Eine Heckenschere und ein Motorradhelm zählen zu den kurioseren Dingen, die Stefan Tollingers Mitarbeiter aus dem Biomüll geholt haben. Als Geschäftsführer von Brantner Green Solutions, eines Entsorgungsbetriebs mit Sitz in Krems, weiß Tollinger aber auch, dass diese großen Fehlwürfe nicht das große Problem sind.

Zu schaffen mache dem Kompostierbetrieb vielmehr der kleinteilige Mist, der nicht in den Biomüll gehört. Plastikfolien etwa oder Aluminiumreste. Sie sind viel schwieriger herauszufiltern.

KI als Mülldetektiv

Damit stark verunreinigter Biomüll gar nicht erst in der Kompostieranlage landet, setzt das Unternehmen mittlerweile auch künstliche Intelligenz (KI) ein. Sogenannte Störstoffscanner, die in Lkws verbaut sind, sollen mittels Bildern alles ausfindig machen, was nicht kompostiert werden kann. Dafür werden am Heck des Müllfahrzeugs Kameras montiert. Die KI analysiert den Inhalt der Biomülltonnen, während er in den Lkw gekippt wird. Fremdstoffe können leichter erkannt und entfernt werden, sagt Tollinger.

Danach wird entschieden, ob der Abfall rein genug für die Kompostierung ist oder zu Biogas verarbeitet wird. Die Technologie habe sich bereits bewährt. Auch in Innsbruck und Klagenfurt seien damit heuer mehrere Müllsammelfahrzeuge ausgerüstet worden. Anhand der ermittelten Daten können laut Tollinger auch gezielte Informationskampagnen gestartet werden, um die Mülltrennung künftig zu verbessern.

"Je sortenreiner der Biomüll ist, desto einfacher ist die Verarbeitung", sagt Tollinger, während er durch die großen, muffigen Komposthaufen des Erdwerks in Gneixendorf, einem Stadtteil von Krems an der Donau, geht. 35.000 Tonnen Bioabfälle werden hier laut eigenen Angaben jährlich zu Komposterden und Substraten verarbeitet.

Zwei Hände halten Kompost in die Kamera.
Biomüll kann zu Kompost, Dünger oder Erde verarbeitet werden.
APA/dpa/Uli Deck

Smarter Mist

Mindestens Zwölf Wochen dauert der digitalisierte Prozess in Krems. Währenddessen wird der Abfall automatisch bewässert, mit Frischluft versorgt und einmal pro Woche umgesetzt. In einem letzten Schritt werden etwa Plastiksäcke oder Kaffeekapseln ausgesiebt und Metalle mit einem Magnetabscheider aussortiert.

Tollinger empfiehlt an dieser Stelle, den Biomüll ohne das Plastiksackerl in die Tonne zu kippen. Die meisten angeblich kompostierbaren Plastiksäcke seien nämlich nicht kompostierbar, weil sie sich nicht innerhalb von zwölf Wochen zersetzen. Dasselbe gelte für kompostierbare Kaffeekapseln. Bei der Siebanlage wurde nachinvestiert – eine Dreiviertelmillion Euro hat sie gekostet, insgesamt wurden sieben Millionen Euro in die Kompostieranlage in Gneixendorf investiert.

Am Ende angelangt scheinen die Investitionen aber noch nicht zu sein, denn auch in der "Empfangshalle", wo der Abfall von den Lkws geladen wird, seien künftig Kameras geplant, um Störstoffe besser aussortieren zu können. Prinzipiell werden etwaige Plastikflaschen und Aludosen aber erst am Ende des Kompostierprozesses ausgesiebt.

Der Kompost ist ein wertvolles Produkt. Er wird sowohl in der Landwirtschaft als auch in privaten Gärten zum Düngen eingesetzt. Insgesamt würden die Kompostprodukte von Brantner auch 5.000 Tonnen CO2 pro Jahr im Boden binden.

Bioanteil im Restmüll "schockierend"

Und es könnte noch mehr sein, würden nicht jedes Jahr 700.000 Tonnen Biomüll im Restmüll landen. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesabfallwirtschaftsplan 2023 des Klimaministeriums. Als "tragisch" und "sehr schockierend" bezeichnet Gabriele Jüly dieses Ergebnis. "Damit macht der Bioabfall ein Drittel des Restmülls aus", sagt die Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (Voeb).

Insgesamt fallen in Österreich jedes Jahr 3,3 Millionen Tonnen Bioabfälle an. Davon werden 2,6 Millionen Tonnen getrennt und können somit zu Kompost, Biogas oder Biodiesel verarbeitet werden. Dadurch "entstehen wertvolle neue Ressourcen", sagt Jüly. Pro Person werden insgesamt 128 Kilogramm Bioabfall pro Jahr gesammelt.

Paprika, Zwiebel und Eierschalen verrotten.
Landet Bioabfall im Restmüll, wird er in der Regel verbrannt oder thermisch verwertet.
imago images/CHROMORANGE

Mehrheit will eigene Biotonne

Landet Biomüll allerdings im Restmüll, wird er meist verbrannt. Dabei trennt ein Großteil der Menschen in Österreich fleißig Müll. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, in Auftrag gegeben vom Voeb, durchgeführt von Marketagent.com. Dieser zufolge geben acht von zehn Befragten an, Biomüll getrennt zu entsorgen, rund die Hälfte kompostiert ihren Bioabfall sogar.

Vier von zehn Befragten müssen ihren Biomüll zu einer öffentlichen Sammelstelle bringen, dementsprechend wünscht sich eine Mehrheit von mehr als 80 Prozent eine Biotonne pro Haushalt oder Hausgemeinschaft. Jüly fordert außerdem, biogene Rohstoffe "verpflichtend getrennt zu sammeln".

Was in die Biotonne gehört

Neun von zehn Befragten geben an zu wissen, welche Lebensmittelabfälle in den Biomüll gehören. Trotzdem landen Unmengen im Restmüll.

Was jedenfalls aber in die Biomülltonne gehört, sind Obst- und Gemüseabfälle, pflanzliche Speise- und Brotreste, alte Blumenerde und Zimmerpflanzen, Rasen- und Strauchschnitt sowie Fallobst. Der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe empfiehlt zudem, bei Fleisch, Knochen, Speiseresten und verdorbenen Lebensmitteln bei der jeweiligen Gemeinde nachzufragen. (Julia Beirer, 22.9.2023)