Ursula von der Leyen und Giorgia Meloni auf Lampedusa
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (links) und Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni beim gemeinsamen Besuch auf Lampedusa. Ernst ist die Lage auf der Insel auch für viele Geflüchtete.
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Irreguläre Migration sei "eine europäische Herausforderung, wir müssen sie europäisch lösen", sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Sonntag beim gemeinsam mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni absolvierten Besuch auf der Insel Lampedusa. Dabei stellte von der Leyen einen Aktionsplan der EU in zehn Punkten vor. Unter anderem soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex Italien aktiver bei der Registrierung von Migrantinnen und Migranten unterstützen.

Video: Von der Leyen ruft EU in Lampedusa zur Aufnahme von Flüchtlingen auf
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Die EU will außerdem verstärkt Verhandlungen mit Herkunftsländern führen, um die Migration einzudämmen. Die Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer, wenn sie kein Recht auf Verbleib haben, soll erleichtert werden. Dazu soll auch die Gesetzgebung der EU-Länder harmonisiert werden. Auch den Kampf gegen Schlepperbanden will von der Leyen verschärfen: Die EU-Staaten und nicht die Menschenhändler müssten entscheiden, wer in die Union komme.

Abgelegene Abschiebelager

Die EU-Kommissionspräsidentin war auf Einladung von Giorgia Meloni kurzfristig nach Lampedusa gereist. Diese steht wegen der hohen Zahl von Bootsflüchtlingen auf der kleinen Insel im Mittelmeer unter enormem Druck ihrer Koalitionspartner, insbesondere von Lega-Chef Matteo Salvini. Vor dem Besuch mit von der Leyen hatte Meloni in einer Videobotschaft an die Nation bereits eigene Maßnahmen angekündigt, unter anderem den Bau zahlreicher neuer Abschiebelager. In dem Video wandte sie sich auch direkt an die Migrantinnen und Migranten aus Afrika: "Es lohnt sich nicht, wenn ihr euch den Schleppern anvertraut. Denn wenn ihr illegal nach Italien kommt, werdet ihr festgesetzt und dann abgeschoben", erklärte die Rechtspolitikerin.

Die Dauer der Abschiebehaft, sagte Meloni, soll auf 18 Monate verlängert werden – das ist das Maximum dessen, was gemäß EU-Recht möglich ist. Die neuen Lager sollen vom Verteidigungsministerium "in abgelegenen, möglichst dünn besiedelten Gebieten" gebaut werden und gut überwacht werden können.

Meloni richtete auch einen Appell an die europäischen Partner, Italien in dieser schwierigen Situation nicht alleinzulassen. Insbesondere forderte sie einen EU-Einsatz zur Blockade der Mittelmeerroute, "notfalls mit Marineschiffen". Mit dem Einsatz sollen die Migranten und Flüchtlinge daran gehindert werden, die Hoheitsgewässer der nordafrikanischen Länder in Richtung Italien und Europa zu verlassen, in Absprache mit den Regierungen der betroffenen Staaten. Ob eine Person in Europa eine Asylperspektive habe, müsse auf afrikanischem Boden abgeklärt werden, nicht nach der lebensgefährlichen Überfahrt nach Lampedusa.

Nachdenken über Militärmission

Ob Meloni mit diesem Ansinnen in Brüssel auf offene Ohren stößt, bleibt abzuwarten. Immerhin aber erklärte von der Leyen, es müsse geprüft werden, ob die EU eine neue Militärmission im Mittelmeer starten solle, um die Schleppertätigkeiten besser überwachen zu können.

Die kleine italienische Insel, die südlicher liegt als Tunis, wird derzeit von besonders vielen Schlepperbooten angesteuert. Vorige Woche trafen über 11.000 Migrantinnen und Migranten auf Lampedusa ein, wo 6300 Menschen wohnen. Seit Jahresbeginn haben 127.000 Menschen die Insel erreicht.

Viele mussten im Freien übernachten, gelegentlich wurden Verpflegung und Wasser knapp. Obwohl die Ankünfte ununterbrochen weitergehen, hat sich die Lage am Sonntag ein wenig entspannt. Nach Angaben des Roten Kreuzes, das auf Lampedusa das Erstaufnahmezentrum führt, befinden sich derzeit noch 1500 Menschen in dem für 450 Personen ausgelegten Lager. Am Donnerstag waren es 7000 gewesen. Tausende Flüchtlinge sind in der Zwischenzeit mit großen Fähren nach Sizilien und auf das italienische Festland gebracht worden.

Wien erwägt Kontrollen

Die hohen Migrationszahlen in Italien haben inzwischen auch die österreichische Politik auf den Plan gerufen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zog bereits außerordentliche Kontrollen an den Grenzen zu dem Schengen-Land in Betracht: Die Frage, ob Österreich bald die Grenze zu Italien kontrollieren müsse, nachdem Lampedusa den Notstand ausgerufen hat, beantwortete er im Interview mit der Kleinen Zeitung (Sonntag) mit Ja.

Kritik kommt dennoch von der FPÖ: Grenzkontrollen würden zwar Sinn machen, erklärten Parteichef Herbert Kickl und Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer – "aber echte, bei denen Illegale davon abgehalten werden, österreichischen Boden zu betreten, und auch nicht durch die EU-Hintertür des Verteilungsregimes wieder hereingeholt werden". (Gerald Schubert, Dominik Straub, 17.9.2023)