Ein schwer bewaffneter Uniformierter in Banjska.
Kosovarische Sicherheitskräfte patrouillieren in Banjska, jener Ortschaft, in der es am 24. September zu einem folgenschweren Angriff gekommen ist.
EPA/GEORGI LICOVSKI

Nach dem Terrorangriff einer serbischen Gruppe auf die kosovarische Polizei, bei der am 24. September ein Polizist und drei Angreifer ums Leben kamen, schickte die serbische Regierung Ende vergangener Woche noch mehr Truppen, Panzer und Artillerie an die Grenze zum Kosovo. Die USA riefen Serbien dazu auf, das Militär sofort von der Grenze abzuziehen.

Frage: Wie gefährlich ist der Aufmarsch serbischer Truppen und Panzer an der kosovarischen Grenze?

Antwort: Die serbische Armee ist mittlerweile abgezogen, aber nur teilweise – wobei die USA am Montagabend mitteilten, sie hätten den Rückzug "gar nicht verifizieren" können. Serbiens Verteidigungsminister Miloš Vučević sagte am Montag: "Wenn die Streitkräfte einen solchen Befehl vom Oberbefehlshaber erhalten, dass ihre Einheiten als Teil Serbiens in das Gebiet des Kosovo einmarschieren, werden die Streitkräfte die Aufgabe effizient und erfolgreich ausführen, sie würden dies jedoch der Kfor mitteilen." Im Klartext: Wenn Präsident Aleksandar Vučić dies befiehlt, würde die Armee einmarschieren, man würde vorher nur die Nato-geführten Truppen im Kosovo darüber informieren. Das kommt einer Einmarschdrohung gleich.

Frage: Welchen Plan verfolgte man seitens Serbiens?

Antwort: Das kosovarische Innenministerium gab am Montag bekannt, dass beschlagnahmte Unterlagen bestätigten, dass der Terroranschlag Teil eines größeren Plans seitens Serbiens gewesen sei, den Norden des Kosovo durch einen koordinierten Angriff an 37 verschiedenen Stellen zu annektieren. Es sollte ein Korridor nach Serbien eingerichtet werden, um die Versorgung mit Waffen und Truppen zu ermöglichen. Dazu passt, dass Serbien bereits vor dem Angriff auf die kosovarische Polizei damit begonnen hatte, Truppen an die Grenze zu verlegen.

Frage: Welche Erkenntnisse gibt es über die Hintergründe des Angriffs serbischer Milizen?

Antwort: Der kosovarische Premier Albin Kurti gab am Montag bekannt, dass die Terroristen, die die Anschläge verübten, etwa vier Tage vor den Anschlägen in Pasuljanske Livade trainierte, einem der wichtigsten Stützpunkte der serbischen Armee. Weitere Übungen hätten im Stützpunkt Kopaonik stattgefunden. "Die Angriffe genossen die volle Unterstützung und Planung des serbischen Staates", so Kurti. Offensichtlich wollte man mittels einer False-Flag-Operation einen Vorwand für den Einmarsch in den Kosovo schaffen. Der Anführer der Terrortruppe, Milan Radoičić, konnte nach dem Angriff mit dem Auto nach Serbien entkommen.

Frage: Wie reagiert die serbische Regierung auf den Anschlag?

Antwort: Die serbische Regierung behauptet, nichts gewusst zu haben. Deshalb wurde Radoičić und seine Truppe allein für den Anschlag verantwortlich gemacht.

Frage: Wie reagiert die kosovarische Regierung auf den Anschlag?

Antwort: Sie hat die Nato um Hilfe gebeten und warnt vor einem Krieg. Großbritannien hat versprochen, die Kfor mit neuen Truppen zu verstärken.

Frage: Was will die serbische Regierung erreichen?

Antwort: Analog zur Idee der "russischen Welt" will Serbien eine "serbische Welt" auf dem Balkan schaffen, um in hegemonialer Manier die Nachbarstaaten zu dirigieren und zu dominieren. Vučić will die Grenzen in der Region neu ziehen und den Norden Kosovos an Serbien anschließen.

Frage: Ist der Kreml in die Vorkommnisse auf dem Balkan involviert?

Antwort: Ja, denn der Kreml will Unruhe auf dem Balkan stiften, um westliche Kräfte von der Ukraine abzuziehen. Einen Tag vor dem Angriff auf die kosovarische Polizei trafen sich der serbische Außenminister Ivica Dačić und der russische Außenminister Sergej Lawrow.

Frage: Kann sich der Konflikt zu einem Krieg ausweiten, wie dies die kosovarische Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz meinte?

Antwort: Im Kosovo sind etwa 4500 Nato-Soldaten stationiert. Wenn das serbische Militär angreifen würde, würde das einen Konflikt mit der Nato bedeuten. Allerdings zeigt die Geschichte, dass Serbien schon während des Kriegs gegen Kroatien und des Kriegs gegen Bosnien und Herzegowina militärische Aktionen auslagerte, um so zu tun, als würde es sich um Bürgerkriege und nicht um internationale Konflikte handeln. Dies war jetzt mit dem Angriff wieder der Fall.

Frage: Was ist nun zu erwarten?

Antwort: Seit zwei Jahren versucht Wladimir Putin mithilfe seiner Verbündeten auf dem Balkan, Bosnien und Herzegowina, den Kosovo und Montenegro zu destabilisieren. Es ist zu erwarten, dass der Kreml dieses Spiel weiter auf die Spitze treibt. (Adelheid Wölfl, 2.10.2023)