Das dramatische Motto des neuen Puls-24-"Bürgerforums", "Schicksalswahl 2024", korrespondiert nicht ganz mit der Location eines Bürgerforums. Kolariks Luftburg im Wiener Prater bietet nur wenig Stammtischstimmung. Der erste Gast des "Bürgerforums", SPÖ-Chef Andreas Babler, soll hier jedoch mit klassischen Stammtischthemen aus dem Volk konfrontiert werden, betont Moderatorin Corinna Milborn. Die redaktionell ausgewählten Stammtischgäste sitzen allerdings in sicherem Abstand einen Tisch weiter mit Moderator Florian Danner.

SPÖ-Chef Andreas Babler bei Corinna Milborn im
Baut Luftschlösser in der Luftburg: SPÖ-Chef Andreas Babler bei Corinna Milborn im "Bürgerforum live" auf Puls 24.
APA/Georg Hochmuth

Hitziger Einstieg in die frische Septembernacht: Wutwirt Andreas wütet gleich leidenschaftlich gegen die 32-Stunden-Woche. Er selbst arbeitet sieben Tage pro Woche, mindestens 84 Stunden. Statt weniger zu arbeiten, solle man das Arbeiten wieder attraktiv machen – mit besserer Bezahlung und weniger Steuern, damit man "wieder stolz sein kann". Doch Babler argumentiert, wie schon oft von ihm gehört, dass die Attraktivität eines Jobs in der Pflege mit der Arbeitszeitverkürzung gewiss steigen würde.

Der Autohänder und der Spaltpilz

Wenig überraschend ist auch der Autohändler aus Hollabrunn, ebenfalls ein Andreas, gegen die Arbeitszeitverkürzung. Er wirft Babler Populismus vor. Babler sei ein Spaltpilz, weil er einen Keil treibe zwischen jene, die Vermögen haben, und jene, die keines haben, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Er glaubt nicht, dass die Vermögenssteuer in Österreich funktioniert, sonst hätte die SPÖ sie nicht selbst abgeschafft. Diesen Hinweis spült Andreas Babler mit einem weiteren Redeschwall fort.

Damit auch endlich ein Nicht-Andreas das Wort bekommt, ist eine 20-jährige angehende Studentin aus Oberösterreich dran. Sie will von Babler wissen, wieso die SPÖ gegen eine gesetzliche Verankerung von Tempo 100 ist. Auch wenn die Forderung wissenschaftlich fundiert sei, sei so ein Gebot nicht der Weg, den er als Politiker gehen will: So kann man diese lange Antwort kurz zusammenfassen.

Aus Wien geflüchtet

Überraschenderweise will die Pflegerin, die neben der Studentin am Stammtisch sitzt, nicht über die Missstände in der Pflege reden. Sie hat ein anderes Thema. Wegen des "zu großen Ausländeranteils" zieht sie aus Wien nach Niederösterreich. "Wie wollen Sie das machen, dass sich Österreicher wieder hier wohlfühlen?", will die bald Ex-Wienerin wissen und fordert gleich,"dass die sich an unsere Gebräuche halten". Bablers Redeschwall setzt bei den böhmischen Ziegelarbeitern an und endet bei den Asylverfahren, die geregelt werden müssen. Die aus Wien Flüchtende ist nicht zufrieden, kommt aber nicht zu Wort. Andreas, der Wutwirt, springt ihr bei: Wer in Wien nicht arbeite, sei klar – die Ausländer. Die zwei Pakistaner, die bei ihm arbeiten, seien allerdings "brav".

Leider wird die Debatte in der Luftburg nicht angenehmer: Ein Gast will wissen, was Babler von einer Volksbefragung über einen EU-Austritt hält. Bablers kürzeste Antwort des Abends: Er hält nichts davon.

Beste Idee des Abends

Babler muss nicht nur Kritik aus der Luftburg aushalten. Puls 24 hat burgenländische Pensionisten besucht, und diese richten ihm aus, dass er "ein bisschen mehr auf unseren Dosko hören soll" und außerdem zu links sei. Damit es noch ungemütlicher wird, konfrontiert Milborn den SPÖ-Chef dann noch mit den schlechten Umfragewerten der SPÖ.

Kurz bevor die Luft bei Kolarik total ausgeht, darf endlich auch die jüngste Stammtischgästin etwas sagen. Aylin fragt nach den jungen Themen in der SPÖ. Was will die SPÖ endlich tun, damit sie nicht Pensionistenpartei bleibt? Babler beendet nach einer Stunde voller Luftschlösser das "Bürgerforum" mit einer pragmatischen Idee: Aylin soll einfach bei der SPÖ mitmachen. Eine der besten Ideen des Abends. (Olivera Stajić, 20.9.2023)