Hallstatt hat anfangs sicher funktioniert. Mittlerweile ist das Thema so gewachsen, dass man das so nicht mehr managen kann. Vielleicht gibt es irgendwo eine bessere Lösung für einen Fotopoint – aber ich will mich von Bundesebene nicht in regionale Detaillösungen einmischen.

STANDARD: Die Lösung kann ja nur sein: Es können weniger Leute hinein.

Kraus-Winkler: Ich muss schauen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr als eine bestimmte Zahl an Leuten am selben Ort sind. Dann kann eben nicht jeder zur Hochsaison zu Hotspots wie etwa Hallstatt fahren. Es kann nicht sein, dass wir keine Lösungen finden, auch die Chancen der Digitalisierung sollte man nützen, um Besucherströme besser zu managen.

STANDARD: Warum ist es so abwegig, Eintritt zu verlangen?

Kraus-Winkler: Das können nur die Leute vor Ort entscheiden, wie weit sie gehen. In Dürnstein haben sie sehr gute Konzepte gemacht. Mit sogenannten Welcome Hubs will man die unterschiedlichen Zielgruppen, die mit Fahrrad, Schiff, Auto oder Bus kommen, unterschiedlich betreuen. Sie versuchen, sechs Routen anzubieten – mit Audioguides, die man bezahlen muss. Das ist ja auch eine Form von Eintritt.

Susanne Kraus-Winkler beim Pressefoyer nach einer Sitzung des Ministerrates.
In Zukunft wird der Gast beim Skibus vielleicht mitzahlen müssen, sagt die Staatssekretärin.
APA/ROLAND SCHLAGER

STANDARD: Das größte Thema wird wohl überhaupt der Verkehr.

Kraus-Winkler: Man wird beginnen, über das Thema öffentlicher und touristischer Verkehr zu diskutieren. Bis jetzt hat man gesagt, der Skibus ist kostenlos. In Wirklichkeit zahlt der Gast das mit dem Ticket zum Skifahren. Das haben sehr oft die Tourismusverbände gezahlt und teilweise über die Tourismusabgaben finanziert. Mittlerweile kommen immer mehr Leute mit der Bahn und wollen sich öffentlich weiter fortbewegen. Der Anspruch an die Kapazitäten wächst. Da wird die Diskussion sein, wer wann was zahlt. In Zukunft wird das vielleicht so sein wie bei den Liften: Die Liftgesellschaft zahlt, der Tourismusverband, aber auch der Gast.

STANDARD: Den größten CO2-Fußabdruck hinterlassen An- und Abreise der Urlaubsgäste. Deswegen sollen sie möglichst auf die Bahn umsteigen. Der Bahnbetrieb funktioniert aber schon jetzt oft nicht reibungslos. Muss da noch jemand Hausaufgaben machen?

Kraus-Winkler: Wir haben sicher große Herausforderungen, was das Thema Bahnreisen betrifft. Wir wollen, dass möglichst viele mit der Bahn fahren. Damit das funktioniert, muss sowohl Kapazität als auch Qualität verbessert werden.

STANDARD: Stichwort verbessern: Die Wintersaison rückt näher. Kann Skitourismus je nachhaltig sein?

Kraus-Winkler: Wir sind wahrscheinlich jenes Land in Europa, möglicherweise weltweit, in dem Sie am nachhaltigsten Ski fahren können. Wir haben die modernsten Aufstiegshilfen, die Seilbahnen haben den geringsten Energieverbrauch mit jetzt schon 80 Prozent erneuerbarer Energie. Jetzt legen sie mit Photovoltaik und Windrädern nach. Ich bin ziemlich sicher, dass wir relativ CO2-neutrales Skifahren umsetzen können. Die Schneekanonen arbeiten nur noch mit Wasser und Luft, es muss nur die Außentemperatur stimmen. Und das Schneeband von der Mittelstation bis in die Talstation schaut zwar wild aus, aber in Wirklichkeit ist das gar nichts Böses. Wenn es kalt genug ist und der Schnee dort liegt: Was ist daran schlecht?

Blick auf ein als schmales weißes Band präparierte Skipiste in einem Skigebiet in Filzmoos.
Das Schneeband schaue zwar wild aus, "aber in Wirklichkeit ist das gar nichts Böses", sagt die Staatssekretärin.
APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: So manche Forscher bestätigen die Aussagen der Industrie, dass Österreichs Skitourismus nicht so schlecht wegkommt. Das Image des Tourismus bei der Bevölkerung hat dennoch gelitten. Sie haben die Akzeptanz erhoben. Mit welchem Ergebnis?

Kraus-Winkler: Destinationen, die oftmals wenig Tourismus haben, sind dem Tourismus gegenüber negativer eingestellt als solche, die viel Tourismus haben. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass in Destinationen, die viel Tourismus haben, oftmals sehr viele, die in der Region wohnen, auch im Tourismus ihre Wirtschaftsbasis haben. Die Menschen haben dort noch Kindergärten und Schulen, und die Infrastruktur, was Freizeitangebote betrifft, wäre oftmals nie in dieser Qualität und Menge vorhanden, wenn es dort nicht den Tourismus gäbe.

STANDARD: Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Preise für Einheimische werden oft unleistbar.

Kraus-Winkler: Was die Leistbarkeit von Skifahren betrifft: Ich glaube, dass unterschieden werden muss zwischen den Einheimischen und dem Gast. Das ist EU-technisch schwierig. Aber Sie können sehr schöne Kinderermäßigungen machen, bei den Jahreskarten für die Einheimischen, die ja kein Tourist kauft, gibt es Möglichkeiten. Und die Hotellerie hat von den Airlines gelernt. Mit Ausnahme von ein paar Stammgasthotels hat kein Hotel mehr fixe Preise. Alle machen die tagesaktuellen Preise je nach Nachfrage. So ähnlich beginnen seit letzter Saison auch die Liftbetreiber.

STANDARD: Man hört von 20-prozentiger Preissteigerung bei Betrieben. Die Leistung wurde wegen Personalmangels teils kräftig zurückgeschraubt. Bekommt der Gast eine Mogelpackung?

Kraus-Winkler: Laut Daten lagen die Steigerungen im Schnitt bei 13,4 Prozent. Mogelpackung? Das würde ich so nicht sagen. Der Gast bekommt keine Mogelpackung. Die Betriebe haben wesentlich höhere Energiekosten, Wareneinsatzkosten, Personalkosten,die Zinsen sind gestiegen.

STANDARD: Gastronomie- und Tourismusbetriebe zählen nicht zu den Preistreibern? Andere Branchen, die im Verdacht stehen, sagen das auch.

Kraus-Winkler: Es ist aber so. Der Anteil des Tourismus an der Inflationsrate ist sicher in Österreich höher als in Deutschland. Man muss es dann im Jahresschnitt anschauen. In der Saison sind einige Betriebe vor allem an Hotspots mit dem Preis hinaufgegangen. Aber wir merken jetzt ganz stark, dass Druck auf den Preis kommt. Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, einem unserer Hauptherkunftsmärkte, ist unsicher. Die Leute sind vorsichtiger geworden. Ich höre von Revenue-Managern, wenn sie mit dem Preis nur ein bisschen hochgehen, stehen die Buchungen und wenn sie runtergehen um 20 Euro gehen sie wieder weiter. Wir merken im Moment vor allem im Kurzurlaubsbereich, eher im Süden und Osten Österreichs, dass die Leute sehr preissensibel geworden sind. Man sieht es auch an den Nettozimmerdurchschnittspreisen, dass die unter dem Niveau vom Vorjahr liegen. (Regina Bruckner, 18.9.2023)