Es wird ein heißer Herbst für die privaten Medien des Landes, oder ein eisiger, jedenfalls kein angenehmer: Das lässt sich zum Beginn der Österreichischen Medientage an diesem Mittwoch ohne großes Risiko festhalten. Gewaltige Kostensteigerungen von Personal bis Papier, deutlich gebremste Werbebuchungen bei klassischen Medien und eine noch überschaubare digitale Bezahlbereitschaft sind eine gefährliche Gemengelage.

Die Zeichen stehen auf Kürzung und Konsolidierung, in vielen Medienhäusern, die mit Werbung und Vertrieb journalistische Angebote finanzieren. Herausforderungen und Konfliktpunkte im Überblick:

Mann mit Regenschirm im Taifun, Japan
Österreichs Medienbranche steht ein stürmischer Herbst ins Haus. Auf dem Symbolbild trotzt ein Mann Regen und Sturm in Japan.
AP Photo/Eugene Hoshiko)

Der menschliche Faktor

Um 8,6 Prozent wurde der Kollektivvertrag für Journalistinnen und Journalisten mit Jahresmitte, abgeleitet aus der Inflation, angepasst. Kollektivvertrag ist bei Gesprächen mit Verlegern und Verlagsmanagern über die Branche in diesen Tagen eines der meistgenannten Stichwörter. Im Zusammenhang mit der jüngsten KV-Erhöhung, im Zusammenhang mit den nächsten KV-Verhandlungen für Tages- und Wochenzeitungen, die regulär 2024 anstehen. Und im Zusammenhang mit dem Kollektivvertrag selbst. Jedenfalls: Einzelne Verlage wollen den Kollektivvertrag grundsätzlich neu verhandeln, der vor allem ältere Angestellte teuer macht. Der Vorstand des Zeitungsverbands VÖZ tagt am Mittwoch.

Schon einmal, 2012, hat der VÖZ den Kollektivvertrag für Journalistinnen und Journalisten aufgekündigt. Eine Kündigung ist jeweils zum Jahresende mit einem Quartal Vorlauf möglich – also jeweils bis Ende September. 2013 einigten sich Journalismusgewerkschaft und Zeitungsverband auf einen neuen Kollektivvertrag, der automatische Gehaltsvorrückungen alle fünf Jahre mit fortschreitendem Alter schon deutlich abflachte. Diese Vorrückungen selbst, sogenannte Quinquennien, sieht das gültige Journalistengesetz von 1920 ebenso vor wie längere Kündigungsfristen.

Branchenthema Kollektivvertrag

Kolportiert werden wieder Überlegungen für eine neuerliche Kündigung des Kollektivvertrags, sie kamen zuletzt auch schon bei den ersten Verhandlungen über die jüngste KV-Erhöhung von Vertretern des Zeitungsverbands aufs Tapet. Kollektivverträge bleiben auch bei Kündigung gültig, bis ein neuer KV ausverhandelt ist. Aber: KV-Erhöhungen gibt es dann erst einmal nicht, sagen sachkundige Experten.

Argument der Medienunternehmer: Journalismus sei unter diesen Bedingungen immer schwerer zu finanzieren. In vielen Medienunternehmen, gerade in der Budgeterstellung für 2024, werden Kürzungen auch am Personal diskutiert. Journalismus ist personalintensiv – jedenfalls in bisherigem Verständnis.

Die künstliche Reporterin

Entsprechend häufig fällt ein anderes K-Wort der Medienbranche: künstliche Intelligenz. Beim Kölner Boulevardblatt Express.de (und in Köln-Berichten bei Focus.de) etwa ist schon eine besonders eifrige Reporterin im Einsatz: Klara Indernach. Klara Indernach, das verrät der Autorinnenlink über sie, ist eine künstliche Intelligenz, das Profilbild hat Midjourney erstellt. Klara stellt Artikel über das "Sommerhaus der Stars" bei RTL ("Die Fans können es kaum noch abwarten"), über von der ARD abgeschaltete Sender ("Jetzt ist offenbar alles klar!") oder über Flugunfälle mit Promi an Bord zusammen. "Vor Veröffentlichung werden sie redaktionell bearbeitet und geprüft", heißt es in ihrem KI-Autorinnenprofil.

Beim im Sommer gestarteten deutschen Webradio BigGPT sind ausschließlich KI-Stimmen zu hören. Die Playlist bestimmen die Abrufe der Titel bei Streamingdiensten. Vergleichsweise teure journalistische Arbeitskraft durch KI zu ersetzen ist, bei allen Bekenntnissen zum menschlichen Faktor im Journalismus, ein zentrales Branchenthema.

Drastisch gestiegen sind in den vergangenen Jahren die Papierpreise, die Energiepreise und damit auch jene des Zeitungsvertriebs. Die dgitale Bezahlbereitschaft für Medienangebote hält sich noch in relativ engen Grenzen – 14 Prozent der Befragten in Österreich haben laut Digital News Report 2022 für digitale News bezahlt. Tendenz: bisher nur ziemlich sanft steigend.

Digitalkonzerne vor Medien

Umso unsanfter für Medien entwickelt sich 2023 die Werbekonjunktur. Die Werbebuchungen aus Österreich bei internationalen Digitalkonzernen wie Alphabet mit Google und Youtube oder Meta mit Facebook, Instagram und Whatsapp haben in diesem Jahr die Werbebuchungen bei klassischen Medien überholt. Während die Werbeumsätze der Digitalkonzerne auch in diesem Jahr in Österreich bisher zulegten, gingen jene der klassischen Medien zurück.

Das lässt sich an den Einnahmen des Finanzministeriums mit Digitalsteuer (auf Werbung bei globalen Digitalriesen) und Werbeabgabe (auf Buchungen bei klassischen Medien) von Jänner bis Juli dieses Jahres ablesen. 1,172 Milliarden Euro Werbebuchungen bei Google, Facebook, Insta und Co stehen 1,116 Milliarden Euro bei klassischen Medien gegenüber – die damit Inhalte finanzieren, journalistische insbesondere.

Förderung liegt in Brüssel

Eine neue, für 2023 angekündigte Förderung für Qualität im Journalismus über insgesamt 20 Millionen Euro pro Jahr, bemessen an der Zahl journalistischer Arbeitskräfte in Redaktionen, liegt derzeit noch zur Prüfung bei der EU-Kommission, die solche Förderungen genehmigen muss, im EU-Jargon "notifizieren".

ORF-Beitrag und EU-Beschwerde

2024 kommt auf die Österreicherinnen und Österreicher eine Haushaltsabgabe für den ORF zu, mit der die Finanzierung des weitaus größten und öffentlich-rechtlichen Medienkonzerns im Land zumindest auf Sicht gesichert ist. Der großteils öffentlich finanzierte ORF darf ab 2024 mit dem neuen Gesetz eigens für Streaming Video- und Audioformate produzieren. Er startet mit dem Gesetz – unter dem Titel "ORF On" – eine neue Streamingplattform mit eigenem Kinderangebot, Online-Sportkanal und eigenem "ZiB"-Youtube-Channel.

Menschen im ORF klagen übrigens auch über Spardruck, vor allem mit Blick auf 2024. Das ORF-Gesetz sieht für 2024 682,8 Millionen Euro aus dem Beitrag für den öffentlich-rechtlichen Auftrag vor, für 2023 waren 676 Millionen aus der GIS budgetiert. 2025 sind dann rund 705 Millionen veranschlagt und 2026 742,5 Millionen Euro. Das ist mehr, als die beiden größten klassischen Verlagshäuser Mediaprint mit "Krone" und "Kurier" und Styria mit "Kleiner Zeitung", "Presse" und Willhaben.at pro Jahr zusammen einnehmen.

Private Medienunternehmen haben – etwa über den Zeitungsverband VÖZ – Beschwerden gegen dieses neue ORF-Gesetz bei der EU-Kommission eingebracht, das den Wettbewerb existenzbedrohend verzerre. Solche Verfahren können aber mehrere Jahre dauern.

Erste Sparmaßnahmen, auch beim Personal, bei privaten Medienhäusern begannen schon in diesem Frühjahr. Es könnten nur erste Schritte gewesen sein. (Harald Fidler, 20.9.2023)