Nicolas Kühn (l.) im Duell mit Andreas Gruber: Das letzte Derby gewann die Austria in der Generali-Arena 3:1 gegen Rapid.
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Manuel Ortlechner, der Sportdirektor der Austria, findet gewisse Dinge überhaupt nicht lustig. Am Sonntag steigt trotzdem in der Generali Arena das 341. Derby gegen Rapid (17, ORF 1 und im STANDARD-Ticker), die Ausgangslage ist nach acht absolvierten Runden eher traurig als witzig. Der Zehnte, die Austria, hat den Siebenten, Rapid, zu Gast. Fünf mickrige Punkte gegen auch nicht gerade außerirdische zehn. Das ist für den weit über die Stadtgrenzen hinaus beliebten Wiener Spitzenfußball kein Ruhmesblatt. Empfängt also das Elend die Not, Herr Ortlechner? "Ich bin total dagegen, solche Wörter im Zusammenhang mit einem tollen Fußballfest zu verwenden. Das ist nicht mein Zugang, keine Schlagzeile. Ich hätte auch lieber Zweiter gegen Dritter."

Markus Katzer, er ist Sportgeschäftsführer von Rapid und somit mit mehr Kompetenzen als Kollege Ortlechner ausgestattet, bezichtigt die Tabelle zwar nicht der Lüge, stellt aber fest: "Ja, uns fehlen Punkte, aber sie werden kommen. Denn die Leistungen stimmen bis auf wenige Ausnahmen, die Entwicklung passt. Es ist Fakt, dass wir es wirklich gut machen." Trainer Zoran Barisic spricht gebetsmühlenartig von einer "Ergebniskrise", Katzer widerspricht nicht. "Da waren schon Schmankerln dabei, Ausgleiche in letzter Minute, dann triffst du aus einem Meter das leere Tor nicht. Wir machen zu einfache Fehler, das gehört abgestellt, wir erwecken Tote zum Leben. Natürlich ist es auch unsere Schuld, man muss 90 und nicht 89 Minuten fokussiert sein. Kein Grund, panisch zu werden, aber man soll die Tabelle ernst nehmen. Wir brauchen Ergebnisse."

Die Stimmung wird gut, hoffentlich friedlich und sicher nostalgisch sein. Herbert Prohaska spielt nicht mit.
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Keine Alternative

Die Austria braucht weit mehr. Ortlechner sagt: "Die Tabellensituation ist furchtbar, aber es ist alternativlos, weiter an die Jungs zu glauben." Als Knackpunkt ortet er das 3:5 daheim gegen Legia Warschau im Playoff zur Conference League. "Das war der Bruch, bis dahin war alles auf Kurs." Fußball sei mitunter ein Rätsel. "Wir arbeiten ja genau gleich wie davor."

Die finanzielle Situation bei den Veilchen ist angespannt, und das ist noch eine schamlose Untertreibung. Eine Genesung ist nicht in Sicht, Investoren sind weiter weg als Bundeskanzler Karl Nehammer von einem gelungenen Video. Sportvorstand Jürgen Werner drückt es so aus: "Wir sind immer noch ein Patient." Ein Intensivpatient.

Markus Katzer (43) ist seit Jänner 2023 Geschäftsführer Sport von Rapid.
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Ortlechner glaubt trotzdem nicht, dass die wirtschaftliche Not gravierende Auswirkungen auf den Sport hat. "Hundertprozentig nicht. Seitdem ich hier bin, war es immer gleich, gleich schlecht, wenn man will. Niemand, der hier arbeitet, beschwert sich darüber, alle kennen die Rahmenbedingungen, sie jammern nicht, kommen gerne her, wir unterstützen uns gegenseitig. Intern reden wir eh hart, klar und ehrlich miteinander. Das ist wichtig." Auch bei Rapid, betont Katzer, "funktioniert die Kommunikation, werden Dinge angesprochen".

Keine Diskussion

Eine Trainerdiskussion wird bei der Austria nicht geführt, böse Zungen behaupten, sie kann sich keine leisten. Ortlechner versichert, von Michael Wimmer überzeugt zu sein. "Ein toller Typ, ein akribischer Arbeiter, er erreicht die Mannschaft, unternimmt alles, um das Ruder herumzureißen. Wir sind der Meinung, es gelingt." In Hütteldorf ist Barisic einzementiert, da muss nicht herumgerissen werden.

So untypisch ist die Ausgangslage vor dem Derby auch wieder nicht. Okay, Red Bull Salzburg ist längst außer Reichweite, aber die beiden Wiener Vereine wurden auch von Klubs wie Sturm Graz oder LASK abgehängt. Katzer gesteht das ein. "Sturm ist auf einem anderen Level, sie sind früher gestartet, irgendwann fängt etwas an. Bei uns passiert es jetzt." Er verweist auf die Entwicklung von Eigenbauspielern wie Leopold Querfeld, Moritz Oswald oder Nikolas Sattlberger, Verteidiger Querfeld (19) wurde von Ralf Rangnick bereits ins Nationalteam einberufen. "Und einem wie Matthias Seidl schauen die Fans gerne zu. Er spielt spektakulär." Ortlechner leugnet den Abstand zur Konkurrenz nicht. "Wir können momentan nur schauen, dass er nicht zu groß wird. Das geht mit Fleiß, Kreativität, Einsatzbereitschaft."

Manuel Ortlechner (43) ist seit Mai 2021 Sportdirektor von Austria Wien.
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Sowohl Rapid als auch die Austria streben die Meisterrunde an (Bescheidenheit ist eine Wiener Zier), Katzer bemüht die Floskel "Abgerechnet wird am Schluss". Ortlechner schränkt ein: "Es gibt auf gar nix eine Garantie."

Die aktuelle Situation mag auch mit zwei Personalien zusammenhängen. Der Austria ist Goalgetter Haris Tabakovic abhandengekommen, er entzückt nun Hertha BSC. Bei Rapid ist Unterschiedsspieler und Torschützenkönig Guido Burgstaller seit geraumer Zeit verletzt, er würde aus einem Meter ins Tor treffen. Und auch aus zwei oder fünf. Burgstaller kommt wieder, Tabakovic bleibt weg, Vorteil Rapid.

Kein Lift

Ortlechner wie Katzer sagen: "Statistik ist wurscht." Fakt ist aber, dass Rapid seit vier Jahren oder elf Derbys sieglos ist. Beide hoffen auf eine "Initialzündung". Ortlechner: "Ein besonderes Spiel, das den Knoten lösen kann. Bevor ich das Selfie am Berg machen kann, muss ich auf den Berg rauf, da gibt es keinen gemütlichen Lift. Da heißt es ackern, ackern, ackern, dann kann ich das Selfie machen." Sollte die Austria verlieren, hätte sie wenigstens einen Rekord aufgestellt. Es wäre der schlechteste Saisonstart seit 1974, seit Gründung der Bundesliga. Ortlechner fände das natürlich nicht lustig. Katzer wäre es recht. "Denn mich interessiert nur Rapid." (Christian Hackl, 30.9.2023)

Bundesliga, 9. Runde, Sonntag

FK Austria Wien - SK Rapid (Wien, Generali Arena, 17.00 Uhr, SR Harkam). Saisonergebnisse 2022/23: 2:1 (a), 2:0 (h), 3:3 (a), 3:1 (h)

Austria: Früchtl - Handl, Martins, Meisl - Ranftl, Braunöder, Fischer, Guenouche - Fitz - Gruber, Huskovic

Es fehlen: Galvao (gesperrt), Plavotic (Sprunggelenk), Raguz (Hüfte/Aufbautraining), El Sheiwi, Wustinger (beide Kreuzbandriss)

Fraglich: Holland (Muskelverletzung)

Rapid: Hedl - Kasanwirjo, Querfeld, Kongolo, Auer - M. Oswald, Sattlberger - Kühn, Seidl, Grüll - Mayulu

Es fehlen: Cvetkovic (Kreuzbandriss), Burgstaller (Muskelprobleme), Pejic (Schambeinentzündung)