Wer in den vergangenen Wochen im Restaurant essen war oder in einem Hotel übernachtete, musste es merken: Schnitzel, Sushi, Cola, Bier und Co sind teuer geworden, die Preise sind im Jahresabstand laut Statistik Austria um zwölf Prozent gestiegen. Auf den ersten Blick ist die Entwicklung wenig verwunderlich. So haben Energiepreise zugelegt, und etwas zeitverzögert sind auch die Löhne gestiegen. Allerdings gibt es da noch einen wichtigen Faktor, der einen großen Teil der Preissprünge erklärt: gestiegene Unternehmensgewinne. Zwischenzeitlich war das sogar der wichtigste Faktor hinter dem Preisplus in der Gastronomie und Hotellerie. Ja mehr noch: Die Gewinnsteigerungen strahlten auf die gesamte Volkswirtschaft aus. Im ersten Quartal 2023 etwa waren die gestiegenen Unternehmensgewinne nur dieser einen Branche für ein Viertel des Inflationsanstiegs in Österreich verantwortlich – und für die Hälfte der Inflation im Dienstleistungssektor von 7,6 Prozent.

Diese Zahlen stammen aus einer am Dienstag vorgestellten Analyse der Oesterreichischen Nationalbank zu der Frage, welchen Anteil Löhne, Gewinne und Energiepreise an der Inflationsentwicklung in Österreich haben. Die Publikation dürfte kurz vor Beginn der Herbstlohnrunde in der Metallindustrie am 25. September erneut die Debatte dazu anfachen, wie sehr Löhne steigen sollen und dürfen. Dabei bietet die Analyse der Nationalbank für beide Seiten Argumentationshilfe: für Gewerkschaften und für Unternehmer.

Zuerst die Energiepreise, dann die Gewinne

Konkret gehen die Ökonomen Friedrich Fritzer, Lukas Reiss und Martin Schneider der Frage nach, wo das Geld landet, das zusätzlich ausgegeben werden muss, weil Waren und Dienstleistungen teurer geworden sind. Fließt es ins Ausland ab, weil Energie viel kostet, oder landet es bei heimischen Unternehmen, die ihre Gewinne steigern, oder dient es Unternehmen dazu, höhere Löhne zu zahlen?

Es gibt bereits Analysen zum Thema. Bisher wurde aber nur der inländische Preisauftrieb ausgewertet, also ohne Energiekosten einzubeziehen, und auch Vorleistungen von einem Wirtschaftssektor für den anderen, wenn etwa ein Landwirt eine Maschine kauft, wurden nicht genau zugeordnet. Die Nationalbank-Experten haben eine verfeinerte Methode entwickelt, mit der sie die gesamte Inflation unter die Lupe nehmen können.

Der erste Teil der Übung ist einfach: So war der Preisanstieg 2021 eindeutig auf die hohen Importpreise zurückzuführen. So verteuerte sich bereits damals Gas. Dazu kamen Lieferengpässe bei Autos und anderen Waren. 2022, nach Beginn des Ukrainekriegs, setzte sich der Anstieg der Energiepreise fort. Dann kam ein weiterer Faktor dazu: steigende Unternehmensgewinne. "Im Durchschnitt erklären Unternehmensgewinne ein Viertel der Jahresinflation 2022", heißt es in der Nationalbank-Analyse. Von Löhnen ging im vergangenen Jahr noch kein relevanter Preisantrieb aus, was daran liegt, dass sie zeitverzögert steigen. Im ersten Quartal 2023 erreichte der Beitrag aus den Gewinnen zur Teuerung einen Höchststand: So lassen sich 40 Prozent der heimischen Inflation in dieser Periode durch steigende Gewinne erklären. Zu dieser Zeit waren Energiepreise bereits rückläufig – sie dämpften also die Inflation.

Waren es zunächst nur Energieversorger, die ihre Gewinnparty feiern konnten, kamen dann wie erwähnt Hotellerie und Gastronomie, aber auch Versicherungs- und Finanzdienstleister dazu.

Steigende Gewinne in der Gastronomie hatten auf die ganze Volkswirtschaft auswirkungen
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Diese Zahlen werden die Diskussion anfachen, die unter dem Stichwort "Gierflation" von Gewerkschaften seit Monaten geführt wird. Der ÖGB argumentiert, dass die "Gier" der Unternehmen für einen wesentlichen Brocken der Teuerung verantwortlich ist. Die Zahlen der Nationalbank sagen zum Thema Gier nichts aus. Ob Unternehmen ihre Gewinnmargen ausgeweitet haben oder nur konstant hielten, ist offen. Auch Unternehmen, die ihre Profitmargen stabil halten wollen, müssen ihre Preise stärker anheben, als sich ihre Vorleistungen verteuert haben.

Kräftiges Lohnplus wirkt sich aus

Allerdings zeigt die Analyse auch, dass im zweiten Halbjahr 2023 ein Wandel stattgefunden hat: Die Löhne haben zugelegt und sind aktuell zum "bestimmenden Inflationstreiber" geworden. Mehr als zwei Drittel der erhöhten Preise fließen nun volkswirtschaftlich betrachtet in die höheren Löhne. In normalen Jahren, also vor der Inflationsphase, liegt dieser Wert bei 27 Prozent. Verantwortlich für die Entwicklung ist das rasche Wachstum der Bruttolöhne, die heuer mehr als doppelt so stark zulegen wie im Vorjahr.

Hoch die Preise

Die Daten lassen auch erahnen, dass die Industrie vor schwierigen Lohnverhandlungen steht: Denn dort gab es als Folge eines Einbruchs keine Gewinnparty, die Löhne haben schon in den vergangenen drei Quartalen einen stärkeren Beitrag geleistet als die Gewinne.

Die Nationalbank-Experten gehen davon aus, dass nun längerfristig ein Ausgleich stattfindet: Auch in den kommenden Monaten soll demnach der Beitrag der Löhne zur Inflation höher bleiben, die Bedeutung der Gewinne geht zurück. Wie die Entwicklung 2024 aussehen wird, hängt tatsächlich vom Ergebnis der kommenden Lohnrunde ab. (András Szigetvari, 20.9.2023)