Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Kiew.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Kiew.
PARLAMENTSDIREKTION/THOMAS TOPF

Es sind klare Worte, die Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Rahmen der österreichischen Parlamentsdelegation in Kiew findet. In seiner Rede im ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, sichert er österreichische Unterstützung zu – "so lange wie nötig".

Der Delegation gehörten auch die Parlamentarier Wolfgang Gerstl (ÖVP), Christian Oxonitsch (SPÖ), Helmut Brandstätter (Neos) und Georg Bürstmayer (Grüne) an, von der FPÖ war niemand dabei. Im Gespräch mit dem STANDARD unterstreicht er, dass die Souveränität und territoriale Integrität eines Landes unantastbar seien. "Das Ziel muss es sein, den Krieg und die Besatzung zu beenden und dass die besetzten Teile wieder zur Ukraine übergehen, auch die Krim. Das ist internationales Recht und nicht verhandelbar."

Streit zwischen Kiew und Warschau

Der Solidaritätsbesuch, zu dem Sobotka schon vor einiger Zeit eingeladen wurde, findet eine Woche nach dem diplomatischen Streit zwischen der Ukraine und einem ihrer wichtigsten westlichen Partnerländern Polen statt. "Es ist gerade jetzt wichtig, nach Kiew zu kommen, zu einem Zeitpunkt, an dem das Land nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit bekommt", erklärt er.

Auf die Frage, welche konkreten Maßnahmen Österreich in Unterstützungsfragen wie etwa beim Wiederaufbau geplant hat, antwortet der Nationalratspräsident, dass man sich eng mit der EU abstimme, über die man eine "enorme Beitragszahlung" leiste. Österreich habe bereits 152 Millionen Euro an bilateraler finanzieller und humanitärer Mittel bereitgestellt, zusätzlich komme Unterstützung von Ländern, Gemeinden sowie privaten Initiativen.

Korruptionsbekämpfung

Im Bereich der humanitären Entminung habe man bereits mit Zahlungen an die slowenische Organisation International Trust Fund (ITF) begonnen, von zwei Millionen Euro ist die Rede. "Wenn die Kriegshandlungen aufhören, ist klar, dass österreichische Kräfte auch hier zum Einsatz kommen können", sagte Sobotka, der sich im Rahmen seines Besuchs auch für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen ausspricht. Politisch sei Österreich nicht neutral, so Sobotka weiters.

"Wir sehen sehr ernsthafte Bemühungen vonseiten der Ukraine, bei der Korruptionsbekämpfung neue unabhängige Strukturen im Justizsystem umzusetzen, nur man muss immer wieder in Rechnung stellen, dass sich das Land im Krieg befindet."

Irpin und Butscha

Mit dem Rada-Vorsitzenden Ruslan Stefanchuk habe er in einem bilateralen Gespräch auch die Frage besprochen, ob und wie in der Ukraine in den nächsten Jahren Wahlen abgehalten werden könnten, da sich viele Menschen im Ausland, an der Front oder in den besetzten Gebieten befänden. Auf dem Programm der Delegation in Kiew standen neben einem Besuch in Irpin und Butscha Schauplätze russischer Massaker und Folter sowie eine Führung durch das Holodomor-Museum.

Die Parlamentarier aus Österreich hielten an einem Massengrab in Butscha eine Schweigeminute ab.
Die Parlamentarier aus Österreich hielten an einem Massengrab in Butscha eine Schweigeminute ab.
PARLAMENTSDIREKTION/THOMAS TOPF

Letzteres erinnert an die große Hungersnot der Jahre 1932/33 unter Stalin, der in der Ukraine Millionen zum Opfer fielen. Während der Deutsche Bundestag die Hungersnot im vergangenen Jahr als Völkermord anerkannte, wird sie in Österreich ein weiterhin als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eingeordnet. "Es besteht derzeit kein Anlass, das nochmal neu aufzugreifen", sagte Sobotka. (Daniela Prugger, 16.4.2023)