Feuerwerke aus dem Austria-Fanblock.
Der Fanblock von Austria Salzburg läutete die zweite Halbzeit eher explosiv ein.
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Die Dämmerung gibt dem Untersberg etwas Furchterregendes. Geht das Licht zur Neige, wächst der große Schattenwerfer in Salzburgs Süden gefühlt auf das Doppelte, bis er schließlich in die Nacht schmilzt. Pünktliche Fans sahen am Dienstagabend noch die imposante Version, ehe der Untersberg über das erste Duell von Austria Salzburg mit Red Bull Salzburg seit der RB-Übernahme der "alten" Austria 2005 wachte. Die zweite Cup-Runde ermöglichte das Match des Bundesliga-Serienmeisters gegen den Regionalliga-Tabellenführer.

Dass die einst als Untersberg-Arena berühmt oder zumindest berüchtigt gewordene MGG-Arena als Bühne für Salzburgs Stadtderby herhalten musste, war den Gastgebern freilich einigermaßen zuwider, angesichts diverser Schwierigkeiten in der eigentlichen Heimstätte in Maxglan aber die beste Alternative. Die Polizei legte aus nachvollziehbaren Gründen großen Wert auf eine saubere Trennung der Fanlager. Für viele Anhänger der Austria ist "Das Konstrukt", wie sie den Klub seit der Übernahme durch Red Bull nennen, auch 18 Jahre später noch ein rot-weißes Tuch.

Salzburg gegen Salzburg, das war kein Match wie jedes andere. Im Vorfeld hatten BBC, Schweizer Fernsehen und sogar der STANDARD berichtet, RB und der Nachfolgeverein seines Vorgängervereins sind Aufreger ohne Grenzen. An eine sportliche Sensation glaubte kaum jemand, vielmehr wurden Eskalationen abseits des Rasens befürchtet. Wie insgesamt 50 Journalisten aus aller Welt hatte der STANDARD ein bis zwei Augen auf die Tribünen. Es folgt das Protokoll eines fast normalen Fußballabends.

19.35 Uhr: 70 Minuten vor dem geplanten Anpfiff skandiert nicht nur der harte Kern des violetten Anhangs "Scheiß Red Bull". Vor dem Stadion hat ein illuminierter Härtefall schon gröbere Probleme mit der Schwerkraft. Ja, man kann auch im Sitzen umfallen. Wer spontan noch ins Stadion wollte, muss für VIP-Tickets brennen.

19.50 Uhr: Knapp eine Stunde vor dem geplanten Start meldet sich der Stadionsprecher zu Wort: Der Teambus von RB steckt wegen eines schlecht geparkten Autos in der letzten Kurve auf dem Weg zum Stadion fest. 4.000 Menschen kennen nun die (deutsche) Nummerntafel eines Einparkexperten.

19.55 Uhr: Die befreundeten Fans aus Udine werden mit Ansage und ihrer Vereinshymne begrüßt. Die Tribünen sind ein Sammelsurium aus alten und sehr alten Austria-Trikots.

20.12 Uhr: Der Block singt "Wer nicht hüpft, der ist ein Bulle". Die zahlreich anwesende Polizei bleibt pflichtbewusst stehen.

20.23 Uhr: Der Anstoß wird wegen der verspäteten Ankunft des RBS-Busses um 30 Minuten verschoben. Die einen jammern über einen späteren Feierabend, die anderen freuen sich: ein Bier mehr bis zum Heimfahren.

Der Salzburg-Bus fährt auf das Stadion zu.
Ankunft im Feindesland.
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20.30 Uhr: Die Austria-Kicker kommen zum Aufwärmen, ein erster einsamer Bengalo brennt rot. Die Fans machen mit großteils feindseligen Gesängen durchaus Lärm, die Musik aus den unerträglich lauten Lautsprechern übertönt sie. Das ändert sich Minuten später, als die RB-Kicker mit einem Pfeifkonzert empfangen werden.

20.40 Uhr: Das nächste Auto mit deutschem Kennzeichen wird ausgerufen: "Es steht ein bissi im Weg." Liebe Nachbarn, was ist da los?

20.43 Uhr: Bürgermeister und Landeshauptmann sind da, das findet auf den Rängen nicht jeder super. Der Austria-Platzsprecher grillt Bürgermeister Preuner betreffend der Stadionproblematik und betont, dass das Interesse für 15.000 bis 20.000 Karten gereicht hätte. Landeshauptmann Haslauer will sich nicht festlegen, ob heute der Champions-League-Teilnehmer oder der Regionalligist gewinnt: "Ganz schwierig."

20.48 Uhr: Der Fanblock spricht Italienisch. "Insieme contro il calcio moderno! Grazie Udine", steht auf einem großen Spruchband.

21.04 Uhr: Das dürfte das erste Mal sein, dass der England-Klassiker "It's Coming Home" in Grödig gespielt wird.

21.06 Uhr: "Der Tag, an dem wir auf unsere unschöne Vergangenheit treffen", sagt der Stadionsprecher und spricht von mehreren Klubs, die mit "Klonen" zwangsbeglückt worden seien. Heute gehe es gegen "Patient Zero". Man darf annehmen, dass der Herr in seiner Freizeit nicht zu RB-Matches geht. "Die großen Schlachten auf dem Feld werden nicht mit Geld, sondern mit Herzblut geschlagen", peitscht er die Fans ein. Selbige bekommen die Vereinshymne wegen ihrer eigenen Gesänge erst nicht mit, der Sprecher muss ermahnen.

21.13 Uhr: Die Austria-Fans ziehen ihre Choreo auf: Ein violetter Mozart legt einem Bullen mit der Geige eine auf, darunter der Text: "In Salzburg spielen wir die 1. Geige".

Die Austria-Choreografie.
Mozarts verschollenes sechstes Violinkonzert, interpretiert vom Austria-Fanblock.
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21.15 Uhr: Endlich Anstoß.

21.22 Uhr: Null zu eins. Mit schmerzhafter Beharrlichkeit erstattet der lautstarke Teil der Fans den Gegenübern Bericht über die angebliche Berufswahl ihrer Mütter.

21.40 Uhr: Pyro-Rauch wabert durch das Stadion. Er kommt, Überraschung, aus dem Gästeblock.

21.42 Uhr: Hinter der Gästetribüne zerreißt es einen Böller, den man eher nicht im Hobby-Feuerwerksladen bekommt.

22.08 Uhr: In der Pause bedankt man sich bei Grödigs Bürgermeister für die Gastfreundschaft. Connaisseure der Bundesliga der 2010er-Jahre wird womöglich überraschen, dass es sich hierbei nicht um Grödig-Macher Christian Haas handelt.

22.15 Uhr: Zum Wiederanpfiff zünden die Austria-Fans die Art Feuerwerk, die Sturms Fans im Cupfinale populär gemacht haben. Es gibt eine kleinere Verzögerung. Im Vorfeld hatten die Anhänger mit dem Verein abgesprochen, etwaige Pyro-Geldstrafen selbst zu bezahlen.

22.24 Uhr: Einige Momente lang sind die Gästefans lauter als die der Gastgeber.

22.32 Uhr: RBS-Goalie Alexander Schlager schnappt Yannic Fötschl in höchster Not den Ball weg. Ein Ausgleich wäre auditiv spannend gewesen.

22.38 Uhr: Null zu zwei, der Kas ist nun auch aus Sicht der optimistischsten Austria-Fans 'zwickt. Zwei weitere Goals folgen.

23 Uhr irgendwas, jedenfalls viel zu spät: Abpfiff. Hinter dem vom Spielfeld nur durch eine Mauer und einen Weg getrennten Maisfeld steigt ein Feuerwerk auf.

15 Minuten nach 23 Uhr irgendwas: Die Austria-Fans feiern ihr Team immer noch. Es scheint, als habe man die Partie ohne nennenswerte Zwischenfälle abseits der Pyrotechnik und der tieffliegenden Gesänge über die Bühne gebracht. (Martin Schauhuber, 27.9.2023)

RB-Kicker jubeln mit Derbysieger-Spruchband.
Fans und Kicker von RB wussten den Sieg durchaus ernsthaft zu feiern, länger blieben trotzdem die Violetten.
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