Künstliche Intelligenz (KI) taucht als Schlagwort beinahe täglich auf. Die Chancen, die diese Technologie bietet, sind wahrscheinlich genauso groß wie die Angst davor, was sie alles verändert. Doch ohne Veränderung oder Weiterentwicklung gäbe es wohl viele Dinge nicht, an die wir uns mittlerweile gut gewöhnt haben – etwa das Internet oder das Smartphone. Zusammengefasst werden all diese Trends unter dem Begriff "Smart Tech".

Kern all dieser Entwicklungen ist die Halbleitertechnologie. Ohne diese technischen Bausteine keine selbstfahrenden Autos oder Medizinroboter. Vor allem während der Pandemie, als die weltweiten Lieferketten nicht mehr just in time funktionierten, hat sich gezeigt, wie wichtig Halbleiter sind. "Die Versorgungskette der Halbleiter ist eine der komplexesten der Welt", sagt Christophe Nagy, Portfoliomanager für US-Aktien beim internationalen Asset-Manager Comgest.

Großes Wachstum

Aktuell liegt der Umsatz der Halbleiterbranche laut Schätzungen von Comgest bei mehr als 600 Milliarden Dollar – 2015 waren es noch 335 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Der weltweite Umsatz mit Smartphones ist im selben Zeitraum lediglich von rund 360 auf 420 Milliarden US-Dollar gestiegen. "Der Halbleitersektor wird in den kommenden Jahren Nutznießer eines riesigen Absatzpotenzials sein", sagt Nagy. Zumal auch der ganze Sektor grüne Technologie auf Halbleiter angewiesen ist.

Damit ist Smart Tech auch für Anleger zu einer interessanten Assetklasse geworden. In einem Portfolio, das auch Technologie abbilden soll, wird Smart Tech wohl seinen Platz finden. Der Sektor habe nämlich eine langfristige Perspektive, betont Nagy. Viele Bereich in der Industrie, aber auch der generelle Trend zur Digitalisierung schaffen Nachfrage. Big Data, Cloud-Lösungen, künstliche Intelligenz, selbstfahrende Fahrzeuge, 5G – um nur einige Einsatzbereiche zu nennen. Das ist für Nagy auch der Grund, warum Investoren diesen Sektor, den er selbst als Megatrend bezeichnet, im Auge behalten sollen. Im Portfolio des Fonds, den Nagy managt, beträgt der Anteil des Tech-Sektors bereits mehr als 30 Prozent. Diese starke Übergewichtung begründet der Fondsmanager mit den hohen Renditen auf das investierte Kapital, das sich in Verbindung mit dem strukturellen Wachstum ergebe.

Ein zentrales Beispiel für einen Treiber von Smart Tech sieht Nagy in der vermehrten Nutzung der öffentlichen Cloud durch Unternehmen. Sie profitierten dadurch von geringeren Serverkosten im Vergleich zur Benutzung eigener Systeme, da öffentliche Server besser ausgelastet werden könnten und viel größere Rechnerkapazitäten zur Verfügung stünden. Für viele Unternehmen ergebe sich dadurch die Möglichkeit, rechenintensive KI-Modelle oder Algorithmen zu nutzen. "Wir glauben daher, dass Anbieter von Cloudservices und Serverkapazitäten in den kommenden Jahren sehr gut performen werden", sagt Nagy. In diesem Bereich würden sich wenige Anbieter den Markt und die Gewinne unter sich aufteilen: Microsoft, Amazon und Google hielten zusammen im ersten Quartal rund 65 Prozent der Marktanteile, während die nächsten 20 Unternehmen in dem Sektor nur 26 Prozent abdeckten.

Vor allem im Bereich der künstlichen Intelligenz wird aktuell großes Potenzial gesehen. Ein Beispiel, das zeigen soll, wie diese Technologie sinnvoll eingesetzt werden kann, ist das Gesundheitswesen. Verbesserungen in diesem Bereich sollen helfen, die Versorgung in Summe stabiler zu gestalten. Nagy nennt hier als Beispiel die USA, wo das Gesundheitswesen einer der ineffizientesten Sektoren ist. Hauptgrund dafür ist das Fehlen einer nationalen Datenbank, was zu einer Vielzahl manueller Dateneingaben führt. Das kostet Zeit und erhöht die Fehlerquote. Das Risiko von Fehldiagnosen werde damit erhöht, das führe mitunter zu längeren Krankenhausaufenthalten und steigenden Kosten.

Microsoft arbeitet als ein Unternehmen von mehreren daran, diese Datenorganisation auf nationaler Ebene zu vereinfachen. Für 20 Milliarden Dollar hat Microsoft das Unternehmen Nuance übernommen, das sich darauf spezialisiert hat, mit KI-Technologie Patientendokumentationen zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Auch Oracle investiert in diesen Bereich, zum Beispiel durch die Übernahme von Cerner, einem Anbieter elektronischer Gesundheitsakten, für 28 Milliarden Dollar.

Auf und Ab

Der Technologiesektor war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Treiber großer Entwicklungen. Doch auch dort gab es große Rückschläge. Als mit dem Start des Internets die Fantasien der Realität entwichen sind und quasi Ideen mit sehr hoher Bewertung an die Börse gebracht wurden, platzte im Jahr 2000 die berühmte Dot.com-Blase und vernichtete Milliarden Dollar. Auch nach dem Ende der Pandemie korrigierte der Tech-Sektor schnell und heftig, weil die Ära von Home-Schooling, Home-Entertainment und Homeoffice sich wieder drehte.

Aber auch im Bereich Smart Tech gibt es Risiken. Die Entwicklung in diesem Sektor schreitet rasch voran, der Wettbewerbsdruck ist enorm. Dass nicht jeder Player, der heute hoffnungsvoll klingt, im Rennen morgen noch dabei ist, ist nicht auszuschließen. (Bettina Pfluger, 7.10.2023)

Eine grüne Leiterplatte auf der diverse Halbleiterchips sind.
Technische Bausteine sollen das Leben vereinfachen. Wie in jeder Technologie verbirgt sich darin auch Risiko.
REUTERS/FLORENCE LO