Lawrow bei der Uno-Vollversammlung.
Lawrow bei der Uno-Vollversammlung.
REUTERS/EDUARDO MUNOZ

Als "nicht realistisch" hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow sowohl den von der Ukraine vorgeschlagenen Friedensplan als auch die jüngsten UN-Vorschläge zur Wiederbelebung der Schwarzmeer-Getreideinitiative am Samstag bei der Uno-Vollversammlung bezeichnet.

UN-Generalsekretär António Guterres hatte Moskau vor einigen Wochen detaillierte Vorschläge gemacht, damit Russland die erneute Blockade der Häfen im Schwarzen Meer beendet und das Abkommen wieder in Kraft setzt. In einem Brief schlug der UN-Chef Lawrow vor, Moskau könne mit der Gründung einer Tochtergesellschaft durch die sanktionierte russische Landwirtschaftsbank für bestimmte Zahlungen wieder an das internationale Finanzkommunikationsnetzwerk Swift angebunden werden. In dem Schreiben ging es auch um die Versicherung russischer Schiffe bei der Ausfuhr, das Auftauen von eingefrorenem Vermögen der Düngemittelfirmen in Europa und die Erlaubnis für russische Schiffe, in europäische Häfen einzulaufen.

"Wir lehnen sie nicht ab. Sie sind einfach nicht realistisch", sagte Lawrow dazu in New York. Hinsichtlich des von Moskau ausgesetzten Getreidedeals, beklagte Lawrow, dass Russland trotz des Abkommens Ausfuhrschwierigkeiten hatte.

Zum Ukraine-Krieg sagte er: Der Konflikt müsse wohl auf dem Schlachtfeld gelöst werden, wenn Kiew und der Westen an ihrer aktuellen Haltung festhielten. "Es liegt ganz bei uns, wie sich die Geschichte entwickeln wird. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, eine Abwärtsspirale in einen groß angelegten Krieg und den endgültigen Zusammenbruch der Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit zu verhindern", so Lawrow, der das Gros seiner Rede damit verbracht, die USA und den Westen als neokoloniale Spalter und Konflikttreiber zu beschreiben. "Der Westen ist das Imperium der Lügen", so Lawrow, der sich wiederholt für einen neuen Multilateralismus aussprach.

Wieder Explosionen auf der Krim

Indes hat es am Samstag – einen Tag nach dem erfolgreichen Angriff der Ukrainer auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte hat es auf der annektierten Halbinsel Krim – erneut Explosionen gegeben. Russische Behörden warnten vor einem erneuten Raketenbeschuss. Unterdessen hat die ukrainische Armee nach Angaben ihres verantwortlichen Generals die russischen Verteidigungslinien im Süden der Ukraine durchbrochen.

"Achtung! Raketengefahr!", schrieb der von Moskau eingesetzte Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, am Samstag im Onlinedienst Telegram. Weiter wies er die Bevölkerung an, die Fenster zu schließen und sich nicht in ihrer Nähe aufzuhalten, Autos und öffentliche Verkehrsmittel zu verlassen und sich an einen sicheren Ort zu bringen. Wenig später erklärte er, die "Gefahr ist vorbei". "Außerhalb der Stadt" seien Teile einer Rakete niedergegangen, hatte der Gouverneur zuvor vermeldet. In sozialen Netzwerken wurden Fotos von einer Rauchwolke am Himmel geteilt und darauf hingewiesen, dass es in dem betroffenen Bereich ein russisches Munitionslager geben soll.

Flottengebäude getroffen

Auch am Freitag hatte die russische Seite zunächst nur von herabfallenden Raketentrümmern gesprochen - letztendlich jedoch stellte sich die ukrainische Attacke als weitaus erfolgreicher heraus: Die Geschosse beschädigten das wichtige und symbolträchtige russische Flottengebäude schwer.

Bei dem ukrainischen Angriff auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim sind nach Angaben der ukrainischen Armee auch hochrangige Marineoffiziere getötet worden. "Die Details des Angriff werden so bald wie möglich enthüllt werden", erklärte das Militär in Kiew am Samstag. Der Raketenbeschuss habe sich während eines Treffens der russischen Marineführung ereignet. Dutzende "Besatzer" seien getötet und verletzt worden, hieß es weiter.

Die russische Seite nannte zunächst einen Toten, korrigierte diese Angaben aber später und sprach nur noch von einem Vermissten. Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sagte später in einem Interview, es seien mindestens neun Russen getötet und 16 weitere verletzt worden, darunter auch Generäle.

Langsame Gegenoffensive

In der Nähe des Dorfes Werbowe in der Region Saporischschja meldeten die Ukrainer am Samstag zudem einen Durchbruch: "An der linken Flanke haben wir einen Durchbruch und wir rücken weiter vor", sagte Oleksandr Tarnawskiji dem US-Fernsehsender CNN. Der General, der die ukrainische Gegenoffensive anführt, räumte zugleich ein, dass der Fortschritt sich langsamer einstelle als erhofft. "Nicht so schnell wie erwartet, nicht wie in den Filmen über den Zweiten Weltkrieg", sagte Tarnawskiji. Es sei aber wichtig, "diese Initiative nicht zu verlieren".

Ein wichtiger Durchbruch wäre die Rückeroberung der Stadt Tokmak etwa 20 Kilometer von der Frontlinie entfernt, gab Tarnawskiji an. Tokmak gelangte zu Beginn des russischen Einmarsch unter Moskaus Kontrolle. Die Einnahme der Stadt würde es der ukrainischen Armee erlauben, weiter Richtung der annektierten Krim zu drängen.

Das CNN-Interview wurde einen Tag nach einem ukrainischen Angriff auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der annektierten Krim-Halbinsel ausgestrahlt. Der Erfolg der Gegenoffensive hänge nicht nur an den Geschehnissen an der Front, sondern auch daran, "Kommandozentralen zu zerstören", was für "Durcheinander auf dem Schlachtfeld" sorge, sagte Tarnawskiji. Angriffe auf die Krim würden auch die Moral der ukrainischen Soldaten heben: "Es hilft uns, aber es gibt uns auch Hoffnung für die Zukunft." (fmo, red, APA, 23.9.2023)