Die Corona-Krise verschaffte Sportartikelhändlern eine Sonderkonjunktur. Fahrräder, Laufschuhe und Outdoor-Ausrüstung gingen weg wie die warmen Semmeln. In ihrer Euphorie überschlugen sich viele Betriebe mit Bestellungen in der Industrie – nicht zuletzt in der Annahme, dass nur 80 Prozent der Order bei ihnen einträfen. Lieferengpässe über gut drei Jahre lehrten die Branche, ihre Einkäufe lieber großzügig als knapp zu bemessen.

E-Bikes waren in Zeiten der Corona-Krise der Renner. Mittlerweile überlegen sich Konsumenten höhere Investitionen dreimal.
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Was folgte, war ein klassischer Peitscheneffekt: Knoten in den Lieferketten lösten sich auf. Die Industrie warf ihre Maschinen an. Zusätzlich zur jüngst bestellten Ware trudelten Order ein, die Händler längst nicht mehr auf dem Radar hatten. Mit der Konsequenz, dass die Branche nun auf übervollen Lagern sitzt. Gewichtige Teile des Kapitals sind darin gebunden.

Wer rasch Liquidität braucht, sieht sich zu hohen Rabatten gezwungen. Das wiederum belastet die durch teurere Energie und Mieten in Mitleidenschaft gezogenen Erträge.

Höhere Preise treiben Umsatz

Viele Konsumenten haben ihren Bedarf an sportlicher Ausrüstung freilich gedeckt und lassen sich auch zu keinen Spontankäufen mehr hinreißen. In die eigene Fitness investiert wird vorsichtiger und gezielter. Die Frequenz in den Geschäften sinkt. Und für die weiter steigenden Umsätze sorgen allein höhere Preise.

Intersport-Chef Thorsten Schmitz erwartet für das bis Ende September laufende Geschäftsjahr 654 Millionen Euro Umsatz. 631 waren es im Jahr zuvor. Um die Inflation bereinigt, blieb der Verkaufserlös stabil. Schmitz macht keinen Hehl daraus, dass die Erträge unter Druck stünden und der finanzielle Spielraum der Branche angesichts explodierender Kosten gering sei.

Natürlich bräuchten die Konsumenten mehr Geld in der Tasche, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD mit Blick auf die nahenden Lohn- und Gehaltsverhandlungen im Handel. Was die Forderungen der Gewerkschaft betreffe, gelte es jedoch, "Maß zu halten". Zumal der gesamte Einzelhandel vor eine Zäsur stehe.

Düstere Prognosen haben Tradition

Düstere Prognosen der Unternehmer im Vorfeld der Kollektivvertragsverhandlungen haben Tradition. Auch die jüngste Studie des Beraternetzwerks Kreutzer Fischer & Partner im Auftrag des Handelsverbands knüpft daran an.

Schon im Vorjahr sei das erhoffte wirtschaftliche Comeback des Handels nicht geglückt. Die Nachfrage sei real um 0,3 Prozent unter dem Niveau von 2021 geblieben, erhob der Report.

Ausnahmen macht dieser nur im Sportartikelhandel aus. Dieser sei dank des wiederbelebten Tourismus um 34 Prozent gewachsen und habe sogar das Vorkrisenniveau übertroffen.

Für heuer geht Studienautor Andreas Kreutzer von realen Absatzeinbußen für nahezu alle Handelssparten aus. Im Schnitt schrumpfe die Nachfrage um 3,9 Prozent. Die deutliche Verlagerung der Konsumausgaben weg vom Handel, hin zu Dienstleistungen, Urlauben und Freizeit setzt sich seinen Erhebungen nach fort.

Schmitz sieht darin für den Sporthandel viel Potenzial schlummern, zumal Gesundheit hohen Stellenwert im Leben der Österreicher einnehme. Vorerst aber gelte es, Lagerbestand abzubauen und dabei von Hauruckaktionen, die Erträge ruinierten, abzusehen. Wanderschuhe, betont er, seien ja nicht schlechter, nur weil sie für die Saison davor produziert wurden.

In der Defensive

In keinem Land Europas ist die Dichte an Sporthandelsfläche höher als in Österreich. Unübersehbar ist die Marktbereinigung der Branche.

Der britische Diskonter Sports Direct ist hierzulande nur noch ein Schatten seiner selbst. Die norwegische Sporthandelskette XXL wollte Österreich bis Jahresende verlassen. Für einzelne Standorte sollen Mietverträge dem Vernehmen nach verlängert worden sein, um Überlager aus Skandinavien abzubauen – denn der Überhang an Ware zieht sich durch ganz Europa.

Einen Jahresfehlbetrag für 2021 weist Hervis aus. Geschichte sind die Filialen von Northland. Mitten in der Sanierung steckt die Sport-2000-Genossenschaft, die selbstständige Händler beliefert. Mitausgelöst hat ihre Insolvenz die Pleite des Sportartikelhändlers Geomix. Dem Sanierungsplan des steirischen Betriebs stimmten jüngst 98 Prozent der Gläubiger zu. (Verena Kainrath, 22.9.2023)