Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu im April 2023.
Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu im April 2023.
via REUTERS/SPUTNIK

Ein plötzliches Verschwinden, wenig später dann eine vage Erklärung der Regierung, es handele sich um "gesundheitliche Gründe" – so scheinen Top-Karrieren in China immer häufiger zu enden. Nach Außenminister Qin Gang scheint es nun Verteidigungsminister Li Shangfu erwischt zu haben. Eigentlich hätte dieser am 7. September in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi seinen dortigen Amtskollegen treffen sollen. Dazu kam es aber nicht. Peking sagte das Treffen kurzfristig ab, Li könne aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen. Zuletzt gesehen wurde Li am 29. August in Peking, als er eine Rede bei einem Sicherheitsforum mit afrikanischen Staaten gehalten hatte. Davor war er auf Staatsbesuchen in Russland und Belarus gewesen.

Amerikanische Quellen gehen davon aus, dass Li bereits seit mehr als zwei Wochen verschwunden ist und der 65-Jährige von seinem Posten enthoben wurde. Vor zwei Monaten wurden bereits weitere zwei Generäle der Raketenartillerie ebenfalls suspendiert. Beide waren für das Langstrecken-Raketen-Arsenal sowie die Nuklearraketen zuständig.

Tweet des US-Botschafters

Für Aufmerksamkeit sorgte Lis Verschwinden ausgerechnet durch einen Tweet des US-Botschafters in Tokio: Er verglich das Kabinett Xi Jinpings mit dem Roman von Agatha Christie "And Then There Were None". "Zuerst wird Außenminister Qin Gang vermisst, dann werden die Kommandeure der Raketenstreitkräfte vermisst, und jetzt wurde Verteidigungsminister Li Shangfu seit zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen", schrieb Rahm auf seinem Account bei X, vormals Twitter.

Die Gründe für Lis Verschwinden dürften in seiner Zeit als Chef der Waffenbeschaffungs-Kommission liegen. Dies legt zumindest die US-amerikanische Nachrichten-Agentur Reuters nahe, die sich dabei auf zehn anonyme Quellen beruft. Von 2017 bis 2022 beaufsichtigte Li den Kauf neuer Waffen und vergab Aufträge an Unternehmen. Im Juli dieses Jahres hatte die für die Ausschreibungsprozesse verantwortliche Abteilung bekanntgeben, dass man die Vorgänge bis zum Oktober 2017 prüfen wolle. Als Reporter nach dem Verbleib der anderen Generälen fragten, hieße es, man habe "null Toleranz für Korruption".

Keine zwei Monate ist es her, dass der Außenminister Qin Gang auf ähnliche Weise "verschwunden" ist. Qin war ein Verhältnis zu einer amerikanischen Spionin nachgesagt worden. Der ganze Vorfall aber ist ungeklärt. Zwischenzeitlich wurden "gesundheitliche Gründe" angegeben. Qin aber wurde seitdem nicht mehr gesehen. Die Amtsgeschäfte führt nun sein Vorgänger Wang Yi.

Politische Gegner im Visier

All dies wirft nicht unbedingt ein gutes Licht auf das dritte Kabinett von Xi Jinping. Dieser hatte erst im März 2023 einige enge Vertraute zu Ministern befördert. Korruption galt lange als eines der größten Probleme der kommunistischen Partei Chinas. Xi hatte 2013 seine Amtszeit mit einer breitangelegten "Anti-Korruptions-Kampagne" begonnen. Offiziell lautete das Ziel, Vetternwirtschaft und Vergabe von Schmiergeldern zu beenden. Der Kampagne fielen aber vor allem politische Gegner Xis zum Opfer. Für Beobachter aber bleibt die KPCh eine Black Box. Zwar hat die Partei rund 90 Millionen Mitglieder. Über das innere Wirken des Apparats, die Fraktionskämpfe und die Machtstrukturen weiß kaum jemand etwas.

Unterdessen "übte" die Volksbefreiungsarmee vergangene Woche die Einkreisung Taiwans. Innerhalb weniger Tage drangen 143 Kampfflugzeuge und 56 Kriegsschiffe in den Hoheitsraum Taiwans ein. (Philipp Mattheis, 18.9.2023)