Michael Krammer im Gespräch
Michael Krammer: "Alle Hot-Kunden haben eine Nichtdiskriminierung gegenüber den Magenta-Kunden, bei Smartphone ebenso wie beim Breitband."
Ventocom

Im Spätsommer 2023 führt DER STANDARD Gespräche mit diversen Entscheidungsträgern der österreichischen Telco-Branche, von den CEOs von A1, Drei und Magenta über den Regulator RTR bis zu den virtuellen Anbietern (MVNOs). Zur letzteren Kategorie gehört das Unternehmen Ventocom, dessen bekannteste Marke Hofer Telekom ist. Geschäftsführer Michael Krammer war von 2007 bis 2012 Geschäftsführer des Mobilfunkanbieters Orange, zuvor Geschäftsführer bei Telering und von November 2013 bis November 2019 Präsident des SK Rapid Wien. Die Mobilfunkmarke zum Wiener Fußballklub, Rapid Mobil, wird in Kürze eingestellt, wie Krammer im Gespräch erklärt. Dafür floriert das Geschäft mit Hot, die Tarife hat man trotz Inflation nicht erhöht.

STANDARD: Die großen drei Betreiber – A1, Magenta und Drei – haben im Frühjahr ihre Preise an den Verbraucherpreisindex angepasst. Wie lief es bei den Ventocom-Marken?

Krammer: Wir hatten auch Erhöhungen, nämlich Erhöhungen der Datenvolumina bei gleichbleibenden Preisen. Bei Hot, Raiffeisen Mobil und Liwest werden wir nicht teurer, sondern machen unsere Produkte immer entweder besser oder billiger. Und zwar nicht nur für Neukunden, sondern automatisch auch für all unsere Bestandskunden. Das ist das, was man eigentlich unter "Wertsicherung" verstehen sollte: Bei uns steigt der Wert für den Konsumenten.

STANDARD: Nun haben mir durch die Bank die CEOs der drei großen Anbieter und auch RTR-Chef Klaus Steinmaurer erzählt, dass sie ein Kostengefüge haben, das sie zur Erhöhung der Preise zwingt. Werden durch Ihren Vertrag mit Magenta diese Kosten nicht auch an Sie weitergegeben?

Krammer: Das alles ist eine Wechselwirkung zwischen Preis und Volumen. Ab einem gewissen Volumen gibt es – banal gesagt – Mengenrabatte. Nachdem wir wachsen und somit auch unsere Kapazitäten vor allem im Netz von Magenta wachsen, wachsen in Summe die Beträge, die wir an Magenta zahlen. Somit sinken die Kosten, die wir pro Gigabyte haben.

Michael Krammer im Gespräch.
Michael Krammer: "90 Prozent des Geschäfts sind Smartphone-Tarife, zehn Prozent mobiles Breitband."
Ventocom

STANDARD: Ohne das Wachstum von Ventocom wäre die Situation also eine andere?

Krammer: Das ist eine starke Was-wäre-wenn-Betrachtung. Diese Verträge werden langfristig geschlossen, um beiden Seiten eine Planungssicherheit zu geben.

STANDARD: Interpretiere ich die zwei Worte "unter anderem" richtig, dass Sie nicht nur im Netz von Magenta roamen?

Krammer: Im Bereich des mobilen Breitbands haben wir auch Angebote im Netz von Drei. Alle Smartphone-Tarife sind aber bei Magenta.

STANDARD: Wie viel Ihres Geschäftes machen die Smartphone-Tarife aus, wie viel davon mobiles Breitband für zu Hause?

Krammer: Hot ist 2015 gestartet, mit dem mobilen Breitband aber erst 2019. Nun sind 90 Prozent des Geschäfts Smartphone-Tarife, zehn Prozent mobiles Breitband. Insgesamt haben wir 1,35 Millionen Kunden bei Hot, die Ventocom-Gruppe insgesamt hat bereits mehr als 1,5 Millionen Kunden.

STANDARD: Wie viele Hot-Kunden bestellen die Produkte online, und wie viele kaufen es einfach beim Hofer an der Kassa?

Krammer: Der überwiegende Teil – 80 bis 85 Prozent – kauft es an der Kassa. Später verwalten aber über 80 Prozent ihre Tarife online, nur 20 Prozent kaufen Ladebons in den Hofer-Filialen.

"Wir halten es halt nicht mehr für notwendig und zeitgemäß, eigene Shops zu betreiben, wo man eine Nummer ziehen, sich anstellen und sich nach den Öffnungszeiten richten muss."

STANDARD: Drei-CEO Rudolf Schrefl hat im Interview mit dem STANDARD in einem Halbsatz gemeint, dass Drei Servicequalität biete durch die Callcenter, die Shops und die Servicetechniker, die zu einem nach Hause kommen. Und dass dies fehlt, wenn man das Handy an der Kassa im Supermarkt kauft.

Krammer: In Bezug auf das Callcenter haben wir sicher mit Abstand das beste, mit den kürzesten Wartezeiten und der kompetentesten Betreuung. Wir halten es halt nicht mehr für notwendig und zeitgemäß, eigene Shops zu betreiben, wo man eine Nummer ziehen, sich anstellen und sich nach den Öffnungszeiten richten muss. Unsere Prozesse wurden von Anfang an so einfach gestaltet, dass fast alle Kunden alles über die App oder das Web-Interface machen können. Wenn man das nicht schafft, gibt es ein Callcenter, das durchschnittlich innerhalb von 15 Sekunden abhebt und die Kunden unterstützt, die Probleme künftig selbst zu lösen.

STANDARD: Passt dieses Konzept der Selbstverwaltung überhaupt zur Zielgruppe?

Krammer: Ganz hervorragend. Wir haben eine Anrufquote von unter fünf Prozent, nur fünf Prozent der Kunden rufen also bei uns an. Der Vorteil bei uns ist auch, dass wir das Callcenter im gleichen Haus haben. Wenn dort also ein Problem öfter auftaucht, dann versuchen wir, das an der Wurzel zu packen und den Prozess oder das Produkt einfacher zu gestalten, um Anrufe in Zukunft zu vermeiden.

"Mobile Breitbadtarife sind nur in Österreich zu verwenden. Das ist aber bei allen österreichischen Anbietern der Fall."

STANDARD: Wie viele Menschen nutzen Hot im mobilen Breitbandbereich als Hauptinternetzugang, und wie viele nutzen es als Ergänzung, etwa für Smart-Home-Geräte wie Sicherheitskameras?

Krammer: Für IoT-Anwendungen haben wir eigene Tarife, denn solche Anwendungen brauchen deutlich weniger Datenvolumen. In diesem Bereich haben wir inzwischen 40.000 SIM-Karten in Verwendung. Beim klassischen mobilen Breitband haben unsere Kunden ein ähnliches Nutzungsverhalten wie bei A1, Magenta und Drei. Mit dem Vorteil gegenüber Festnetzbreitband, dass man diese Geräte ausstecken und ins Ferienhaus mitnehmen kann.

STANDARD: Und auch ins EU-Ausland?

Krammer: Nein, mobile Breitbadtarife sind nur in Österreich zu verwenden. Das ist aber bei allen österreichischen Anbietern der Fall.

STANDARD: Die Großen bewerben ihre Geschwindigkeiten immer mit "Bis zu"-Tarifen. Mit welchen Geschwindigkeiten werben Sie?

Krammer: Besonders im Bereich des mobilen Breitbands führen wir die "Bis zu"-Werte gar nicht mehr in der Werbung an. Unser Prinzip ist: Der Kunde probiert den Router einen Monat gratis zu Hause aus. Wenn seine Anwendungen funktionieren, verwendet er es weiter. Wenn nicht, bringt er den Router zum Hofer zurück und bekommt sein Geld zurück. So müssen wir nicht groß mit Geschwindigkeiten werben. Entweder es funktioniert und der Kunde ist zufrieden – oder eben nicht.

STANDARD: Und welche Geschwindigkeiten sind theoretisch bei Ihnen möglich?

Krammer: Derzeit liegt das Maximum im mobilen Breitband bei 50 MBit/s, bei Smartphone-Tarifen bieten wir bis zu 250 MBit/s an. Das werden wir in naher Zukunft mit 5G ergänzen.

"Wenn wir 5G bewerben und das nicht halten können, weil die Indoor-Versorgung von 5G unter 50 Prozent ist, dann sind die Kunden unzufrieden und geben die Router zurück. Nun wird die Versorgung aber schrittweise immer besser, auch die Einkaufspreise für Router gehen runter."

STANDARD: "In naher Zukunft mit 5G ergänzen" heißt, dass Sie das Thema bisher auslassen. Warum?

Krammer: Bis jetzt lassen wir es aus, weil erstens die Endgerätepreise noch nicht in einem Bereich liegen, dass wir sie guten Gewissens als "Hofer-Preis" bezeichnen können. Zweitens haben wir gewartet, bis die Netzversorgung so gut ist, dass nicht jeder zweite Router wegen mangelnder 5G-Versorgung zurückgegeben wird.

STANDARD: Wirklich? Jeder zweite?

Krammer: Ich teste 5G schon länger auf dem Smartphone, und meine Erkenntnis ist: Dort macht es sehr wenig Unterschied, ob man 4G oder 5G hat. Beim mobilen Internet zu Hause macht es aber sehr wohl Sinn, weil dort auch eine Priorisierung stattfindet, 5G ist höher priorisiert als 4G. Bisher galt dort: Wenn wir 5G bewerben und das nicht halten können, weil die Indoor-Versorgung von 5G unter 50 Prozent ist, dann sind die Kunden unzufrieden und geben die Router zurück. Nun wird die Versorgung aber schrittweise immer besser, auch die Einkaufspreise für Router gehen runter. Und somit werden wir in naher Zukunft unsere 5G-Produkte für mobiles Internet zu Hause anbieten.

STANDARD: In naher Zukunft heißt ...?

Krammer: Spätestens Anfang 2024.

STANDARD: Und das auch zu kompetitiven Preisen?

Krammer: Ja, davon kann man ausgehen.

"Alle HoT-Kunden haben eine Nichtdiskriminierung gegenüber den Magenta-Kunden, bei Smartphone ebenso wie beim Breitband."

STANDARD: Weil Sie zuvor das Stichwort "Priorisierung" nannten: A1-CEO Marcus Grausam hat im Interview mit dem STANDARD gesagt, dass bei stark belasteten Netzen die Hauptmarke A1 gegenüber den Billigmarke Bob, Yesss und Xoxo priorisiert bedient wird. Gibt es diese Abstufung auch zwischen Magenta und Ihnen?

Krammer: Nein. Alle Hot-Kunden haben eine Nichtdiskriminierung gegenüber den Magenta-Kunden, bei Smartphone ebenso wie beim Breitband.

STANDARD: Gegenüber Hot steht eine andere Ventocom-Marke immer ein wenig im Hintergrund: Rapid Mobil. Die Speedmap von Tarife.at weist ausgerechnet Ihrem Partner Magenta das schlechteste 5G-Netz im Rapid-Stadion aus. Ist das nicht ein wenig ironisch?

Krammer: Also das wäre mir noch nicht aufgefallen. Ich vertraue derartigen Speedtests überhaupt nicht. Echte Netztests sind sehr aufwendig. Da muss man etwa auf Connect vertrauen oder auf Anbieter, die sich in die Apps hineinreklamieren und regelmäßig die tatsächliche Geschwindigkeit messen. Aber punktuelle Tests bieten nur Momentaufnahmen und haben somit keine Aussagekraft.

"Rapid Mobil wird auf Wunsch von Rapid mit Ende September eingestellt."

STANDARD: Geht die Zielgruppe von Rapid Mobil eigentlich über Rapid-Fans hinaus?

Krammer: Nein. Rapid Mobil werden wir auch nicht weiter forcieren, unter anderem, weil Spusu stark ins Sportsponsoring eingestiegen ist. Es war ein Versuch, die Rapid-Community zu bewegen. Das hat auch gut funktioniert, war aber ein auf Rapid-Klubmitglieder fokussiertes Angebot.

STANDARD: Verstehe ich Ihre Ausführungen richtig, dass es Rapid Mobil nicht mehr lange geben wird?

Krammer: Ja – dem ist so. Rapid Mobil wird auf Wunsch von Rapid mit Ende September eingestellt. Ich vermute, dass der Sponsoringvertrag mit Spusu dies verlangt.

Michael Krammer im Gespräch
Zum Thema E-SIM: "Jeder, der es nutzen will, ist herzlich dazu eingeladen – auch wenn es nur temporär ist."
Ventocom

STANDARD: In den USA wird das iPhone ohne SIM-Karten-Slot verkauft, Sie bieten auch SIM-only-Tarife an. Ist E-SIM für Sie ein wachsendes Thema?

Krammer: Wir bieten E-SIM bei Hot seit 2021, und es wird auch gut nachgefragt. Rund drei bis fünf Prozent unserer Nutzer verwenden E-SIM. Wir nehmen für uns auch in Anspruch, den einfachsten E-SIM-Aktivierungsprozess zu haben. Und wir werden das noch im heurigen Jahr auf alle anderen Marken ausdehnen.

STANDARD: Sind die E-SIM-Kunden allesamt Inländer, oder fallen darunter auch ausländische Touristen und Geschäftsreisende?

Krammer: Jeder, der es nutzen will, ist herzlich dazu eingeladen – auch wenn es nur temporär ist. Derzeit ist als Nachwirkung der Pandemie der Anteil an Touristen aus Staaten außerhalb der EU noch gering, aber das wird in den kommenden Jahren zunehmen. Und das ist eine Zielgruppe, um die man sich möglicherweise kümmern kann. (Stefan Mey, 23.9.2023)