Capitol in Washington
Der US-Kongress einigte sich auf einen Übergangshaushalt. Die Einigung enthält jedoch keine weitere Unterstützung für die Ukraine.
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Durch einen faulen Kompromiss konnte im US-Kongress im letzten Augenblick eine Haushaltssperre verhindert werden. Den Preis dafür zahlt die Ukraine. Nicht einmal die Reduzierung der von Präsident Joe Biden geforderten neuen Ukraine-Hilfe von 24 auf sechs Milliarden US-Dollar in einem Kompromissvorschlag republikanischer und demokratischer Senatoren konnte durchgesetzt werden. Ob es der Biden-Regierung in den neuen Haushaltsverhandlungen bis Mitte November gelingen wird, das Ukraine-Paket zu beschließen, bleibt offen. Der Kongressabgeordnete von Chicago, Michael Quigley, war der einzige Demokrat im Repräsentantenhaus, der gegen den Kompromissvorschlag ohne Ukraine-Hilfe mit dem Aufschrei gestimmt hat: "Das ist ein Sieg für Putin!"

In der Tat bedeuten die Vorgänge in Washington und die langsam schrumpfende Unterstützung bei den Meinungsumfragen eine wachsende Gefahr für die Ukraine. Seit dem russischen Überfall auf das Nachbarland hat der US-Kongress Rüstungs-, Wirtschafts- und humanitäre Hilfe für die Ukraine in der Höhe von 113 Milliarden US-Dollar gebilligt. Ohne die US-amerikanische Waffenhilfe und allein auf die Achse der Zauderer Scholz/Macron in Berlin und Paris angewiesen, wäre die Ukraine angesichts der löchrigen westlichen Sanktionen und der schnell steigenden russischen Waffenproduktion dem Aggressor hoffnungslos unterlegen.

Nicht nur in Washington kann man von einem Sieg Wladimir Putins sprechen. Auch der Wahlerfolg der mit prorussischen und ukrainefeindlichen Schlagworten in der Wahlkampagne hausierenden Fico-Partei in der Slowakei bedeutet nichts Gutes für den östlichen Nachbarn. Sollte es dem routinierten Wendehals Robert Fico gelingen, eine Koalitionsregierung zu bilden, würde Putin neben dem erprobten Freund Viktor Orbán noch einen Verbündeten in dem Spitzengremium der EU haben.

Innenpolitische Spannungen

In den wichtigsten Fluchtländern für die Ukrainerinnen und Ukrainer – Deutschland (1,08 Millionen) und Polen (968.000) – steigen indessen die innenpolitischen Spannungen, die auch die Ukraine betreffen. Die Unbeliebtheit der Ampelregierung und der rasante Aufstieg der rechtsextremen AfD (bereits 22 Prozent in den Umfragen) werden auch von den Folgen der wachsenden Zahl der irregulären Migranten und der zusätzlichen Belastung durch die Geflüchteten aus der Ukraine mitgeprägt. In Deutschland haben die erwachsenen ukrainischen Flüchtlinge Anspruch auf monatlich 502 Euro Bürgergeld (Kinder auf 318 bis 420 Euro) sowie auf Miet- und Heizkostenzuschüsse.

In Polen haben die Getreidetransporte aus der Ukraine einen offenen Streit zwischen den beiden Regierungen ausgelöst. In der Vorwahlzeit hat jetzt die rechtsnationale Regierung das Ende der Waffenlieferungen für die Ukraine angekündigt. Polen hatte bisher der Ukraine in jeder Hinsicht beispielhafte Hilfe geleistet.

Es ist aber abzusehen, dass die Hilfsbereitschaft in den Staaten der Europäischen Union, sogar in Polen, schrumpft, je länger der Krieg andauert. Mit der Devise – "Statt Waffenlieferungen Zeit für sofortige Friedensinitiativen" – wirken die Putin-Versteher – öffentlich oder hinter den Kulissen mit wachsendem Echo, nicht nur in Bratislava – für den Sieg des Aggressors. (Paul Lendvai, 3.10.2023)