Wenn Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer über die Medien öffentlichkeitswirksam nach einem "Ofoahn" mit der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-Verordnung) ruft, so hat er damit nicht unrecht. Tatsächlich ist der Wohnbaumarkt in den vergangenen Wochen österreichweit komplett eingebrochen. Während schon im Frühjahr Berichte über fast 40 Prozent weniger Baubewilligungen in den Bundesländern die Runde machten, ist nach Berichten zahlreicher Baufirmen der private Wohnungsbaumarkt inzwischen vollkommen zusammengebrochen.

Todesstoß für einen bereits sehr angespannten Markt

Mit ein Grund dafür dürften neben den allgemeinen Steigerungen der Grundstückspreise und der höheren Zinslast mit Sicherheit auch die strengeren Kreditvergaberichtlinien aufgrund der KIM-Verordnung sein. In einem ohnedies bereits angespannten Umfeld wurde damit dem privaten Wohnungsbau der Todesstoß erteilt, und das ist nicht nur wirtschaftlich ein großes Problem, sondern auch im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit. Denn der Bau der eigenen vier Wände ist und bleibt ein Lebensziel vieler Österreicherinnen und Österreicher, und den jungen Menschen diesen Traum nun auch noch mit gesetzlichen Vorschriften zu rauben ist aus Sicht der intergenerationalen Gerechtigkeit mehr als fragwürdig.

Rohbau im Schnee
Infolge der KIM-Verordnung ist der private Wohnungsneubau in Österreich komplett eingefroren.
Michael Radhuber

Aber ist die KIM-Verordnung letztendlich nicht nur eine Maßnahme zum Schutz der jungen Menschen vor Überschuldung, also quasi jener, die es sich "ohnehin nicht leisten können"? Teils ja, teils wurden mit der Verordnung aber überschießende Vorschriften erlassen, die an der österreichischen "Häuslbauerrealität" völlig vorbeizielen.

Problematisch an der KIM-Verordnung ist, wie auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr kürzlich bekritelte, in erster Linie die Regelung, dass die Rückzahlungen für private Wohnbaukredite nicht mehr als 40 Prozent des "verifizierten, regelmäßigen und nachhaltigen" jährlichen Nettoeinkommens betragen dürfen (§ 8 Abs. 4 KIM-VO). De facto bedeutet dies, dass man mit den Lohnzetteln der letzten Jahre zur Bank gehen muss und daraus dann das schwankungsbereinigte Mindesteinkommen der vergangenen Jahre als Basis für die Kreditvergabe herausberechnet wird.

Viele Faktoren vollkommen unberücksichtigt

Auch wenn es viele nicht öffentlich aussprechen, zielt dies aber an der österreichischen Häuslbauerrealität komplett vorbei. Denn dabei bleiben sowohl regelmäßige Unterstützungsleistungen der Eltern oder Schwiegereltern als auch Einnahmen aus dem "Pfusch", sprich Schwarzarbeit, unberücksichtigt. Und diese "alternativen Einnahmequellen" sind in Österreich – ob man das nun gutheißt oder nicht – trotz allem noch immer gelebte Realität.

Nicht zuletzt bleiben bei einer solchen Schuldendienstobergrenze auch Erwartungen im Hinblick auf die Entwicklung des zukünftigen Einkommens komplett außen vor. Doch gerade bei Menschen im jungen beziehungsweise mittleren Alter ist eine Steigerung des Einkommens mit den Jahren eher die Regel als die Ausnahme – nicht nur aufgrund des "Senioritätsprinzips" in den Unternehmen, sondern auch, da älter werdende Kinder weniger Betreuungsaufwand benötigen, und den Eltern dadurch wieder die Möglichkeit zu einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit offensteht.

Jegliche Politikmaßnahmen müssen sich neben den bestehenden Gesetzen immer auch ein wenig an der "sozialen Realität" ausrichten. Daran ist jedoch die in der KIM-Verordnung enthaltene Schuldendienstobergrenze von 40 Prozent glamourös gescheitert. Es wäre deshalb wirklich höchst an der Zeit, mit dieser Schuldendienstobergrenze im Sinne von Landeshauptmann Stelzer "abzufahren", um dem durch Preis- und Zinssteigerungen verursachten Rückgang im privaten Wohnungsneubau nicht noch eins draufzusetzen und somit den privaten Wohnungsneubau komplett abzuwürgen. Denn dadurch würde nicht nur die Wirtschaft leiden, sondern wir riskieren mit diesem "Raub" ihrer Lebensträume oder -ziele auch eine komplette Abkapselung jünger und mittlerer Bevölkerungsschichten aus der Mitte unserer Gesellschaft. (Michael Radhuber, 6.10.2023)