Die Illustration zeigt einen E-Motor und ein Auto, umgeben sind die Gegenstände von Blumen und herum fliegenden Technik-Teilen.
In der E-Mobilität sehen viele die Zukunft. Doch Autohersteller haben Milliarden in die Umrüstung investiert. Dass der britische Premier die Klimaziele nun verschiebt, sorgt für Aufregung.

Großbritanniens konservativer Premier Rishi Sunak will das Verbot neuer Verbrenner in seinem Land um fünf Jahre nach hinten verschieben, auf 2035 – und stößt damit ausgerechnet bei der Autoindustrie auf Widerstand. Der Hersteller Ford etwa vermisst von der Regierung "Ambition, Engagement und Konsistenz". Wie steht die Autoindustrie in unterschiedlichen Ländern zur Elektrifizierung?

Großbritannien

Die britische Autoindustrie hat seit dem Brexit einen steilen Rückgang verzeichnet. 2022 wurden auf der Insel so wenige Autos gebaut wie seit 1956 nicht mehr. An der schrumpfenden Menge haben E-Autos mittlerweile einen Anteil von gut einem Drittel; allein 2022 stieg deren Produktion um 40 Prozent.

Auf Sunaks Ankündigung, das Verbrenner-Aus zu verschieben, reagierte die Industrie gemischt. Der führende Hybrid-Hersteller Toyota sieht den Aufschub positiv, hingegen kritisiert Lisa Brankin von Ford UK den Kurswechsel: In der Klimapolitik brauche es "Ehrgeiz, Klarheit und Beständigkeit", alle drei Punkte habe Sunak verletzt. Denselben Ton schlägt auch die britische Motorenvereinigung an.

Erst kürzlich hat die Regierung der Industrie neue Förderung für EV-Investitionen zugesagt. BMW steckt über 690 Millionen Euro in die Produktion von Elektro-Minis in Oxford. Der indische Tata-Konzern plant eine fast fünf Milliarden Euro teure Batteriefabrik in Somerset.

Deutschland

Beim Umstieg auf die E-Mobilität verliert das Autoland Deutschland an Metern. Während alle deutschen Hersteller bisher insgesamt rund 160 E-Modelle im Programm haben, bringen die chinesischen jedes Jahr 70 neue auf den Markt. Um rund 40 Prozent liege der Durchschnittspreis in China unter dem Preis in Deutschland, rechnet der deutsche Experte Ferdinand Dudenhöffer vor.

Dazu kommt: Bei den Neuzulassungen schwächelt Deutschland. Für das von der deutschen Bundesregierung angestrebte Ziel, bis 2030 rund 15 Millionen E-Autos auf die Straße zu bringen, wäre heuer etwa eine Dreiviertelmillion neu zugelassener Elektroautos nötig, also etwa 70 Prozent mehr. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management, geht davon aus, dass Deutschland das Ziel "bei weitem verfehlen" werde. Bis 2030 sei nur mit etwa der Hälfte des geplanten Bestands zu rechnen.

Frankreich

Französische Marken haben erst spät auf die E-Technologie reagiert; jetzt geht die Umstellung aber rasch. Vor allem Renault gibt sich e-bewusst und will schon ab 2030 nur noch elektrische Autos in Europa verkaufen. Ab 2028 soll ein E-Auto in Frankreich nicht mehr teurer sein als die thermische Variante, verspricht das Unternehmen.

Anders als die deutsche setzt die französische Autoindustrie auf Klein- und Kompaktwagen. Damit ist sie gegenüber China noch stärker exponiert als die deutsche. Aus diesem Grund hat Paris beschlossen, den Absatz von E-Autos aus China nicht mehr zu subventionieren. Wegen geringerer Marktanteil in China fürchten Renault und Peugeot weniger als die deutschen Hersteller die Vergeltung Pekings. Stellantis-Chef Tavares fordert sogar Zölle auf chinesische E-Importe.

China

Chinas E-Auto-Produktion ist am Weltmarkt zur Nummer eins aufgestiegen. BYD hat weltweit den höchsten Absatz, mehr als Tesla und VW. Schätzungen zufolge wird BYD 2023 weltweit 2,5 Millionen Fahrzeuge verkaufen. Wie die Entwicklung weitergeht, ist ein Rennen gegen die Zeit und gegen die Kosten: Laut der Unternehmensberatung McKinsey dauert die Fahrzeugentwicklung in China nur halb so lang wie in Europa. Statt in vier schaffen es einige Hersteller in zwei Jahren.

Noch etwas kommt dazu: Chinas Autobauer können nicht mehr nur Masse, sie können auch Klasse. Ihre Stärke: E-Mobilität, Konnektivität. Sie seien "mittlerweile auch in puncto Innovation und Qualität mindestens auf Augenhöhe mit den Mitbewerbern aus Deutschland und den USA", urteilt Stefan Bratzel.

USA

Bisher ist der Anteil an E-Autos in den USA niedriger als in Europa und China. 2022 machten sie nur acht Prozent der Neuzulassungen aus im Vergleich zu 20 Prozent in Europa. In den vergangenen Monaten zog die Produktion kräftig an – wohl auch aufgrund der staatlichen Förderung durch den Inflation Reduction Act. Doch ob die Nachfrage im E-Segment entsprechend mitzieht, muss sich erst zeigen. (Sebastian Borger aus London, Stefan Brändle aus Paris, Regina Bruckner, Joseph Gepp, Alicia Prager, 25.9.2023)