Eine Frau sitzt auf einem Arbeitstisch in ihrer Küche.
Software, die auch als "Bossware" bezeichnet wird, ermöglicht eine weitgehende Überwachung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
dpa / Sebastian Kahnert

In seinem Gastbeitrag erläutert Rechtsanwalt Florian Dauser die Grenzen der Arbeitnehmerüberwachung.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ganz nach diesem Motto wollen viele Arbeitgeber den vermuteten Kontrollverlust über ihre Mitarbeitenden im Homeoffice nicht hinnehmen. Mittlerweile hat sich deshalb eine eigene Industrie entwickelt, die – zumindest aus österreichischer Sicht – fragwürdige Früchte hervorbringt.

Arbeitgeber können beispielsweise eine sogenannte Keylogger-Software verwenden, um Tastatureingaben zu protokollieren. Weiters lassen sich Mausbewegungen aufzeichnen, regelmäßige Fotos durch eine automatische Webcam-Aktivierung erstellen oder die Aktivität des Arbeitnehmers durch Statuskontrolle in Programmen wie Skype oder Microsoft Teams erfassen.

Gestiegene Nachfrage

Entsprechende Tools werden passenderweise als "Bossware" bezeichnet und haben angeblich auch in Österreich erste Anwender gefunden. Die Software Aktivtrak etwa hatte vor der Pandemie 50 Arbeitgeber als Kunden. Im März 2020 waren es bereits 800 Arbeitgeber und 18 Monate später 9000. Das System ermöglicht es etwa, Telefonate abzuhören, auf Handys und Computer zuzugreifen oder Mails auf Schlagworte zu durchsuchen.

Mit dem Tool Kickidler soll durch Screen-Recording und Time-Tracking die Disziplin der Arbeitnehmer gefördert werden. Die Überwachungssoftware Desktime liefert Arbeitgebern Informationen über die Effizienz ihrer Arbeitnehmer. Das Programm legt offen, welche Mitarbeiter wann online oder offline sind und in welchen Apps diese aktiv sind. Außerdem kann die Zeit, die für ein Projekt benötigt wird, genau gemessen und Kunden in Rechnung gestellt werden.

Strenge Regelungen

Arbeitgeber können freilich nicht einfach nach Belieben Überwachungsmaßnahmen im Homeoffice einführen. Das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) sieht strenge Voraussetzungen vor und differenziert je nachdem, wie weit eine Maßnahme in die Menschenwürde eingreift. Maßnahmen, die die Menschenwürde nicht berühren, sind immer zulässig, zum Beispiel Zutrittskontrollen mit Firmenausweis.

Für Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde "berühren", ist dagegen zwingend die Zustimmung des Betriebsrats in Form einer Betriebsvereinbarung notwendig. In Betrieben, in denen es keinen Betriebsrat gibt, kann dessen Zustimmung durch die Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer ersetzt werden. Dazu zählt etwa die Videoüberwachung bestimmter Arbeitsbereiche oder die maschinelle Aufzeichnung von Leistungen. Das spricht dafür, dass der Einsatz der aufgezeigten Überwachungstools beim Arbeiten im Homeoffice ebenfalls zumindest als Kontrollmaßnahmen gelten, die die Menschenwürde berühren.

Jene Maßnahmen, die die Menschenwürde "verletzen", sind dagegen immer sittenwidrig und können nicht durch Zustimmung des Betriebsrats bzw. des Arbeitnehmers eingeführt werden. Dazu zählt etwa das heimliche Abhören von Telefongesprächen oder Überwachungskameras in Waschräumen.

Die Grenzziehung zwischen Berührung und Nichtberührung der Menschenwürde bereitet in der Praxis besondere Schwierigkeiten. Als juristisch gesichert gilt, dass die Würde des Menschen nicht relativierbar ist und somit keine Möglichkeit einer Interessenabwägung mit betrieblichen Bedürfnissen besteht.

Heikler Einsatz von KI

KI wird mittlerweile nicht mehr nur bei der Leistungsbewertung eingesetzt, sondern etwa auch bei Kündigungs- oder Entlassungsentscheidungen. Werden Entscheidungen von der KI getroffen, kann dies für Arbeitgeber jedoch vor Gericht zu Beweisproblemen führen.

Denn oft werden Entscheidungen von der KI im Verborgenen getroffen. Man spricht dabei vom "Blackbox-Effekt". Das bedeutet, dass – hypothetisch – auch bei objektiver Richtigkeit der Entscheidung keine Begründung dafür geliefert werden kann. Dies kann für Arbeitgeber insbesondere vor Gericht zu Problemen führen, da diese – etwa bei Kündigungs- oder Entlassungsanfechtungen – beweispflichtig für die Gründe der Maßnahme sind.

Die Lösung dieses Dilemmas liegt in der Anwendung erklärbarer KI, bei der kein Blackbox-Effekt vorliegt. Die im Gesetzgebungsprozess befindliche EU-Verordnung über KI (AI Act) hat insbesondere die Regulierung von KI-Systemen zum Ziel, die für Entscheidungen über Beförderungen, Kündigungen, Aufgabenzuweisung sowie Bewertung von Arbeitnehmern eingesetzt wird. Das Inkrafttreten des AI Act wird jedoch erst für das Jahr 2026 erwartet. Bis dahin ist jedem Arbeitgeber zu raten, sich mit dem künftigen System vorab auseinanderzusetzen. (Florian Dauser, 19.9.2023)