Adam Kadyrow, Sohn von Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow, auf einem Archivbild vom vergangenen Oktober.
Adam Kadyrow, hier auf einem Archivbild vom vergangenen Oktober, sorgt mit Brutalität in einem Video für Aufsehen.
IMAGO/ITAR-TASS

Dass ein Jugendlicher einen anderen Menschen brutal verprügelt, das ist leider nichts Ungewöhnliches. Dass aber dessen Vater, Ramsan Kadyrow, der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, ein Video, das den Sohn bei einem solchen Gewaltakt zeigt, voller Stolz ins Netz stellt, das ist bemerkenswert.

Auf dem Video ist zu sehen, wie der 15-jährige Adam Kadyrow in einem Untersuchungsgefängnis brutal auf sein wehrloses Opfer einschlägt. Es ist ein 19-jähriger Mann, der im Mai wegen einer öffentlichen Koran-Verbrennung in Wolgograd festgenommen und später nach Tschetschenien verlegt worden war. Er sei stolz auf seinen Sohn, kommentierte Kadyrow das Video. "Er hat geschlagen und das Richtige getan. Solche Provokateure und Verräter sind ein kranker Tumor am Körper, der ausgebrannt werden muss", so der Tschetschenenführer weiter.

Regiert mit eiserner Hand

Ramsan Kadyrow ist für seinen autoritären Führungsstil im muslimisch geprägten Tschetschenien bekannt. Er folgte seinem 2004 ermordeten Vater Achmat nach. Mitte der 1990er-Jahre kämpften Vater und Sohn Kadyrow noch im Ersten Tschetschenienkrieg gegen Russland. Im Zweiten Tschetschenienkrieg wechselten sie die Seiten, zu dieser Zeit begann auch der Aufstieg Ramsans. Er regiert die Teilrepublik mit eiserner Hand, vorgeworfen werden ihm Folter, Entführungen und Morde.

Sohn Adam scheint in seine Fußstapfen zu treten. Seit seiner Kindheit betreibt er Kampfsport. Als 2016 in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny ein Mixed-Martial-Arts-Turnier stattfand, traten dabei auch Kadyrows Söhne auf, berichtet das Online-Medium "Meduza": der zehnjährige Achmet, der neunjährige Selimchan und der damals achtjährige Adam. Das Turnier wurde ihm Fernsehen übertragen. Unnötig zu sagen, dass die Kadyrow-Kinder ihre Kämpfe gewannen.

Verbrechen mit Videobeweis

In Russland schlägt das brutale Video hohe Wellen. Tatjana Moskalkowa, die Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, meint, eine Koran-Verbrennung sei zwar eine "sozial gefährliche Handlung, die die religiösen Gefühle von Millionen Gläubigen" verletze, trotzdem dürfe nur ein Gericht den Mann bestrafen. Der Chefredakteur der Zeitung "Nowaja Gaseta Europe", Kirill Martynow, appellierte an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses der Russischen Föderation, Alexander Bastrykin, und den Generalstaatsanwalt Igor Krasnow. Kadyrow müsse in Haft genommen werden, wegen seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Nach Einschätzung vieler, auch russischer Fachjuristen würden in dem Video mindestens neun russische Gesetze gebrochen, auch werde gegen die russische Verfassung und die internationale Konvention gegen Folter verstoßen.

In Tschetschenien selbst gab es keine Kritik an dem Video. So bezeichnete Kadyrows Cousin Adam Delimchanow, Abgeordneter im russischen Parlament, die Misshandlungen als "ein würdiges Beispiel für Gleichaltrige". Jewa Merkatschowa vom Bürgerrechtsrat des russischen Präsidenten hingegen sprach von einem "Videobeweis für ein Verbrechen" und forderte die Einleitung von Ermittlungen und die Verlegung des Prügelopfers aus tschetschenischer U-Haft. Derzeit ist der Häftling allerdings laut der russischen Zeitung "Kommersant" ohne Rechtsbeistand. Sein Anwalt habe das Mandat niedergelegt.

Der Kreml hält sich aus dem Streit um das Video heraus. Zu sehr braucht man wohl Ramsan Kadyrow als Statthalter in Grosny. Zudem kämpfen dessen Achmat-Soldaten in der Ukraine. "Ich werde die Geschichte mit Kadyrows Sohn nicht kommentieren", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber Reportern. Auf die Frage, warum er sich zu diesem Thema nicht äußern wolle, antwortete er: "Das möchte ich nicht." (Jo Angerer aus Moskau, 28.9.2023)