Rober Fico mit Parteikollegen
Robert Fico (Zweiter von links) jubelte in der Nacht auf Sonntag über den Sieg seiner Partei Smer.
AFP/TOMAS BENEDIKOVIC

Es war eine lange Wahlnacht in der Slowakei. Ursprünglich wurden die ersten Prognosen bereits kurz nach 22.00 Uhr erwartet. Weil jedoch zwei Wahllokale – unter anderem wegen eines plötzlichen Todesfalls – vorübergehend geschlossen werden mussten, dauerte die Stimmabgabe dort länger. Die Zahlen, die schließlich erst gegen 22.45 Uhr veröffentlicht wurden, sahen dann zunächst die linksliberale Partei Progressive Slowakei (PS) vorne – und lagen falsch. Erst in den frühen Morgenstunden des Sonntags war klar: Jubeln darf der Linkspopulist und dreimalige Ex-Premier Robert Fico: Seine Partei Smer ("Richtung") konnte sich mit knapp 23 Prozent der Stimmen klar an die Spitze setzen.

Staatspräsidentin Zuzana Čaputová beauftragte Fico am Montag, wie allgemein erwartet, mit der Regierungsbildung. Als dessen wahrscheinlicher Koalitionspartner gilt Peter Pellegrini mit seiner ebenfalls links ausgerichteten Partei Hlas ("Stimme"). Diese landete mit 14,7 Prozent auf Platz drei – hinter der PS, die auf knapp 18 Prozent kommt. Pellegrini war im Wahlkampf zuletzt eher farblos aufgetreten und wurde von vielen Beobachtern als Anhängsel Ficos wahrgenommen. Tatsächlich ist Hlas eine vergleichsweise liberale Smer-Abspaltung, die aber nach wie vor große inhaltliche Überschneidungen mit der Mutterpartei hat. Auch Pellegrini selbst hat das deutlich gemacht: Man kenne sich schließlich von früher.

Königsmacher Pellegrini

Zusammen kommen Smer und Hlas aber nur auf 69 Mandate (42+27). Das reicht nicht für eine absolute Mehrheit im 150 Sitze zählenden slowakischen Nationalrat. Als dritter Bündnispartner käme die Slowakische Nationalpartei (SNS) infrage, die mit 5,6 Prozent überraschend die Fünf-Prozent-Hürde überspringen konnte und wieder ins Parlament einzieht. Sie ist im politischen Spektrum weit rechts angesiedelt. Ihr Chef, Andrej Danko, träumt bereits von der Bildung eines "Blocks", der sich gegen den Liberalismus stellt. Mit den zehn Mandaten der SNS wäre eine Regierungsmehrheit für Fico gesichert. Auch die konservativen Christdemokraten (KDH), die sogar zwölf Mandate mitbringen würden, werden als Koalitionspartner nicht ausgeschlossen, die inhaltlichen Differenzen wären aber größer.

Slowakei, Parlamentswahlen

Dass die SNS überhaupt wieder ins Parlament einzieht, hat sie wohl dem überraschend schwachen Abschneiden der rechtsextremen, von vielen als neofaschistisch eingestuften Partei Republika zu verdanken. Ihr wurden in den Umfragen etwa sieben Prozent vorausgesagt, am Ende blieb die Partei unter der Fünf-Prozent-Hürde. Für Fico ist auch das eine gute Nachricht: Pellegrini nämlich, der bei den Koalitionsverhandlungen die Rolle des Königsmachers spielen wird, kann mit der SNS leichter in eine Dreierkoalition gehen als mit den offen Rechtsextremen.

Wenig Spielraum für Liberale

Die Hoffnung, mit Pellegrini eine Regierung bilden zu können, hat aber auch Michal Šimečka noch nicht aufgegeben, der Chef der zweitplatzierten Partei Progressive Slowakei und Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Die PS positioniert sich sozialliberal, modern, proeuropäisch und grün. Im Nationalrat wird sie mit 32 Mandaten vertreten sein. Das sind zwar gleich zehn weniger als die der Smer, aber mit Pellegrinis Partei Hlas könnte auch Šimečka eine Mehrheit zimmern, sofern er zusätzlich genügend andere Partner gewinnt. Neben den Christdemokraten (KDH) käme da vor allem die neoliberale Partei Freiheit und Solidarität (SaS) infrage, die 6,3 Prozent und elf Mandate erringen konnte. Das Wahlergebnis mit Fico an der Spitze und dessen guter Draht zu Pellgrini geben Šimečka vorerst aber nur wenig Anlass zum Optimismus.

Bleibt noch die konservativ-populistische Partei Oľano von Ex-Premier Igor Matovič. Dieser hat hoch gepokert – und gewonnen: Er ging mit zwei konservativen Kleinparteien in ein Wahlbündnis, die Hürde für den Einzug ins Parlament lag damit bei sieben anstatt bei fünf Prozent. Mit knapp neun Prozent übersprang er sie am Ende deutlich, aber seine Koalitionsoptionen dürften minimal sein. Matovič gilt als unberechenbar und streitsüchtig. Die 2020 von ihm gebildete Vierparteienkoalition rieb sich von Anfang an in endlosen Konflikten auf, bis sie heuer im Mai endgültig zerbrach. Danach setzte die Präsidentin ein Expertenkabinett unter Übergangspremier Ľudovít Ódor ein, das das Land in die vorgezogene Wahl vom Samstag führte.

Sorge um Unterstützung für Kiew

Sollte Robert Fico erneut Regierungschef werden, wird man in ganz Europa aufmerksam nach Bratislava blicken. Fico hatte im Wahlkampf angekündigt, der von Russland angegriffenen Ukraine "keine Patrone" mehr liefern zu wollen, und im Bezug auf den Krieg die von Moskau gepflegten Narrative übernommen. Auch in puncto Rechtsstaatlichkeit befürchten slowakische und ausländische Liberale eine Annäherung an Ungarns rechtsnationalen Premier Viktor Orbán – und damit einen weiteren Akteur in dem Dauerstreit, der bereits seit Jahren zwischen Brüssel einerseits und Ungarn und Polen andererseits ausgetragen wird.

Zu Hause steht Fico auch wegen Vorwürfen in der Kritik, früher an der Seite von Oligarchen regiert zu haben. Nachdem der Enthüllungsjournalist Ján Kuciak, der zum Filz von Macht und Geschäftemacherei im Land recherchiert hatte, im Februar 2018 gemeinsam mit seiner Verlobten Martina Kušnírová erschossen worden war, musste Fico nach enormem öffentlichem Druck zurücktreten. Nun dürfte er vor der Rückkehr an die Macht stehen. (Gerald Schubert, 1.10.2023)