Stjepan Stazic wechselte 1997 als 19-Jähriger zum italienischen Meister und Europacup-Dominator Benetton Treviso. Ein Meilenstein für Österreichs Basketball.
Diener

Es war der 6. Juni 2001. In einem EM-Qualifikationsspiel in Rabat gegen Malta verzog Nationalteamspieler Stjepan Stazic nach einem Lay-up schmerzverzerrt das Gesicht. Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie. Ohne Fremdeinwirkung. Drei Monate später hätte Stazic zum Trainingslager bei den New York Knicks fliegen sollen. Er hätte der erste österreichische Basketballer in der NBA werden können, damals war Jakob Pöltl gerade einmal fünf Jahre alt. Trainer der Knicks war Jeff van Gundy.

Der heute hochgelobte TV-Analyst war an Stazic interessiert, lud ihn bereits vor dem Sommer zu einem Trainingscamp ein. Stazic reiste als 20-Jähriger nach White Plains nördlich von New York City, dort war damals das Trainingsgelände der Knicks, spielte mit Superstars wie Latrell Sprewell oder Allen Houston. Auch Patrick Ewing war vor Ort, die Center-Legende hatte aber eine Handverletzung. "Ich bin mir in meinem Leben oft selbst im Weg gestanden. Aber ich wünsche mir nicht, dass es anders gelaufen wäre. Ich bin glücklich mit meinem Leben. Ich weiß nur, dass mir kaum jemand meine Erfolge zugetraut oder später gegönnt hat."

Für seine Kritiker war er ein sturer Egozentriker, für seine Anhänger der beste Werfer, der je in Österreich einen Ball angegriffen hat. Der schillerndste Basketballer war Stjepan Stazic jedenfalls. Und der talentierteste auch.

Schauplatz Café Mozart in der Wiener Innenstadt. Der 45-jährige Stazic sitzt in einer schwarzen Lederjacke im Schanigarten, das Haar grau meliert, Statur nach wie vor mächtig mit 1,98 Meter Körpergröße. Er hat viele Termine dieser Tage, rennt um jeden Sponsoreneuro, ist am Klinkenputzen für seinen Verein BC Vienna, der vor zwei Jahren noch Meister, in der vergangenen Saison Vizemeister wurde. Die große Basketballwelt ist das nicht mehr. Nicht mehr so wie damals, als Stazic als 19-Jähriger zu Benetton Treviso nach Italien gewechselt war, einem der besten Teams Europas, das in der Euro League aufgeigte, dem Pendant zur Champions League im Fußball. Im Jahr 2000 gewann er mit Limoges die französische Meisterschaft, den Pokal und den Korac-Cup, den Uefa-Cup des Basketballs.

Kämpft immer noch gerne gegen Windmühlen, genießt aber auch das Leben in Wien und ist öfter im Café Mozart gegenüber der Albertina anzutreffen: Stjepan Stazic.
Florian Vetter

"Es gab damals keine Blaupause, wie man eine Profikarriere im Basketball aus Österreich heraus startet. Wir hatten kein Scouting übers Internet. Heute weiß jedes Kind, dass es am besten ist, über ein Uni-Stipendium in den USA auf sich aufmerksam zu machen." Jakob Pöltl ist das Vorbild, der Wiener konnte bereits als junger College-Spieler in Utah mit Reife überzeugen.

2010 hat Stazic mit seinem Bruder Petar, Wiener mit serbischen (Mutter) wie kroatischen Wurzeln (Vater), den BC Vienna übernommen. Zuvor war Basketball in Wien in der Versenkung verschwunden, der letzte Titel lag zwei Jahrzehnte zurück. Der Aufstieg begann 2011 am SPÖ-Kanzlerfest in Altmannsdorf, wo sich die Stazic-Brüder den serbischen Millionär Philip Zepter als Sponsor angelten. 2013 wurde der Meistertitel gefeiert, zwei Jahre später folgte der Einstieg von Immobilieninvestor Klemens Hallmann, der mittlerweile aber nur mehr die Halle und den Nachwuchs mitfinanziert.

In Wien sind schon andere Bundesligisten aus Randsportarten untergegangen. Man schlage nach beim Volleyball oder zuletzt bei den Handballern von Westwien, die als Meister nach der vergangenen Saison aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben haben. Stazic ist mit dem BC Vienna gekommen, um zu bleiben, auch wenn die finanzielle Situation nicht einfacher geworden ist. Nach dem Absprung von Geldgeber GGMT, einem Goldtrader, sucht man einen neuen Hauptsponsor. Favorit ist in der neuen Saison nicht mehr Wien, sondern Meister und Pokalsieger Gmunden.

"Schon als junger Spieler war ich große Hürden gewohnt", sagt Stazic. Mit 17 Jahren die erste Profistation in Wels: Stazic bekam wenige Einsatzminuten, war ein Greenhorn, spielte für 3.000 Schilling Taschengeld im Monat. "Nach 20 Uhr wurden in Wels die Gehsteige hochgeklappt, da fuhr auch kein Bus mehr. Ich bin oft nach dem Training 40 Minuten zu Fuß zum Gasthaus Kaiserkrone am Bahnhof gegangen, damit ich noch was zum Essen bekomme." Seinen Kindern zeigte Stazic später den Weg mit dem Auto. "Damit sie sehen, dass früher vieles nicht besser war als heute und wie gut es ihnen geht."

Der erste Titel für Wien nach 21 Jahren Durststrecke – mit Stazic als Kapitän.
HERBERT PFARRHOFER / APA / pictu

Stazic hat zwei Söhne und eine Tochter (19, 15 und 11), der jüngere Sohn Aron spielt im Nachwuchs des BC Vienna. Sport hat in der Familie Tradition. Onkel Branko Strbac holte 1984 Gold im Handball mit Jugoslawien bei den Olympischen Spielen in Los Angeles. Mit neun Jahren fing Stjepan Stazic bei Lokomotiva Zagreb an, bald darauf folgte der Wechsel zum Traditionsklub Cibona und mit 13 Jahren die Flucht vor dem Jugoslawienkrieg.

Der Beginn in Wien war schwer, eine andere Kultur, viele unterschiedliche Nationalitäten in seiner Schule in der Viktor-Christ-Gasse in Margareten, "ich wollte nur wieder nach Hause". Über Basketball und WAT Wieden fand Stazic Anschluss, heute nennt er Wien seine Heimat. Auf den Freiplätzen hat er sein Spiel perfektioniert. "Im fünften Bezirk erinnern sich manche Leute noch an meinen Vater und mich, als wir im Winter Schnee schaufelten, um die Körbe am Margaretengürtel frei zu machen."

Es war die Zeit des Basketball-Booms in den 1990er-Jahren, das US-Dream-Team holt 1992 Olympia-Gold in Barcelona. In Wien eröffnete das erste Fachgeschäft in der Margaretenstraße, Otto Heissenberger aus Bruck an der Leitha betrieb die erste Versandfirma für die neuesten Basketballschuhe aus den USA. Stazic und seine Freunde konnten den Monatsanfang kaum erwarten, der Weg ging zum Südbahnhof, wo die neuste Ausgabe des "Slam"-Magazins, einer US-Basketball-Bibel, sehnsüchtig erwartet wurde.

Treffen mit dem Idol

Das Mekka des Wiener Streetballs war der Türkenschanzpark. Bundesligaspieler trafen sich in Währing zu Matches, Bänke wurden aus dem Park in den Käfig an die gesprayte Seitenoutlinie geholt. Dort kreuzte Stazic auch schon mal mit einem Chrysler Cabriolet auf, den er im Park auf dem Gehsteig abstellte. Stazic rieb sich die die Hände mit Magnesiumpulver ein und machte mit einem Sprung einen Abdruck hoch oben auf dem Brett. Ein Markierung, die es zu erreichen galt. Im Sommer kehrte er während seiner Profikarriere immer wieder in die Wiener Käfige zurück, Verletzungsrisiko hin oder her. Aus Liebe zum Spiel.

Der Durchbruch gelang mit 19 Jahren bei St. Pölten. Vom österreichischen Serienmeister der 90er-Jahre folgte der Wechsel zu Benetton Treviso. Unter dem legendären serbischen Trainer Zeljko Obradovic kam Stazic aber nur selten zum Zug, der italienische Meister war gespickt mit Stars wie dem US-Amerikaner Henry "High-Fly" Williams, dem Serben Zjelko Rebraca oder den italienischen Teamspielern Denis Marconato, Riccardo Pittis und Davide Bonora. "Ich habe mir das eingebildet, also habe ich das auch durchgezogen. Ein anderer Verein zum Start meiner Auslandskarriere wäre vielleicht gescheiter gewesen."

Dafür geigte er bei den Mc Donald's Open auf. Das war bis zu seiner Letztaustragung im Jahr 1999 der Weltpokal des Basketballs, bei dem der NBA-Champion gegen die Meister aus Europa, Südamerika und Asien antrat. Im Oktober 1997 fand das Turnier in Paris statt, mit den Chicago Bulls und Michael Jordan. Stazic legte bei einer Niederlage im Auftaktspiel gegen Atenas Cordoba neun Punkte und 13 Assists auf. Am selben Abend saßen Treviso-Trainer Obradovic, David Falk, das war Jordans Manager, und Aleksandar Raskovic, der einflussreichste Spieleragent am Balkan, im Mannschaftshotel an einem Tisch zusammen und baten Stazic dazuzustoßen. Der traute sich aber nicht. "Weil mir mein Trainer verboten hatte, mit Spieleragenten zu reden. Er wollte mich nur testen. Ich bekam dann eine Fotomappe von Michael Jordan mit seiner Unterschrift."

Atenas de Cordoba vs Benneton Treviso (1997 Open McDonalds)
Gaston Acuña

Stazic wechselte nach nur einer Saison innerhalb Italiens nach Gorizia und im Jahr darauf nach Limoges, wo er als erster Österreicher im Ausland einen Titel gewinnen konnte. Die Scouts der New York Knicks kamen eigentlich nach Frankreich, um sich ihren damaligen Draftpick, den Franzosen Frederic Weis, anzuschauen. Jenen Weis, über den der US-Amerikaner Vince Carter bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney drüberstopfte. Einer der legendärsten Slam Dunks aller Zeiten.

Und dann war da noch diese Dopinggeschichte. Stazic ließ sich in seiner Zeit bei Gorizia vom Teamarzt einen Hautauschlag am Arm mit einer Salbe behandeln, die verbotene Stoffe enthielt. Stazic wurde für drei Monate gesperrt, konnte seine Karriere aber in Frankreich in der nächsten Saison fortsetzen. "Ich hab das zugegeben. Es war eine absurde Geschichte, ich habe mich auf den Arzt verlassen. Doping war nie ein Thema für mich. Ich habe auch nie geraucht oder getrunken, wollte immer ein Vorbild sein." Es folgte eine lange Reise als Legionär durch diverse europäische Topligen in Griechenland, Spanien oder Russland, bevor Stazic 2010 nach Österreich heimkehrte.

Ein emotionaler Höhepunkt war der erste Meistertitel für Wien nach 21 Jahren, 2013 gewann der BC Vienna im Finale gegen Oberwart mit Stazic als Kapitän. Das Ende markierte ein Achillessehnenriss im Dezember 2019. Zwei Wochen zuvor hatte Stazic in einem Ligamatch gegen Klosterneuburg noch 44 Punkte erzielt. Mit 41 Jahren und einem kaputten Knie.

Die Sehnsucht nach Erfolgen für den österreichischen Basketball ist die tägliche Motivation nach dem fliegenden Wechsel zum Klubfunktionär. Deutschland ist Weltmeister geworden, für Österreichs Nationalteam liegt eine EM-Teilnahme in weiter Ferne. "Wir können uns nicht mit Deutschland messen. Aber wir können mehr Talente hervorbringen, da tut sich noch immer zu wenig, auch bei uns beim BC Vienna. Wir müssen einfach professioneller werden." (Florian Vetter, 7.10.2023)