Sanft windet sich die schmale Straße auf den Hügel neben dem Ort. Sie führt bis zu dem alten Hof, dessen Fassade schon teilweise abgebröckelt ist. Rundherum grasen Schafe und Kühe in der grünen Wiese, von der Ferne dringt leise das Rauschen der Bundesstraße herauf. "Hier könnten bald die Paneele stehen", sagt Andreas Lindorfer. Er zeigt auf die Wiese vor dem Hof: von dort bis hinauf zum Wald, auf der anderen Seite bis hinunter zur Straße. Ein großes Feld voller Sonnenkollektoren, das Platz lässt für Schafe und Traktoren und gleichzeitig Strom für die ganze Gemeinde produziert. "Das wäre unser Weg in die Energieautarkie", ist Lindorfer überzeugt.

Agri-Photovoltaik, kurz Agri-PV, nennt sich die Technologie, die Bürgermeister Andreas Lindorfer (ÖVP) in der Mühlviertler Stadtgemeinde Rohrbach-Berg in den nächsten Monaten ermöglichen will. Die Idee: Ackerflächen auch für die Stromproduktion nutzen. Dafür werden die Module so montiert, dass dazwischen noch genug Raum für den Anbau von Lebensmitteln bleibt. Im Vergleich zu einer PV-Freiflächen-Anlage sollen so nur rund zwei Prozent der Fläche "verlorengehen", das heißt verbaut sein, verspricht das oberösterreichische Unternehmen EWS, das die Anlage in Rohrbach-Berg errichten will.

Bürgermeister von Rohrbach-Berg Andreas Lindorfer (re.) mit Vizebürgermeister Franz Hötzendorfer vor einem Feld
Bürgermeister von Rohrbach-Berg Andreas Lindorfer (re.) mit Vizebürgermeister Franz Hötzendorfer vor einem Feld, auf dem "bald die Paneele stehen" könnten.
Jakob Pallinger

Doch während Lindorfer die Agri-PV-Anlage als Teil der Lösung für die Energiewende der Gemeinde sieht, stößt das Projekt einigen anderen Bewohnern sauer auf. Sie sehen darin eine "Verschandelung" der Landschaft und der Natur. Seit rund einem Jahr steckt die Verhandlung zur nötigen Umwidmung der Fläche im Gemeinderat fest. Von 31 Mitgliedern im Gemeinderat stimmten zuletzt fünf gegen das Projekt. Die endgültige Entscheidung zur Umwidmung hat die Gemeinde aufgrund der Kritik immer wieder vertagt. Noch steht kein einziges PV-Modul auf den Feldern.

Guter Standort

Die Felder gehören zum Grundstück von Otto H. Im Arbeitsgewand steht der 61-Jährige draußen vor seinem Hof und lässt den Blick über seine Wiesen schweifen, auf denen seine Kühe und Schafe grasen. Zeit seines Lebens betrieb Otto H. auf den Feldern "extensive Landwirtschaft", das heißt, dass er nur wenige Nutztiere hat und vergleichsweise wenig Dünger und Pestizide einsetzt. "Letztes Jahr ist mir dann die Idee gekommen, etwas Neues zu machen", sagt er. Er nahm Kontakt zur Firma EWS auf, die Agri-PV-Anlagen in Österreich plant und umsetzt.

Diese stellte in einer Untersuchung fest, dass sich Otto H.s Landwirtschaft gut für die Errichtung einer Agri-PV-Anlage eignen würde: einerseits aufgrund der Ausrichtung des Hangs, andererseits wegen des direkt angrenzenden Umspannwerks, das sich weiter unten am Hang befindet. 15 Hektar sollte die Anlage ursprünglich umfassen und ungefähr elf Millionen Kilowattstunden Sonnenstrom im Jahr produzieren – genug, um den Strombedarf von rund 3.000 Haushalten in Rohrbach-Berg abzudecken. Die Bürger der Gemeinde sollen sich über eine Energiegemeinschaft am Projekt beteiligen können und im Anschluss Sonnenstrom zu einem gedeckelten Preis erhalten.

Auch die landwirtschaftliche Fläche soll bei Agri-PV weitgehend erhalten bleiben, verspricht die EWS. 80 Prozent der Fläche könne weiterhin für die Landwirtschaft genutzt werden, auf 18 Prozent der Fläche unterhalb der Module würde ein Blühstreifen gepflanzt werden, zwei Prozent machen Pfeiler und Trafos aus, die aufgestellt werden müssten.

"Müllhalde von Rohrbach"

"In der Bevölkerung finden leider einige, dass das schiach aussehen würde", sagt Otto H. und schüttelt den Kopf. Dabei gebe es gleich weiter vorne im Ort einige Betriebe, die den Boden weit mehr versiegeln und auch nicht schön aussehen. Die Agri-PV-Anlage ließe sich jederzeit wieder zurückbauen, da die Pfeiler nicht einbetoniert werden. "PV-Anlagen gehören mittlerweile zum Landschaftsbild dazu", sagt Otto H.

Rund 100 Meter weiter unten am Hang ist Doris W. anderer Meinung. "Das ist ein herber Einschlag für uns", sagt sie. Die 24-jährige Studentin steht vor dem Haus ihrer Mutter, das ihr zukünftiger Lebensmittelpunkt werden sollte und das nur eine kleine Straße von Otto H.s Grundstück trennt. Vom Balkon aus hat sie einen direkten Blick auf den Hügel – und schlimmstenfalls eines Tages auf Paneele, "die doppelt so groß sind wie ich", sagt sie. "Dieses Projekt verschandelt unsere Heimat."

Blick vom Balkon aus in den Garten und das Nachbarhaus.
Der Balkon von Doris W. mit Blick auf das Umspannwerk und den Hang, auf dem die Solarmodule errichtet werden könnten.
Jakob Pallinger

Die Menschen im Mühlviertel seien stolz auf ihre schöne Umgebung. Doch die werde nun immer mehr zerstört. Neben ihrem Grundstück sei zusätzlich zur Agri-PV-Anlage auch eine zusätzliche 110-kV-Leitung geplant. "Irgendwann kommt man sich vor wie die Müllhalde von Rohrbach", sagt Doris W.

Vom geplanten Projekt habe sie zuerst aus den Medien erfahren. Die Gemeinde habe dann ihre Eltern eingeladen, eine Stellungnahme abzugeben. Wären diese im Mai bei einer Gemeinderatssitzung zur geplanten Umwidmung der Fläche nicht anwesend gewesen, wäre das Projekt "hinter unserem Rücken entschieden worden – unter der Annahme, dass man sich mit uns geeinigt hätte", sagt Doris W. Diese Einigung habe es aber bisher weder mit ihrer Familie noch mit den weiteren betroffenen Anrainern gegeben. Die Firma EWS habe sich mittlerweile zwar für das vermeintliche Missverständnis entschuldigt und das Gespräch gesucht. Sie sei sich jedoch nicht sicher, inwieweit auf ihre Wünsche und Bedenken Rücksicht genommen wird.

Bevölkerung mitnehmen

Bei der EWS ist man auf das Projekt in Rohrbach-Berg nicht so gut zu sprechen. "Mit zwei Nachbarn gibt es dort ein bisschen ein Problem", sagt Joachim Payr von der EWS. Man sei jedoch bereits auf ihre Bedenken eingegangen. Es sei nun zusätzlich eine Sichtschutzhecke um die PV-Module geplant, zudem soll die ganze Anlage ein wenig verkleinert werden, sodass mehr Abstand zwischen den Anrainern und der PV-Anlage besteht. "Eine 100-prozentige Zustimmung wird es bei solchen Projekten aber nie geben", sagt Payr.

In anderen Gemeinden in Oberösterreich geht der Ausbau von Agri-PV indes schneller voran. In drei Gemeinden sei eine solche Anlage sogar bereits einstimmig bewilligt worden, sagt Payr. Ist die Umwidmung erst einmal durch den Gemeinderat, muss sie schließlich noch vom Land abgesegnet werden. Vor allem die Anforderungen durch die Raumordnung und das Landschaftsbild erschweren den Ausbau aber, sagt Payr. Das Schwierigste sei jedoch, die Bevölkerung mitzunehmen. "Agri-PV-Anlagen werden immer noch häufig mit PV-Freiflächen-Anlagen verwechselt. Dabei sind Agri-PV-Anlagen keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion."

Neben Dachflächen auch Grünflächen nötig

Wie so eine Anlage funktioniert, will die EWS in Bruck an der Leitha in Niederösterreich veranschaulichen – und damit auch jene überzeugen, die bisher noch skeptisch gegenüber Agri-PV sind. Auf fünfeinhalb Hektar hat das Unternehmen dort Ende vergangenen Jahres eine Forschungs- und Demonstrationsanlage eingerichtet. Die Solarmodule erheben sich zwischen den Feldern, auf denen Mohn, Sonnenblumen, Soja, Körnerhirse und andere Pflanzen wachsen.

Sonnenblumen vor Solarmodulen
Auf der Agri-PV-Testanlage in Bruck an der Leitha wachsen unter anderem Sonnenblumen zwischen den Solarmodulen.
Helena Lea Manhartsberger

"Das meiste funktioniert hier automatisch", sagt Verena Bernardi von der EWS, während sie sich ihren Weg durch die hohen Sonnenblumen bahnt. Über den Tag hinweg richten sich die Module nach der Sonne aus und reagieren mithilfe von Sensoren auf Wind, Regen oder Schneefall. Stürmt es beispielsweise, richten sich die Module auf horizontal, regnet es, gehen sie in eine vertikale Position, damit der Regen die Felder bewässern kann. Über eine App können Landwirte die Module steuern, falls sie mit dem Traktor durch die Felder fahren.

Einige Reihen der Körnerhirse oder Sonnenblumen, die nahe an den Modulen stehen, gedeihen zwar etwas weniger gut. Bei vielen Lebensmitteln, wie etwa Winterweizen oder Erdäpfeln, hätten die Module und deren Schattenwurf aber einen neutralen oder sogar positiven Effekt auf das Pflanzenwachstum, sagt Bernardi. Landwirte hätten durch die Doppelnutzung von Landwirtschaft und Stromproduktion zudem eine zusätzliche Einnahmequelle und damit mehr finanzielle Sicherheit bei Ernteausfällen.

Bis 2030 will die österreichische Bundesregierung bilanziell hundert Prozent des Stromverbrauchs des Landes durch Erneuerbare abdecken. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es neben den Dachflächen auch die Grünflächen, ist Bernardi überzeugt. Allein elf Terawattstunden Strom sollen dafür zusätzlich von PV-Anlagen kommen. Knapp sechs Terawattstunden ließen sich durch Freiflächen- und Agri-PV-Anlagen bis 2030 realistischerweise umsetzen, zitiert Bernardi eine Studie von Hubert Fechner von der FH Technikum Wien aus dem Jahr 2020.

"Noch eine heile Welt"

Sie sei nicht grundsätzlich gegen PV-Anlagen, sagt Doris W. in Rohrbach-Berg. "Es gäbe genug Möglichkeiten, Dächer zu nutzen, ohne die Landschaft hier zu zerstören und die Lebensqualität wesentlich zu beeinflussen." Ähnlich sieht es ihre Mutter, Brigitte W., die ebenfalls vor das Haus gekommen ist: "Ich fürchte mich davor, von den Modulen geblendet zu werden", sagt sie. Andere Auswirkungen des Projekts auf die Umgebung seien noch gar nicht abzuschätzen. Es gebe noch weitere Bewohner in der Gemeinde, die gegen das Projekt sind, sich dazu bisher aber nicht öffentlich geäußert hätten. "Wir sind die Betroffenen, die anderen die Nutznießer."

Über einen kleinen Weg führen Doris W. und ihre Mutter wenig später zu ihrem "Kraftplatz": einer kleinen Kapelle, von der aus sich der Blick auf den Hügel öffnet, auf dem die Agri-PV-Anlage errichtet werden soll. "Wir haben hier noch eine heile Welt", sagt Brigitte W. Sie wolle auch in Zukunft ihre Ruhe hier und den Blick auf die schöne Landschaft genießen. Gebaut werden sollte lieber auf Dächern oder dort, wo niemand wohnt oder die Böden schlechter sind, sagt sie.

Blick auf Felder und die Landschaft
Der "Kraftplatz" von Brigitte W. mit Blick auf den Hügel und den Hof von Otto H.
Jakob Pallinger

"Klar ist eine unberührte Natur schöner. Aber wir werden die Energiewende nicht nur im Geldtascherl spüren, sondern auch sehen", sagt Bürgermeister Lindorfer. Auch er selbst werde von seinem Haus in Rohrbach-Berg auf die Anlage schauen können. Zwar sollen neben der Agri-PV-Anlage auch die Dächer und Hallen im Ort vermehrt mit PV-Modulen bestückt werden. Doch seien längst nicht alle Dächer für PV geeignet – sei es, weil sie falsch ausgerichtet sind oder weil sie aufgrund ihres Alters zuerst saniert werden müssten.

Noch im September will der Gemeinderat in Rohrbach-Berg wieder über die Umwidmung der Fläche für die Agri-PV-Anlage abstimmen. Bis dahin wolle Lindorfer Einvernehmen mit den Anrainern herstellen, sagt er. Bei Umwidmungen wie diesen seien aber immer einige Anrainer dagegen. "Ich fände es schlimmer, wenn mir jemand ein neun Meter hohes Haus vor den Garten baut als eine PV-Anlage, die 40 bis 50 Meter weg ist", sagt er.

Rund um den alten Hof ist von diesen Spannungen wenig zu spüren. Otto H. fährt gemächlich mit seinem Traktor über den Hang, der immer noch allein den Kühen und Schafen gehört. Mit der Agri-PV-Anlage wolle er auch in seiner Pension etwas zur Umwelt beitragen, sagt er – und sich eines Tages freuen, wenn sein Hügel in der Sonne strahlt. (Jakob Pallinger, 24.9.2023)