Wikipedia kennt und benutzt gefühlt fast jede und jeder. Doch wer steht hinter der Online-Enzyklopädie, wie entstehen die Artikel, und könnte das nicht auch eine KI? Über das und mehr sprach die APA mit Ulrike Zeller, Obfrau von Wikimedia Österreich, anlässlich der Wikicon, des jährlichen Treffens der deutschsprachigen Communitys der Wikimedia-Projekte, von Freitag bis Sonntag in Linz.

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Wikipedia ist ein riesiges Projekt
APA/AFP/LIONEL BONAVENTURE

Am bekanntesten ist sicher die 2001 gegründete Wikipedia, doch es gibt unter anderem auch Wikimedia Commons für Bilder, Ton und Video und Wikidata als zentralen Speicher für die Wikimedia-Projekte. Wikimedia besteht aus verschiedenen regionalen Unterstützungsvereinen. Der Verein in Österreich hat circa 200 Mitglieder, so Zeller. Die Rechtsanwältin ist seit 2017 bei Wikimedia und kommt "mehr aus der Expertenschiene". Bekannte hätten sie gefragt, und "ich bin froh, dass ich so einen Beitrag leisten kann", gesteht die 38-Jährige, dass sie noch nie einen Artikel geschrieben hat. Das machen rund 570 bis 575 Freiwillige in der deutschsprachigen Wikipedia und rund 40.000 in der englischsprachigen, wobei hier rund 160 aus Österreich dabei sind. "Weil keine Klarnamenpflicht besteht, ist die Zuordnung aber schwierig."

Motivation

"Die Grundmotivation ist, Wissen für alle zugänglich zu machen", erklärt Zeller. Wikipedia sei "basisdemokratisch und reguliert sich selbst", bzw. die Community schafft ihr eigenes Regelwerk. Fürs Erstellen der Inhalte werde niemand bezahlt, wobei es aber z. B. die Möglichkeit von Reisekostenunterstützung gebe, etwa wenn man ein besonderes Kulturgut bebildern möchte, wie zuletzt in Bad Leonfelden das Thema Blaudruck.

Und wer schreibt nun die Artikel? "Wir haben viele Geologinnen und Geologen", schmunzelt Zeller, "aber auch andere Naturwissenschafter, Leute aus der Kunstwissenschaft und Maschinenbauer. Soweit wir das Alter wissen, dürfte grob die Hälfte 50 plus sein und eher männlich." Hardcore-Schreiber, rund 70 Leute, "kommen auf 100 Bearbeitungen im Monat", so Zeller, das können eigene Artikel, aber auch das Redigieren eines fremden sein.

Erstellte Beiträge werden von anderen Mitwirkenden gesichtet und bei Bedarf unmittelbar ergänzt, oder es werden auf Diskussionsseiten Verbesserungs- oder Löschwünsche deponiert. Administratoren – von allen Benutzern gewählt – haben zusätzliche technische Rechte, um etwa Löschanträge entsprechend den Diskussionsergebnissen umzusetzen. Die Artikel müssen objektiv sein. "Was nicht relevant und unvollständig ist, wird gelöscht." Grundsätzlich müsse jeder Beitrag, sofern vorhanden, wissenschaftliche Quellen haben, die Anforderungen seien hoch.

Ideen

Die Aussage von Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales beim Ars Electronica Festival in Linz, dass man künstliche Intelligenz etwa einsetzen könne, um einander widersprechende Artikel zu suchen, findet Zeller "einen interessanten Ansatz". "KI wird zukünftig Thema sein. Es gibt betreffend KI noch keine Vorgabe, ob der Text von einer natürlichen Person sein muss", sagt die gebürtige Linzerin. Sehr wohl gebe es die Regel, dass Bots nicht ohne Erlaubnis eingesetzt werden dürfen, "etwa um wiederkehrende Rechtschreibfehler auszubessern, nicht für Inhaltliches".

Es gebe noch keine Kriterien, wie mit KI umzugehen sei, jedoch eine Diskussion darüber unter den Mitwirkenden auf vielen Ebenen. Einzelne Vereine wie Wikimedia Deutschland hätten sich mit der Materie schon intensiver beschäftigt, und "manche Admins wünschen sich z. B. eine Kennzeichnung, welche Texte von einer KI sind". "Wir schielen auf die Wikimedia Foundation als eine Art Moderatorin der weltweiten Diskussionen, denn eine einheitliche Strategie wäre sinnvoll." Dem Thema wird auch bei der Wikicon Raum gegeben, etwa in der Diskussion "2045 – Wie Wikipedia in Zeiten von KI überleben kann".

Generell geht es bei der Wikicon darum, "dass sich Menschen treffen und verschiedene Projekte mitbringen, aber auch um strategische Fragen". Die Beiträge reichen von "aktuelles Urheberrecht" bis "Immer wieder die Habsburger", daneben gibt es Treffen von Gruppen und am Samstag auch ein öffentliches Programm. Rund 250 Leute waren rund eine Woche vor der Veranstaltung angemeldet, das sei "gut besucht", kommentiert Zeller die erste Wikicon in Österreich seit über zehn Jahren – obendrein wird der 15. Geburtstag von Wikimedia Österreich gefeiert. (APA, 27.9.2023)