Dackel schläft in einem Bett für Menschen
Wer gut schlafen will, braucht etwas Disziplin – damit kann man diese Fähigkeit (wieder) erlernen. Verhaltensänderung und abendliche Rituale sind der Schlüssel für den nächtlichen Putztrupp.
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Es ist ein herrliches Gefühl: Nach einem langen Tag legt man sich abends ins Bett, deckt sich zu, wird langsam ruhiger und gleitet irgendwann entspannt in den Schlaf hinüber. Der ist tief und fest, vielleicht träumt man, und am nächsten Tag wacht man erholt und voller Energie auf. Etwa ein Drittel unseres Lebens sollten wir in diesem regenerativen Zustand verbringen. Sollten. Denn leider sieht die nächtliche Ruhe bei vielen Menschen ganz anders aus. Bei den meisten ist sie viel zu kurz. Dazu ist sie oft nicht erholsam, viele tun sich schwer einzuschlafen oder haben längere Wachphasen zwischendurch.

Der Schlaf ist dabei nicht einfach das Gegenteil von Wachsein. "Das ist ein höchst komplexer, in sich organisierter Zustand des Gehirns, in dem Botenstoffe ausgeschüttet werden und biochemische Prozesse ablaufen", betont Birgit Högl. Die Professorin für Neurologie und Schlafmedizin an der Med-Uni Innsbruck hat soeben das Buch Besser schlafen publiziert.

Guter Schlaf, weiß sie, ist einer der wichtigsten Faktoren für ein langes und und vor allem gesundes Leben. Im Wachzustand häufen sich nämlich Schadstoffe wie fehlgefaltete Eiweiße im Gehirn an. Und genau die gelten als Auslöser zahlreicher neurodegenerativer Erkrankungen, vor allem aller Arten von Demenz. Bei tiefer und erholsamer Ruhe läuft im Gehirn dann ein nächtlicher Reinigungsprozess ab.

Reinigung des Gehirns

"Im Tiefschlaf kommt es zu einer Art Verkleinerung bestimmter Gehirnzellen, die Zwischenzellflüssigkeit kann dann besser fließen. Man spricht hier vom glymphatischen System. Dadurch werden diese toxisch wirkenden Eiweiße ausgespült", erklärt die Schlafforscherin. Erholsame und ausreichende Nachtruhe sollte dabei regelmäßig passieren. Denn schon nach einer Nacht mit zu wenig oder schlechtem Schlaf finden sich mehr dieser Aggregate im Gehirn. Und sie bilden sozusagen einen Rückstau. "In bildgebenden Verfahren konnte man feststellen, dass bereits nach nur einer Nacht mit zu wenig Schlaf eine größere Menge an Rückständen im Gehirn war, als bei Menschen, die ausreichend und gut geschlafen hatten. Und auch wenn die untersuchten Personen in der Folgenacht tief und erholsam geschlafen haben, hat sich dieser Rückstau nicht völlig aufgelöst." Das ist kein Drama, wenn das ab und zu passiert. Schläft man aber über längere Zeit zu wenig, kann sich das auf das spätere Demenzrisiko auswirken.

Aber nicht nur langfristig, auch für unmittelbare Gesundheit und Wohlbefinden ist die nächtliche Erholung enorm wichtig. Das Immunsystem interagiert etwa damit. Viele kennen das aus eigener Erfahrung, schläft man zu wenig, arbeitet es nicht so umfassend, Viruserkrankungen können sich leichter festsetzen. Es kann die Wirksamkeit von Impfungen beeinträchtigen. Und durch zu wenig Schlaf spürt man Schmerzen stärker. "Wenn man zum Beispiel zum Zahnarzt geht und weiß, da kommt was Größeres auf einen zu, sollte man davor ausreichend schlafen", empfiehlt Högl.

Umgekehrt sind ausgeschlafene Menschen kreativer, hilfsbereiter und treffen bessere Entscheidungen. Auch die sprachliche Ausdrucksfähigkeit und der Sprachfluss sind besser. Das sind nicht nur gefühlte Wahrheiten, die man an sich selbst beobachten kann, all das wurde auch in wissenschaftlichen Studien bestätigt.

Hungertreiber Schlafmangel

Ganz massiv wirkt sich Schlafmangel auf das Essverhalten aus – und damit langfristig natürlich auf das Gewicht. Zwischen 300 und 1.000 Kalorien mehr isst man an einem Tag, an dem man übermüdet ist. Warum, das ist noch nicht ganz klar, verschiedene Mechanismen dürften dazu beitragen. Ein Grund könnte die veränderte Hormonausschüttung durch zu wenig Schlaf sein. "Das Hormon Leptin, das im Fettgewebe gebildet wird, meldet dem Gehirn, wie groß die Körperfettmenge ist und vermittelt ein Sättigungsgefühl, wenn viel davon da ist. Sein Gegenspieler Ghrelin wird im Magen ausgeschüttet und löst ein Hungergefühl aus", erklärt Högl. Nach Schlafentzug verändert sich das Verhältnis von Leptin und Ghrelin, man ist dadurch hungriger.

Ein weiterer Faktor könnte sein, dass die Glukosetoleranz gestört ist. Das führt womöglich dazu, dass der Glukosespiegel zuerst stark ansteigt, dann rasch abfällt, was wiederum zu Heißhunger führen kann. Und schließlich gibt es noch den Botenstoff Orexin, man nennt ihn auch das "Weckhormon". Er ist an der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus und des Hungergefühls beteiligt. Kurz gesagt macht er wacher und hungriger. Erst wenn man gegessen hat, lässt das Orexin nach. "In der Jäger- und Sammlerzeit war es wahrscheinlich überlebensnotwendig, dass man erst einschlief, wenn man gegessen hatte. Sonst wäre man nach dem Schlaf womöglich zu schwach gewesen, um zu jagen." Und auch heute noch dürfte das wohl mit ein Grund sein, warum viele Menschen hungrig nicht einschlafen können – auch wenn der Verstand ganz genau weiß, dass am nächsten Morgen genug Essen da ist, das man nicht erst mit großem Aufwand jagen oder sammeln muss.

Schlafmittel keine Lösung

Schlafmittel sind übrigens keine Lösung für all diese Probleme – und vor allem keine Demenzprophylaxe. Denn die gängigen wie Z-Substanzen oder Benzodiazepine bekämpfen zwar die Symptome, man schläft dann tatsächlich. Aber die Ursache der Schlafprobleme wird nicht behoben. Und damit entsteht auch kein erholsamer Tiefschlaf, in dem das Gehirn die nötigen Reinigungsarbeiten durchführen kann.

Högl verdammt dabei Schlafmittel nicht grundsätzlich. Denn es gibt Krisensituationen wie einen akuten Verlust oder starke Umwälzungen, durch die der Schlaf über einen gewissen Zeitraum gestört ist. "Dann kann es durchaus sinnvoll sein, über wenige Tage oder Wochen ein Medikament einzunehmen, damit die Schlafstörung nicht chronifiziert." Aber schläft man chronisch schlecht, ohne eine akute Krisensituation, dann sind viele der klassischen Schlafmedikamente mit Vorsicht zu betrachten. Einerseits weil sie abhängig machen können, vor allem die Benzodiazepine, und andererseits, weil sie eben keinen erholsamen Tiefschlaf anregen. Und die Schlafprobleme sind oft wieder da, sobald man das Mittel absetzt.

Weil aber so viele Menschen schlecht schlafen, hat sich mittlerweile ein ganzer Wirtschaftszweig um das Problem entwickelt. Diverse Hilfsmitteln wie Melatonintropfen, die angeblich perfekte Matratze oder Schlaftracker sollen den Schlaf verbessern. Högl betrachtet sie alle mäßig enthusiastisch: "Wenn etwas wirklich und durchschlagend allen helfen würde, dann gäbe es weltweit keine Schlaflosigkeit mehr, alle würden wunderbar schlummern." Dabei will sie nichts in Bausch und Boden verdammen. Man könne natürlich ausprobieren, ob einem etwas davon hilft. "Aber es tut mir leid, wenn Menschen Geld dafür ausgeben, das sie eigentlich für eine neue Waschmaschine bräuchten, und es hilft dann gar nicht."

Schlafen wieder lernen

Insgesamt ist gute Nachtruhe eine Gewohnheitssache. "Das Gehirn kann lernen, schlecht zu schlafen. Aber es kann auch lernen, wieder gut zu schlafen", betont Högl. Hauptsächlich schlechte Gewohnheiten sind schuld an chronisch schlechtem Schlaf. Unsere Welt ist nämlich nicht ideal für all jene, die sich manchmal schwer tun, ins Traumland zu gelangen. Zu viel Stress hält die Cortisollevel hoch, viel Zeit vor dem Bildschirm, besonders abends, bremst die Melatoninproduktion, also von jenem Hormon, das uns einschlafen lässt. Und oft ignorieren wir auch die Signale des Körpers. Übergeht man das abendliche Müdigkeitssignal des Körpers, weil man noch etwas aufräumt, vorbereitet oder auch einfach die Serie fertig schauen will, dauert es oft 90 Minuten oder länger, bis sich das nächste so genannte Schlaffenster auftut – und so entsteht sehr schnell ein Schlafdefizit, das sich im Grunde nicht mehr aufholen lässt.

Dagegen hilft nur konsequente Verhaltensänderung – und dazu brauch es etwas Disziplin. Am Abend sollte man bewusst zur Ruhe kommen, Bildschirmzeit reduzieren und vor allem keine aufregenden Serien oder Spiele mehr konsumieren. Das Smartphone sollte man gar nicht erst mit ins Schlafzimmer nehmen. Und auch intensiver Sport am Abend ist nicht gut für Menschen mit Schlafproblemen, da er für die innere Uhr ein Wachsignal ist.

Abendliche Rituale

Um das Stresslevel zu senken, bieten sich auch abendliche Rituale an, ähnlich wie wenn man Kindern noch eine Geschichte vorliest. Das kann ein entspannendes Buch sein, eine Tasse Tee, eine kurze Meditation oder auch ein warmes Fußbad. Högl empfielt auch gerne eine halbe Tasse warme Milch mit Honig. Darin ist L-Tryptopahn enthalten, eine essenzielle Aminosäure, die unter anderem die Melatoninproduktion ankurbelt und sich auf den Orexin-Haushalt auswirkt. Außerdem sollte man darauf achten, dass das Schlafzimmer wirklich gut gegen Lichtquellen und unerwünschten Lärmquellen abgeschirmt ist. All das signalisiert dem System, dass jetzt die Zeit der Nachtruhe kommt.

Und noch einen wichtigen Hinweis hat Högl: "Hat man in der vorangegangenen Nacht schlecht geruht, ist der Schlafdruck dann untertags oft groß. Trotzdem sollte man sich aber möglichst nicht hinlegen oder zumindest nur ganz kurz." Denn gerade für schlechte Schläfer ist sonst die nächste schwierige Nacht beinahe schon vorprogrammiert. Und weil es wirklich nicht einfach ist, all das alleine zu schaffen, wird mittlerweile von sehr vielen Stellen eine nichtmedikamentöse kognitive Verhaltenstherapie angeboten. Außerdem gibt es medizinisch anerkannte Apps nach diesem Programm, die man zu Hause einsetzen kann.

Schlafprobleme sind definitiv ein komplexes Thema, für das es leider keine einfache Lösung gibt. Am nachhaltigsten hilft es in Högls Erfahrung, unaufgeregt, aber ehrlich die Situation zu analysieren und so hoffentlich herauszufinden, was die Ursache ist. "In so einem persönlichen Gespräch, womöglich unterstützt von Daten aus dem Schlaflabor, kann man auch eine individuell zugeschnittene Lösung finden, die genau für diese Person passt." (Pia Kruckenhauser, 10.10.2023)