Präsident Vučić (links) und Geheimdienstchef Vulin.
AP/Darko Vojinovic

Nach dem Angriff serbischer Paramilitärs auf die kosovarische Polizei Sonntagnacht, der auch von der EU als Terroranschlag gewertet wird, werden immer mehr Details bekannt. So war einer der getöteten Angreifer für den serbischen Geheimdienstchef, den unter US-Sanktionen stehenden Kreml-Buddy Aleksandar Vulin, als Personenschützer tätig. Milan Radoičić , der Anführer der etwa 30-köpfigen Miliz, die den Staat Kosovo offenbar destabilisieren wollte, ist Vizechef der Srpska Lista – also jener Partei, die unter Präsident Aleksandar Vučić die Kontrolle über den Nordkosovo übernahm.

Radoičić wird im Kosovo auch im Zusammenhang mit dem Mord an dem kosovo-serbischen Oppositionspolitiker Oliver Ivanović gesucht. Ivanović hatte vor seiner Ermordung gesagt, dass er Angst vor Radoičić habe. Er wurde im Jänner 2018 ermordet.

Geheimdienstleute, Kriminelle und rechtsradikale Politiker befinden sich schon länger in der Nähe des Regimes. Raša Nedeljkov von der Nichtregierungsorganisation CRTA in Belgrad meint: "Die Unterwelt ist nicht mehr in der Unterwelt. Wir haben die Illusion verloren, dass unsere Gesellschaft es schafft, die Kriminellen aus dem Mainstream herauszuhalten."

Der Bandenchef Veljko Belivuk, dem etwa wegen mehrfachen Mordes und Drogenhandels der Prozess gemacht wird, sagte vor Gericht aus, er habe "staatlichen Bedürfnissen" gedient. Es sei seine Rolle gewesen, Demos für Vučić zu unterstützen und Oppositionsproteste zu stören. Der Präsident dementierte alles.

Doch auch bei einem Ex-Polizisten wurde ein Notizbuch beschlagnahmt, in dem die Bande als "Staatsprojekt" bezeichnet wurde. Es gibt auch ein Foto, das ein Mitglied der Belivuk-Gang gemeinsam mit dem Sohn Vučićs, Danilo Vučić, im Fußballstadion zeigt. Belivuks Kokainschmugglergang ging hoch, weil internationale Ermittler 2021 den Code einer Handy-Software namens Sky ECC knackten.

Belivuks Bande

Doch offenbar zögerten die Behörden, die Bande zu verhaften, während diese in einem Haus in der Nähe von Belgrad noch Menschen zu Tode gefoltert und sie in den Fleischwolf gesteckt haben sollen, bevor sie sie in die Donau warfen. Der Generalsekretär der serbischen Regierung, Novak Nedić, hatte Zeugen zufolge 2018 Kontakt zu Belivuks Gruppe und zu ihm selbst.

Vučić selbst kennt aus der Zeit, als er noch Mitglied der rechtsextremen Radikalen Partei von Vojislav Šešelj war, den "Bodyguard" Petar Panić. Neben Fotos, die Panić vor erschossenen Füchsen, Wildschweinen und Bären zeigen, postet dieser zuweilen Bilder mit Vučić.

Panić wurde in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren wegen 16 Verbrechen angeklagt. Allerdings bekam er von einem Arzt in einem Belgrader Krankenhaus medizinische Atteste, um sein Nichterscheinen vor Gericht zu rechtfertigen. Dieser Arzt, Zlatibor Lončar, wurde später, im Jahr 2014, von Vučić zum Gesundheitsminister gemacht.

Mit Šešelj selbst, der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, hat Vučić auch nicht gebrochen. Im Juni wurde ein Video publik, das die beiden beim Feiern zeigt.

Verbindungen des Regimes mit Kriminellen zeigt auch die "Koluvija-Affäre" auf. Der 38-jährige Predrag Koluvija wurde im Herbst 2019 von der Polizei gestoppt, weil er mit seinem Audi zu schnell auf der Autobahn unterwegs gewesen war. Bei den polizeilichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass Koluvija Inhaber einer zwölf Hektar großen Marihuana-Plantage war, die mit Hightech-Überwachung, Handystörsendern und Drohnen "geschützt" wurde. Den Ermittlungen zufolge soll Koluvija die Drogenfarm mithilfe von und in Zusammenarbeit mit fünf Mitgliedern der serbischen Sicherheitsdienste betrieben haben. Auch der damalige Verteidigungsminister und heutige Geheimdienstchef Vulin besuchte 2015 den Bauernhof von Koluvija und pflückte dort vor Kameras Bio-Paradeiser. (Adelheid Wölfl, 28.9.2023)