Eingangsschild des Landesgerichts für Strafsachen Wien
Ein 63-Jähriger sitzt neuerlich wegen einer Vergewaltigung vor einem Strafgericht – er bedrohte eine 19-Jährige in seiner Wohnung mit einem Messer.
moe

Wien – "Wieso?", fragt Christoph Bauer den 63-jährigen Angeklagten Herrn Z. ganz direkt. Was der Vorsitzende des Schöffengerichts wissen will: Warum hat Z. am 22. Juni versucht, in seiner Wohnung eine 19-jährige Besucherin zu vergewaltigen, wenn er bereits drei Mal wegen dieses Deliktes vorbestraft ist und zwei Mal wegen seiner Gefährlichkeit in eine (damals so genannte) Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde, aus der er zuletzt im Jahr 2016 bedingt entlassen worden ist. Die Antwort des insgesamt achtfach Vorbestraften überrascht: "Das ist leicht erklärt. Das war ein riesengroßes Missverständnis und eine Panikreaktion."

Vorsitzender Bauer ist darob einigermaßen verwirrt. Denn bei der Polizei hatte der Österreicher noch gestanden, dass die Angaben des Opfers richtig seien. Er habe die Frau mit einem Küchenmesser bedroht, aufgefordert, sich auszuziehen, und wollte sie vergewaltigen. Nun erzählt er allerdings eine andere, ziemlich hanebüchene Geschichte. Das Missverständnis und die Panikreaktion habe darin bestanden, dass er fälschlicherweise gedacht habe, an Krebs erkrankt zu sein und bald sterben zu müssen, erklärt er im breiten Dialekt seines Heimatbundeslandes. "Und da dachten Sie, mach ich noch schnell eine Vergewaltigung?", ist Bauer fassungslos. "Nein, so auch nicht", entgegnet der Angeklagte, kann aber keine andere Interpretation liefern.

Nur Frau zum Hundesitten gesucht

Z. bestätigt jedenfalls, dass er in einer Internetjobbörse ein Inserat aufgegeben habe: Er suchte nach einer Hundesitterin und bot 25 Euro am Tag. "Warum weiblich?", interessiert Bauer. Er habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit einem älteren männlichen Tierbetreuer gemacht, erklärt der Arbeitslose. Drei Frauen meldeten sich auf die Annonce: Eine 16-Jährige, eine Verschleierte und die 19-Jährige. Die 16-Jährige sei ihm zu jung gewesen, die Verschleierte nicht sein Typ, erfährt man vom Angeklagten.

Der behauptet, er habe die Modalitäten mit der 19-Jährigen vereinbart, dann gefragt, ob sie auch andere Dienste erbringen würde. "Welche denn?", fragt Beisitzerin Alexandra Paul. "Putzen und so. Und sexuelle", lautet die Antwort. Er beteuert, die junge Frau habe gesagt, man könne darüber reden, es komme auf die Umstände und die Entlohnung an. "Ich habe dann gesagt, bis 100 Euro ist mir der Spaß wert", behauptet Z. weiter. "Ich wollte mit ihr Zärtlichkeiten austauschen, keinen Sex." Als er sie angegriffen habe, habe sie Nein gesagt, dann habe er den Oberkörper der Sitzenden nach hinten gedrückt und zu einem herumliegenden Messer gegriffen.

"Das ist aber kein Geständnis zu einer versuchten Vergewaltigung, wenn Sie sagen, Sie wollten nur Zärtlichkeiten. Das ist dann ein minderschweres Sexualdelikt", hält der Vorsitzende ihm vor. "Ich weiß nicht genau, was eine versuchte Vergewaltigung ist", versucht es der Angeklagte. "Sie haben schon drei Vorstrafen, da könnten Sie es schon wissen. Ich bin mir sicher, dass Ihnen das Tatbild bei den früheren Verhandlungen erklärt worden ist", kann Bauer sich nur mühsam beherrschen.

Vergewaltigungsserie seit 1981

Begonnen hat die Serie 1981, als Z. erstmals wegen dieses Delikts zu 20 Monaten Haft und einer Einweisung verurteilt wurde. Zwei Jahre später wurde er bedingt entlassen – und im Mai 1984 neuerlich wegen einer versuchten Vergewaltigung verurteilt und wieder eingewiesen. Diesmal wurden es fünf Jahre Haft und eine Einweisung. 1990 folgte die dritte Vergewaltigung – während eines Freigangs fiel Z. über ein Opfer her, dafür kamen sechs Jahre Haft dazu.

Ab 2014 absolvierte er eine "triebhemmende antihormonelle Therapie" mit Medikamenten, die aus Sicht der Psychiater offenbar anschlug – denn im Jahr 2016 wurde er bedingt entlassen. Während der fünfjährigen Bewährungszeit nahm er die Tabletten weiter. Sobald es keine gesetzlichen Auflagen mehr gab, setzte er sie ab. "Ich bin absolut kein Medikamenten-Typ, ich hasse Medikamente", erklärt er dazu.

Die 19-Jährige konnte sich beim Angriff im Juni durch ihre Nervenstärke und Geistesgegenwart retten: Sie gab vor, einverstanden zu sein. Als Z. die Wohnungstür versperren wollte, packte sie einen Glaskrug und schlug ihm zwei Mal damit auf den Hinterkopf, bis dieser zerbrach. Beim folgenden Gerangel erlitt sie durch das Messer leichte Verletzungen an den Händen, schließlich konnte sie ins Stiegenhaus flüchten und die Polizei alarmieren.

Als Zeugin bestreitet sie, dass je von sexuellen Handlungen die Rede gewesen sei. Im Gegenteil, sie sei zunächst völlig schockiert gewesen, als sie das Messer sah. "Sonst war er eigentlich eine sehr liebe Person, davor war alles normal", erinnert sie sich. Ihre Privatbeteiligtenvertreterin Monika Ohmann fordert pauschal 1.000 Euro Schadenersatz, die Z. grundsätzlich zu zahlen bereit ist, wenn er auch nicht weiß, womit.

Düstere Zukunftsprognose

Der psychiatrische Sachverständige Siegfried Schranz gibt eine düstere Zukunftsprognose für den Angeklagten ab. Das Rückfallsrisiko für Sexualdelikte liege bei ihm auf der achten von neun Stufen. Er sei zwar zurechnungsfähig, aufgrund seiner schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung aber so gefährlich, dass es keine Möglichkeit für eine bedingte Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum, wie die Anstaltseinweisung ja mittlerweile heißt, geben würde.

"Halten Sie sich für krank?", fragt Vorsitzender Bauer Z. daraufhin. "Nein", antwortet dieser ohne zu zögern. "Pumperlgsund?" – "Na. Aber ich hab jetzt sieben Jahre keine Übergriffe gehabt!", entgegnet der Angeklagte trotzig. "Sollen wir Ihnen dafür jetzt eine Urkunde ausstellen?" Der 63-Jährige fühlt sich generell ungerecht behandelt: "Ich bin zu wenig prominent und habe keine drei Rechtsanwälte, so wie der Herr Burgschauspieler, also steht das Urteil eh schon fest", ist er sich sicher.

Bei einem wegen seines wiederholten Rückfalls erhöhten Strafrahmen von zwei bis 15 Jahre Haft wird Z. schließlich zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt und seine neuerliche Unterbringung angeordnet. "Weil Sie sich vorher so flappsig mit anderen verglichen haben: Sie haben schon zwei Vergewaltigungen und eine versuchte begangen. Wenn ich einem Jus-Studenten erklären müsste, welche Möglichkeiten es neben der Strafhaft gibt, könnte ich einfach ihren Akt hernehmen. Bei ihnen wurde alles versucht – und alles ist gescheitert. So resignierend es auch sein muss, dem Staat bleibt nichts anderes über, als Sie wegzusperren", begründet Bauer das rechtskräftige Urteil. (Michael Möseneder, 25.9.2023)