Eine menschliche Zunge, auf ein eine Ecstacypille liegt.
Das Drogenmuseum Poppi in Utrecht präsentiert einen fiktiven Ecstasy-Shop. In dieser Utopie kann man die Pillen reguliert und legal kaufen.
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Ecstasy, Magic Mushroom, LSD und ähnliche Substanzen haben keinen guten Ruf. Zu groß ist die Gefahr der Abhängigkeit, wenn man manche dieser Drogen konsumiert, beziehungsweise zu schwerwiegend sind potenzielle Nebenwirkungen, die der Rausch mit sich bringen kann. Doch einigen dieser Substanzen wird auch eine heilende Kraft nachgesagt. Bereits seit Jahrzehnten werden sie auf ihr Behandlungspotenzial im Bereich psychischer Erkrankungen untersucht. Zu Psilocybin, dem Wirkstoff in Magic Mushrooms, wurden zuletzt einige seriöse wissenschaftliche Arbeiten publiziert. Und auch Ecstasy beziehungsweise der darin enthaltene Wirkstoff MDMA wird wissenschaftlich untersucht.

Denn die psychotherapeutische Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) soll deutlich besser wirken, wenn sie durch die Einnahme von MDMA unterstützt wird. Diese Erkenntnis wurde vor kurzem in einer Phase-3-Studie bestätigt, die mit 104 Probandinnen und Probanden auch solche Personen einschloss, die in klinischen Studien häufig unterrepräsentiert sind. Die Studie wurde im Fachmagazin Nature Medicine publiziert.

MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) ist der ursprüngliche Wirkstoff in der Freizeitdroge Ecstasy. Er wirkt auf das Serotonin-System des Gehirns, die Droge fördert unter anderem prosoziales Verhalten. Schon länger setzt man sich mit dem Heilungspotenzial von MDMA bei PTBS auseinander. Als Posttraumatische Belastungsstörung bezeichnet man wiederholte und aufdringliche Erinnerungen und Gedanken, die sich mit einem überwältigenden traumatischen Ereignis beschäftigen. Die Erinnerungen beginnen dabei innerhalb von sechs Monaten nach dem Erlebnis und dauern mindestens einen Monat an, so die offizielle Definition.

Risikogruppen untersucht

Bereits im Jahr 2021 publizierte das Forschungsteam um Jennifer Mitchell aus San Francisco die Ergebnisse seiner ersten Phase-3-Studie zur Effektivität einer MDMA-unterstützten Psychotherapie bei PTBS. Die Teilnehmenden absolvierten dafür mehrere psychotherapeutische Sitzungen im Zeitraum von 18 Wochen. Drei Mal wurden diese Sitzungen entweder mit MDMA oder mit einem Placebo unterstützt. Die damalige Studie zeigte, dass die Therapieform im Allgemeinen gut verträglich war und die Schwere der PTBS-Symptome und funktionelle Beeinträchtigungen verringern konnte.

Doch in solchen Studien sind Personengruppen, die ein erhöhtes Risiko haben, eine PTBS zu entwickeln, oft unterrepräsentiert, etwa Transgender-Personen, ethnische Minderheiten, Rettungskräfte, Militärangehörige, Veteranen oder Opfer chronischen sexuellen Missbrauchs. Die nun publizierte Bestätigungsstudie der Forschungsgruppe ist genau darauf eingegangen und umfasst eine ethnisch vielfältige Population mit mittelschwerer bis schwerer PTBS. Auch Personen mit neurologischen Symptomen und mit zusätzlichen Cannabis- und Alkoholproblemen wurden eingeschlossen. Die Nebenwirkungen waren dabei mild und vor allem vorübergehend.

Für die Studie ging man ähnlich vor wie im Jahr 2021. Die MDMA-unterstützte Therapie reduzierte die PTBS-Symptome im Vergleich zur Therapie mit Placebo. Nach Abschluss der Studie wurden die diagnostischen Kriterien für PTBS bei 71 Prozent der Teilnehmenden in der MDMA-unterstützten Therapiegruppe nicht mehr nachgewiesen. In der Placebo-Gruppe war das nur bei 48 Prozent der Fall.

Das sind die unmittelbaren Ergebnisse der Studie, die Forschenden weisen darauf hin, dass sie noch keine Aussagen über den Langzeiterfolg der Therapie treffen können. Doch was bedeutet das für den therapeutischen Einsatz von MDMA in der Zukunft?

Wichtiger Meilenstein

Das sei ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Substanz und auch auf dem Weg zur Zulassung für den Einsatz in der Therapie, sagt Matthias Liechti, Professor für Klinische Pharmakologie an der Med-Uni Basel in der Schweiz. Denn die Substanz wurde bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren therapeutisch eingesetzt, erst in den 1990er-Jahren wandelte sie sich in der öffentlichen Wahrnehmung zur problematischen Freizeitdroge. "Nun liegen an sich genügend Patientendaten für eine Zulassung vor, und womöglich findet sie den Weg zurück in eine offizielle therapeutische Anwendung."

Die Daten zeigten dabei im indirekten Vergleich eine klar besser Wirkung als bisher verfügbare Behandlungsansätze wie Antidepressiva und Expositionstherapie, sagt Liechti. "Es ist noch offen, ob sich diese Wirksamkeit auch bei einer breiten Anwendungspraxis bestätigen lässt. Aber das ist bei vielen neuen Behandlungsformen der Fall. Die Wirkung ist aber zwei Monate nach Behandlungsabschluss immer noch gegeben, und da ist der Wirkstoff schon lange aus dem Körper ausgeschieden. Insofern ist das ein relevanter Zeitraum."

Es könne aber natürlich sein, dass sich der Zustand wieder verschlechtere und weitere Behandlungen nötig machen. "Darauf weisen Praxisdaten aus der beschränkten medizinischen Anwendung von MDMA in der Schweiz hin, wo in der Regel mehrere Behandlungen über einen längeren Zeitraum erfolgen."

Liechti ist sich bei seiner positiven Beurteilung durchaus der Tatsache bewusst, dass ein Suchtpotenzial besteht. "Zu einem nicht regulierten Konsum von MDMA kann es aber unabhängig von einer Zulassung kommen, das passiert ja bereits seit Jahren." Patientinnen oder Patienten könnten sich bei fehlendem regulierten medizinischen Zugang zu MDMA die Substanz zur Selbstbehandlung trotzdem beschaffen. Eine Zulassung oder qualitätskontrollierte Anwendungsprogramme (Compassionate Use) könnten diese Tatsache potenziell verhindern.

Gefahr der Abhängigkeit gering

Gregor Hasler, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Freiburg in der Schweiz, ist mit dem Ergebnis der Studie zwei Monate nach Abschluss der Therapie zufrieden: "PTBS ist im Allgemeinen keine wiederkehrende Krankheit, da sind zwei Monate schon recht gut. Das ist auf jeden Fall länger als bei einer typischen Antidepressiva-Studie." Natürlich wäre es spannend, die Teilnehmenden nach einem Jahr wieder zu befragen. Die wissenschaftliche Aussage einer solchen Nachbefragung sei aber eher gering, weil die Personen wohl andere Therapien in Anspruch genommen hätten und neue Stressoren einträten. "Es ist einfach nicht möglich, über längere Zeit alle Faktoren vergleichbar zu halten."

Das Suchtpotenzial sei vorhanden, aber nicht groß. "Ob Patienten nach der Therapie privat MDMA konsumieren könnten, hängt von der Auswahl der Personen ab. Bei jenen, die keine Drogenerfahrung haben und keine Suchtprobleme, ist die Gefahr äußerst gering", sagt Hasler.

Ohnehin sei es ziemlich schwierig, MDMA auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. "In dem, was unter dem Namen Ecstasy läuft, sind eher Amphetamine mit nur wenig MDMA. Deshalb tanzen die Konsumierenden auch oft. Nach MDMA-Konsum liegt man eher und hat keine Lust, sich zu bewegen." Dass therapeutisches MDMA ganz anders sei als Ecstasy, würden auch Menschen bestätigen, die auf Partys schon Ecstasy eingenommen hätten. Anders als bei LSD oder Psilocybin sei aber eine Abhängigkeit auf jeden Fall möglich. Deshalb bezeichnet Hasler diese Substanzen als sicherer.

Wann der Wirkstoff für eine breitere Gruppe zugänglich sein könnte, ist unklar. Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, geht aber davon aus, dass MDMA mit dieser Datenlage bereits 2024 von der amerikanischen Arzneimittelbehörde zugelassen wird (derzeit gibt es weltweit nur in der Schweiz und in Australien eine stark eingeschränkte Zulassung).

Bis zur Verfügbarkeit in Europa werde es aber noch Jahre dauern: "Die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), eine gemeinnützige amerikanische Organisation, die das Bewusstsein und Verständnis für psychedelische Substanzen schärfen will, hat ihr Studienprogramm in Europa wegen der fehlenden Finanzierung leider gestoppt." (Pia Kruckenhauser, 4.10.2023)