Es war eine böse Überraschung, die auf acht Wanderer im August auf dem Heimweg von der Roßgumpenalm im Tiroler Lechtal wartete: Dort, wo beim Aufstieg noch ein Wanderweg war, floss nun ein Bach ins Tal. Was von der ursprünglichen Wegstrecke übrig war, wurde von Geröll und Steinen blockiert. Ein Teil der Wanderer hielt die missliche Lage für das Urlaubsfotobuch fest – trotzdem war es alles andere als ein Spaß. Mithilfe der Feuerwehr und eines Traktors konnten am Ende alle sicher ins Tal gebracht werden.

Kein Einzelfall in diesem Sommer. Durch die heftigen Niederschläge gingen Muren ab, die Wanderwege versperrten. Denn der Starkregen führte nicht nur in den Tälern zu Überschwemmungen und riss im Süden des Landes sogar ganze Straßen und Häuser mit, sondern auch in den Bergen wurden Wegabschnitte weggespült und Holzbrücken beschädigt, Touren so verunmöglicht.

Vielerorts mussten deshalb Wanderrouten gesperrt werden: von den Wegen in Velden und rund um den Klopeiner See in Kärnten bis hin zu jenen im Karwendel und im Stubaital in Tirol – die Liste ist lang. Und sie wird von Jahr zu Jahr länger.

Zwei Männer schaufeln einen Wanderweg frei
Ehrenamtliche Wegewarte schaufelten den Weg zur Innsbrucker Hütte in den Stubaier Alpen frei, nachdem er 2022 teilweise verschüttet worden war.
Alpenverein/Simon Schöpf

Kein Weg zurück

"Wir sind immer noch dabei, die Schäden des heurigen Sommers aufzuarbeiten", berichtet Georg Unterberger, Leiter der Abteilung Hütten und Wege im Alpenverein, im Gespräch mit dem STANDARD. Dabei beschäftigen die Extremwetter den Alpenverein nicht erst seit gestern. Seit 20 Jahren sei eine Häufung der Extremwetterereignisse spürbar, die Arbeit zur Instandhaltung und Reparatur der Wanderwege werde immer mehr.

Vor allem die starken Niederschläge bereiten dem Alpenverein die größten Kopfzerbrechen. Sie führen oft zu Hangrutschungen oder Murenabgängen. Die Folge: Wanderwege müssen verlegt oder sogar gesperrt werden. Oft sind sie – wie auch im Tiroler Holzgau – der einzige Weg zurück, sodass Bergsteigerinnen und Wanderer mehrere Tage in den Schutzhütten ausharren oder von der Bergrettung evakuiert werden müssen. Im hochalpinen Bereich kommen mit auftauendem Permafrost und schmelzenden Gletschern noch zwei weitere Gefahren hinzu. Zwar handle es sich dabei um natürliche Prozesse, durch die Erderwärmung würden diese nun aber schneller voranschreiten, sagt Unterberger. Immer öfter komme es zu Steinschlägen, weshalb die Routen in immer kürzeren Abständen angepasst werden müssen.

Wanderer überqueren Fluss im hochalpinen Gebirge.
Der auftauende Permafrost sorgt im hochalpinen Gelände für weniger Stabilität.
Alpenverein/Mössmer

"Aus Rücksicht auf die Natur" hat sich der Alpenverein dazu entschlossen, keine neuen Weganlagen mehr zu errichten – ausgenommen davon sind Wegverlegungen, die durch die Klimaveränderungen und ihre Folgen notwendig werden. Bisher müssten Wege nur selten über weitere Strecken neu gebaut werden, aber auch das sei bereits vorgekommen, erzählt Unterberger. Meistens handle es sich aber um kleinere Umgehungen oder Anpassungen, in den meisten Fällen könnten die Wege derzeit noch in ihren bestehenden Trassen fortgeführt werden.

Die Kosten steigen

Rund 40.000 Kilometer an Wanderwegen verlaufen durch ganz Österreich – zusammen ergeben sie eine Strecke so lang wie der Äquator. Um 26.000 Kilometer kümmert sich der Österreichische Alpenverein, den Rest übernehmen die Nachbarn aus Deutschland. Allein für die Instandhaltung der Wege haben sich die Kosten in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Der Katastrophenfonds für sofortige Reparaturen nach Unwettern wurde in den vergangenen fünf Jahren sogar vervierfacht. Der Großteil der Arbeit an den Wanderwegen wird dabei von Ehrenamtlichen übernommen. In besonders dringlichen Fällen rücken auch örtliche Feuerwehren oder Erdbauunternehmen mit Baggern aus, um die Wege wiederherzustellen.

Ohne die Hilfe von Freiwilligen sei die Instandhaltung des Wegenetzes nicht nur aufgrund des gestiegenen Aufwands unmöglich. Zwölf Millionen Euro jährlich würde es den Alpenverein kosten, wenn alle ehrenamtlichen Arbeiten von bezahlten Wegetrupps übernommen werden würden, rechnet Unterberger vor. Nur ein kleiner Teil der Kosten wird außerdem durch die Fördergelder des Bundes, rund 1,6 Millionen Euro jährlich, abgedeckt – zu wenig, kritisiert Unterberger: "Wir werden um eine Erhöhung der Fördergelder nicht herumkommen."

Laut Transparenzdatenbank des Bundes erhielten 2022 alle alpinen Vereine in Österreich insgesamt 2,72 Millionen Euro für die laufenden Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen der alpinen Infrastruktur, insbesondere der Wege und Schutzhütten.

Zu viel und zu wenig Wasser

Denn nicht nur die Wanderwege, auch die Hütteninfrastruktur wird durch Starkregen, Hagel oder Schneefall immer öfter beschädigt. Neben zu viel Niederschlag stellt aber auch die Trockenheit ein zunehmendes Problem für die Hütten dar. Lange Hitzeperioden sorgen mit dafür, dass die Wasserversorgung auf den Hütten immer schwieriger wird. Auch die milden Winter mit wenig Schnee tragen dazu bei, dass die Vorräte im wahrsten Sinne dahinschmelzen.

Die starken Regenfälle im Sommer sind für die Hütten deshalb Fluch und Segen zugleich: Zwar können sie ihre Wasservorräte wieder auffüllen, jedoch kommt so viel Wasser auf einmal, dass nicht alles aufgefangen werden kann. Im August musste etwa die Neue Prager Hütte am Großvenediger aufgrund des Wassermangels vorzeitig schließen – und das bereits das zweite Jahr in Folge.

In der Schweiz, wo die Schutzhütten im Schnitt 1.000 Meter höher liegen als in Österreich, habe man noch stärker mit der Wasserknappheit zu kämpfen, erzählt Unterberger. Dort werde bereits darüber nachgedacht, welche Hütten mittel- bis langfristig überhaupt noch sinnvoll bewirtschaftet werden können.

Wandern mit Hausverstand

So weit ist es in Österreich zwar noch nicht. Unterberger möchte aber "nicht ausschließen", dass auch hierzulande darüber nachgedacht werden muss, bestimmte Routen oder Hütten aufzugeben: "Es kann durchaus sein, dass wir in Zukunft den einen oder anderen Standort kritisch prüfen müssen."

Auch den Wandersport sieht Unterberger grundsätzlich nicht in Gefahr. Sehr wohl müssten sich die Menschen allerdings an die veränderte Situation anpassen. Er appelliert, sich im Vorhinein über die Bedingungen in den Bergen zu informieren. "Die Wettervorhersagen, die Ausrüstung und die Ausbildungsmöglichkeiten sind besser denn je. Manchmal hapert es aber noch an der Eigenverantwortung." (Theresa Scharmer, 24.9.2023)