Es schaut alles ganz friedlich aus: Kinder und Erwachsene stehen, Hand in Hand, auf einer sonnigen Wiese. Später brennt ein großes Feuer, es wird auch getanzt. Zu sehen ist dies auf einem Youtube-Video. Man hört auch ein "nordisches Kampflied". In diesem heißt es: "Das Erdenreich zu gestalten, im nordischen Glauben zu walten – sind wir in die Zeit gesandt." Denn es gilt: "Lebensschutz, insbesondere unserer Art."

Innenministerin Nancy Faeser blickt in die Kamera.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die "Artgemeinschaft" verboten.
REUTERS/FABRIZIO BENSCH

Wer mehr erfahren möchte, wird dann auf die Website der "Artgemeinschaft" verwiesen. Da gebe es weitere Informationen; etwa, dass die "gleichgeartete Gattenwahl" wichtig sei. Denn nur so können "gleichgeartete Kinder" entstehen – nämlich solche, die "unserer Menschenart als höchstem Lebensziel" entsprechen. Eine Ehe zwischen "Menschen nordischer Rasse" und Menschen anderer Herkunft hingegen führe zur "Rassenschande".

So lauten die Regeln bei der "Artgemeinschaft", einer nach Eigendefinition "germanischen Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung", eingetragen in Deutschland als eigener Verein.

"Kampfverband für artgemäße Lebensführung"

Doch seit Mittwoch ist die Website nicht mehr abrufbar, denn die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die rechtsextremistische, rassistische und antisemitische Vereinigung verbieten lassen – inklusive der Teilorganisationen "Gefährtschaften", "Gilden", "Freundeskreise" und das "Familienwerk e. V.". Es gab zudem Razzien in zwölf der 16 deutschen Bundesländer, auch in Bayern bei der Vorsitzenden und der Schatzmeisterin des Vereins.

Viele Deutsche haben vermutlich am Mittwoch zum ersten Mal von dieser Germanen-Gruppe gehört, die lieber im Verborgenen wirkt. Dabei ist sie eine der ältesten rechtsextremistischen Vereinigungen in Deutschland. Gegründet wurde sie im Jahr 1951 vom Lehrer Wilhelm Kusserow.

Von 1989 bis zu dessen Tod 2009 war der Rechtsanwalt und NPD-Politiker Jürgen Rieger der Kopf der Germanen-Sekte, die zuletzt etwa 150 Mitglieder hatte. Er hatte einmal erklärt: "Die Artgemeinschaft ist kein 'Schönwetterverein'. Die Artgemeinschaft ist gezwungen worden, ein Kampfverband zu sein, der um die Möglichkeiten einer artgemäßen Lebensführung kämpfen muss."

Heute sagt Faeser: "Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen." Die Ministerin hat den Schlag gegen die "Germanen" seit einem Jahr vorbereiten lassen. Im Visier der deutschen Sicherheitsbehörden waren sie schon lange.

"Führerprinzip" und "Volksgemeinschaft"

So heißt es im Hamburger Verfassungsschutz-Bericht aus dem Jahr 2006: „Im Unterschied zu anderen neuheidnischen Gruppen, die lediglich eine Renaissance der germanischen Mythologie anstreben, geht es der Artgemeinschaft auch um die Rekonstruktion einer nach dem Führerprinzip aufgebauten Volksgemeinschaft.“

Im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2021 ist zu lesen: "Mit ihren Veranstaltungen bietet die 'Artgemeinschaft' Neonazis den nötigen Rahmen, um Familien und Kinder an die Szene zu binden und rassistische Überzeugungen weiterzugeben." Szenekenner sehen die Vereinigung als Bindeglied zwischen diversen rechtsextremistischen Bewegungen in Deutschland.

Laut Informationen von WDR und NDR tauchte der Name des Neonazis Stephan E. auf einer Mitgliederliste auf. Er hatte 2019 den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wegen dessen Engagements für Geflüchtete erschossen. Auch der Name des NSU-Unterstützers André E. findet sich auf einer Teilnehmerliste der "Artgemeinschaft" zur Sonnenwendfeier. Die Sonnenwende wird von den Artgenossen in größerem Stil gefeiert. So kamen zu Treffen in Thüringen an die 300 Leute.

Das Verbot begründete Faeser auch mit diesen Worten: "Die 'Artgemeinschaft' richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und insbesondere aufgrund antisemitischer Inhalte auch gegen den Gedanken der Völkerverständigung." Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen "Art", welche mit dem nationalsozialistischen Terminus der "Rasse" gleichzusetzen sei.

Mit dem Verbot ist das Jahr 3823 nach Stonehenge also ein schlechtes für die völkische Sekte. Diese lehnt nämlich die christliche Zeitrechnung ab, sondern orientiert sich an der "endgültigen Ausbaustufe von Stonehenge". (Birgit Baumann aus Berlin, 27.9.2023)