Gerhard Struber kickt.
Christoph Freund und Ralf Rangnick holten den damaligen Kuchl-Trainer Gerhard Struber 2014 aus dem Versicherungsgeschäft zurück in den Profifußball.
AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Zehn Spiele, acht Siege, ein Remis und eine Niederlage: Gerhard Strubers Ära bei Red Bull Salzburg begann durch Matthias Jaissles plötzlichen Abschied gen Saudi-Arabien einigermaßen unvermittelt, brachte bisher aber gute Resultate. Der 2:0-Auswärtssieg bei Benfica Lissabon zum Auftakt der Champions League war das Highlight. Heute Abend (18.45 Uhr, live auf Sky) soll im Heimspiel gegen Real Sociedad der zweite Streich folgen. Die Basken kommen nach dem 3:0-Sieg im Derby gegen Athletic Bilbao mit breiter Brust nach Wals-Siezenheim, im ersten CL-Match gab es für "La Real" ein 1:1 gegen Inter Mailand.

STANDARD: Hat Sie bei Ihrer Rückkehr nach Salzburg etwas überrascht?

Struber: Eigentlich gar nichts. Es ist sehr heimelig gewesen. Man kennt sehr vieles und weiß Bescheid, wie die meisten Leute ticken.

STANDARD: Hat es das leichter gemacht, die Mannschaft kurzfristig ohne Vorbereitung zu übernehmen?

Struber: Da hat mir auch meine Erfahrung bei Barnsley geholfen, wo ich unter der Meisterschaft eine Mannschaft übernommen habe und schnell mit meiner Spielidee andocken musste. Es war auch ein Vorteil, dass meine Gedanken mit dem, das davor umgesetzt wurde, sehr identisch sind. So habe ich die Jungs in kürzester Zeit mitnehmen können. Der Staff weiß, wie ich arbeite, worauf ich viel Wert lege. Ich fordere viel ein, delegiere viel und schenke den Leuten neben mir viel Vertrauen. Ich kenne das Umfeld, das macht es leichter, weil man weiß, wem man gleich etwas in die Hand gibt.

STANDARD: Was ist Ihnen wichtig?

Struber: Dass wir in der Spielidee Überzeugungstäter sind, alle in einer Tonart auf unsere Jungs zugehen, mit Überzeugung und sehr viel Mut unsere Entscheidungen treffen und das auch in jeder Abteilung leben. Nicht nur was wir am Platz umsetzen wollen, soll mutig sein, sondern ich erwarte mir grundsätzlich mutige Entscheidungen. Keine Herumeierei, einfach auf den Punkt kommen. Dass wir effizient arbeiten, keine Zeit vertrödeln, das ist mir ganz wichtig.

STANDARD: Sie haben Christoph Freund und Ralf Rangnick 2014 mit dem Fußball begeistert, den Sie bei Kuchl spielen haben lassen. War der damals schon von dieser Art?

Struber: Ja, schon ein wenig, aber natürlich nicht in diesem Detail. Das hat Ralf imponiert, so ist es dann zu diesem Termin gekommen, und so hat es sich ergeben, dass ich hauptberuflich in den Fußball zurückgekehrt bin.

STANDARD: Sie haben bei Kuchl 2012 angefangen – zeitgleich mit Rangnick und Roger Schmidt bei Salzburg. Ihr Spielstil war von Red Bull Salzburg also unbeeinflusst. Wie sind Sie denn darauf gekommen?

Struber: Das liegt in meiner Trainer-DNA. Ich möchte meinem Gegner wenig Zeit schenken. Das war ja keine Erfindung von Ralf Rangnick oder Roger Schmidt und schon gar nicht von mir, das hat es schon früher unter Ernst Happel gegeben. Es ist ein mutiger Ansatz, den Gegner schnell unter Druck zu bringen. Die Jahre unter Ralf Rangnick, wo ich wahnsinnig viel lernen konnte, waren ein komplett neues Eintauchen in die taktische Trainerwelt.

STANDARD: Hat sich bei dem Fußball, den Sie bevorzugen, im letzten Jahrzehnt etwas geändert?

Struber: Es ist immens wichtig, diese Intensität und Aggressivität gegen den Ball zu leben. Gleichzeitig braucht es auch das Positionsspiel, einen klaren Plan mit dem Ball. Da habe ich durch Hospitationen bei Eusebio di Francesco oder Simone Inzaghi einiges dazulernen können. Es ist eine ganz andere Art und Weise, wie die Fußball spielen und leben. Man muss als Trainer sowieso jeden Tag die Augen offen halten und schauen, wo es einen neuen Trend gibt. Was braucht es heute, was braucht es morgen? Wie wollen wir unsere Jungs entwickeln, dass sie in ein, zwei, drei Jahren für den internationalen Markt richtig spannend sind? Gleichzeitig wollen wir im Hier und Jetzt Topresultate liefern.

STANDARD: Wie schafft man es, dass sich 20, 30 Kicker wohlfühlen, wenn jedes Wochenende nur 16 spielen können?

Struber: Es ist wichtig, eine gute Energie im Kader zu halten. Das heißt nicht, dass das für alle eine Wohlfühloase sein kann. Wenn du einem Spieler sagst, dass er heute nicht spielt oder nicht im Kader steht, gibt es Enttäuschungen. Das ist total normal, da braucht man nichts künsteln. Es braucht mit den Jungs ehrliche und respektvolle Gespräche, speziell mit den Spielern, die gerade hintendran sind. Wie kann man Maßnahmen treffen, dass sie dranbleiben? Du kannst Spieler nicht nur als Trainerteam stützen, das muss die Mannschaft auch in die Hand nehmen. Wenn es so wie derzeit viele Spiele gibt, kann man ins Rotieren kommen. Beim 0:1 gegen Blau-Weiß Linz habe ich das zu viel gemacht. Das hat dann nicht mit der Qualität der Jungs zu tun, sondern damit, dass gewisse Automatismen nicht mehr sitzen. Man muss mit der Rotation sehr sorgsam umgehen. Nicht, dass man am Ende einen Verlierer produziert, weil man es mit allen zu gut meint.

STANDARD: Wer oder was hat Ihnen in der Vorbereitung auf Real Sociedad am meisten Kopfzerbrechen bereitet?

Struber: Rein technisch-taktisch ist es: Welches System passt am besten? Und gleichzeitig: Mit welchem Personal geht man in das Spiel? Wer ist für diesen Gegner, den möglichen Gegenspieler am besten geeignet? Es ist immer gepaart mit einer riesigen Vorfreude und einer Motivation, dieses Spiel extrem mutig anzugehen.

STANDARD: Journalismus ist auch Wiederholung, also kommt nun etwas, das ich vor eineinhalb Jahren mit Matthias Jaissle gemacht habe. Ich sage Ihnen einen Spieler, und Sie sagen mir, in welchem Bereich Sie diesen Spieler momentan am meisten verbessern wollen. Nummer eins: Karim Konaté.

Struber: Konstanz.

STANDARD: Strahinja Pavlovic?

Struber: Balance.

STANDARD: Oscar Gloukh?

Struber: Scoring.

STANDARD: Gerhard Struber?

Struber: Ein bisserl geduldiger werden. (Interview: Martin Schauhuber, 3.10.2023)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen:

Gruppe D, 2. Runde:

Red Bull Salzburg – Real Sociedad San Sebastian
Red-Bull-Arena, 18.45 Uhr MESZ, live Sky, SR Bartosz Frankowski (POL)

Salzburg: Schlager - Dedic, Solet, Pavlovic, Terzic - Gourna-Douath - Bidstrup, Gloukh, Kjaergaard - Simic, Konate
Fraglich: Bidstrup (Schienbein)
Es fehlen: Koita, Fernando (beide Adduktoren), Okoh (Oberschenkel/nicht im CL-Kader), Omoregie (Rücken/nicht im CL-Kader), Wallner (Knöchel/nicht im CL-Kader)

Real Sociedad: Remiro - Traore, Zubeldia, Le Normand, Munoz - Merino, Zubimendi, Mendez - Kubo, Oyarzabal, Barrenetxea
Es fehlen: Tierney, Odriozola (beide verletzt)