Nach der Sanierung sieht die Rundhalle so aus.
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Sportstätten sind so etwas wie die Lymphknoten einer Stadt, einer Gesellschaft. Sie sind weit mehr als reine Infrastruktur, weit mehr als ein Gebäude oder ein Raum für Bewegung oder Sport. In ihnen vermischen sich Soziales und Vereinswesen, Hobbysport und Leistungssport, Jung, Alt und alles dazwischen.

2020 präsentierte Wien den sogenannten Sportstättenentwicklungsplan. Eine Zustandsanalyse, bei der auch die Dachverbände und Sportvereine der Stadt befragt wurden, ergab, dass 70 Prozent der städtischen Sportanlagen einen Sanierungsbedarf aufweisen. Anders gesagt, es moderte hier und dort gewaltig. Als Konsequenz rief man seitens der Stadt die große Modernisierungskampagne aus: Abgesehen hatte man es unter anderem auf die städtischen Rundhallen.

Sporthallen der Stadt Wien

Rundsporthallen, Rundturnhallen oder einfach nur Rundhallen sind ein architektonisches Konzept, das von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre der Go-to-Bautyp war. In Österreich, Deutschland und der Schweiz gibt es rund 70 derartige Hallen, bei denen der Mehrzweck der Hauptzweck ist. Sie soll also möglichst vielen verschiedenen Sportarten Platz und Ausübungsmöglichkeit bieten: von Badminton über Volleyball, Kampfsportarten, Handball und Basketball bis zu Futsal. Das Angebot richtet sich dabei an Schul-, Vereins- und Leistungssport. In Wien stehen sechs Rundhallen, alle wurden zwischen 1972 und 1974 gebaut.

Die Stadt beauftragte für alle Hallen eine Generalsanierung. Drei davon, in Kagran, Liesing und Simmering, wurden bereits abgeschlossen, rund zehn Millionen Euro kostete es jeweils, sie in die Gegenwart zu holen. Die Ansprüche an den Sportarchitekten oder die Sportarchitektin haben sich jedenfalls grundlegend verändert. Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, gute Anbindung, Multifunktionalität liegen auf der Hand, aber mit dem gesellschaftlichen Wandel liegen Themenkomplexe auf dem Anforderungstisch, die so vor rund fünfzig Jahren keine Rolle spielten: Geschlechtergerechtigkeit, Diversität, Barrierefreiheit – kurzum, die Sportstätte als sozialer Raum, der Ausgrenzung ausgrenzen soll.

Die Rundhalle Kagran in der Steigenteschgasse
Raumkunst
Die Rundhalle Kagran bietet 600 Personen Platz. Sie ist dreifach teilbar, der Schwerpunkt liegt auf Basketball.
Raumkunst
Die Raumhöhe der Rundhalle Atzgersdorf wurde auf 9 Meter vergrößert.
Raumkunst
Die Generalsanierung in Atzgersdrof wurde im Februar 2023 abgeschlossen
Raumkunst
Die Sanierung der Rundhalle Simmering wurde ebenfalls 2023 abgeschlossen.
Raumkunst

"Ja, das ist Sportraum, aber das ist auch ein Raum, wo ich möchte, dass sich jeder wohl- und abgeholt fühlt. Vom Spitzenathleten über den betagteren Menschen bis hin zum Kind", sagt Harald Fux. Der Sportarchitekt vom Büro Raumkunst muss es wissen, er entwarf beispielsweise das neue LASK-Stadion in Linz, ist außerdem Präsident des österreichischen Ablegers der IAKS, der Organisation für Planung, Bau und Betrieb von Sport- und Freizeiteinrichtungen. In Wien war er zusammen mit Büropartnerin Christine Diethör mit der Sanierung der Rundhallen beauftragt.

Das Umdenken in der Sporthallenphilosophie passiere langsam: "Entgegen den Entwicklungen im pädagogischen Bereich ist das Sporthallenkonzept der 1970er-Jahre teilweise noch immer präsent. Da werden Schuhschachteln gezeichnet. Das ist aber nicht nur bei uns so." Und: "Die Qualität ist über die Jahre sogar schlechter geworden, weil man immer billiger bauen wollte."

Multisportiv

Nicht nur der Anspruch, sondern auch das Sportverhalten hat sich verändert. Monosportiv, also dass man ein Leben lang eine einzige Sportart ausführt, war vorgestern: "Junge Menschen sind in diesem Sinne untreuer geworden. Sie wollen nicht mehr nur jeden Tag Basketball spielen, sondern heute Basketball, morgen mountainbiken und dann wieder etwas anderes. Die Struktur hat sich verändert", sagt Fux.

Das Haustechnikkonzept der Rundhalle
Raumkunst

Sport und Fun haben sich unmittelbarer im Freizeitalltag verwoben. Im September wurde am Praterstern die Sport-und-Fun-Halle Leopoldstadt eröffnet. Sie wurde umgesiedelt, stand ursprünglich am Handelskai. Das sportliche Angebot ist breit: Badminton, Beachvolleyball, Bouldern, Tischfußball, Tischtennis, Weitsprung und mehr. Laut Stadt ist die "Sportanlage ein klimazertifiziertes Gebäude und verfügt über eine eigene Photovoltaikanlage". Die Halle war jedenfalls nicht unumstritten: Gegenwind gab es vor allem von den Wiener Grünen. Bernhard Seitz, stellvertretender Bezirksvorsteher der Leopoldstadt, warf der Baupolizei Amtsmissbrauch vor, Klimaschützerinnen und Klimaschützer kritisierten den Verbau der Grünflächen in der Venediger Au.

Der Modernisierungsplan für die Sportstätten der Stadt schreitet also weiter voran, besonders stolz ist man auf das Projekt "Stadionbad" mit mobiler Überdachung und Photovoltaikanlage. 2025 soll die neue Sport-Arena Wien, eine multifunktionale Sporthalle auf dem Gelände des abgerissenen Ferry-Dusika-Stadions, fertiggestellt sein.

Multifunktional

Dabei ist Multifunktionalität nicht immer Multifunktionalität. Es geht nicht nur darum, möglichst viele Sportarten in einen Saal, eine Schuhschachtel zu packen, sondern Schwerpunkte zu setzen. Sportarchitekt Fux erklärt: "Meine persönliche Strategie ist es zu programmieren, also zu sagen: Das ist ein Raum mit dem Fokus Ballsport, das ist ein Raum mit dem Fokus Turnen, und das ist ein Raum mit dem Fokus Kraft. Und die Infrastruktur anzupassen."

Wohin geht also der Trend der Sportstätte? Abgesehen von den baulichen Modernisierungen wird die soziale Dimension immer wichtiger. Ironischerweise ging die Idee über die Jahre verloren: "Der Eisring Süd war genauso ein Zentrum: Es gab Tennisplätze, Fußballplätze, Sauna, Restaurant, die Eishalle. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das nicht nur in die Sportstätte kommt, um Sport zu treiben. Aber diese Idee ist mit den Jahren verloren gegangen", sagt Fux. In England und Kanada ist man da etwas weiter: "Man kann zum Beispiel gemeinsam kochen, es gibt Workshops, und daneben sind die Sporthalle und das Fitnesszentrum."

Das erfordert wiederum eine Sensibilisierung für Geschlechtergerechtigkeit, Integration, Inklusion, was wiederum die Planenden auf den Plan ruft. Umkleidekabinen oder Duschmöglichkeiten sind Stichwörter, die immer wichtiger werden, bei Fux’ Büro Raumkunst hat man sich mit dem "Aufbau einer inklusiven und offenen Sportkultur, zugänglich für alle Geschlechter und sexuellen Orientierungen", auseinandergesetzt. Denn Sport ist schon lange nicht mehr nur Sport. (Andreas Hagenauer, 4.9.2023)