Nun darf man das "R"-Wort getrost in den Mund nehmen: Seit Wochen wird darüber diskutiert, ob Österreich in eine Rezession rutschen könnte. Ob uns also ein ähnliches Schicksal droht wie Deutschland, wo die Wirtschaftsleistung bereits schrumpft. Seit Freitagmorgen ist diese Frage beantwortet: Die Rezession droht nicht, sie ist schon längst da.

Die beiden Forschungsinstitute Wifo und IHS haben ihre neue Prognose veröffentlicht, und die hat es in sich. Die beiden Institute haben ihre Wachstumserwartungen deutlich nach unten revidiert. Bisher sind ja Ökonomen davon ausgegangen, dass Österreich heuer mit einem blauen Auge davonkommt. Die Inflation werde zwar hoch ausfallen, aber die Konjunktur sei weitgehend stabil, lautete die Annahme.

Video: Österreichs Wirtschaft schrumpft dieses Jahr - Inflation bleibt hoch
APA/bes

Nun zeigt sich, dass Österreichs Wirtschaft 2023 schrumpft, und zwar um immerhin 0,8 Prozent laut Wifo und um 0,4 Prozent laut IHS. Noch Ende Juni hatten die beiden Institute ein kleines Wachstum von 0,3 beziehungsweise 0,5 Prozent hervorgesagt, so wie es auch die Nationalbank erwartet hatte. Nun stellt sich also heraus, dass die Krise tiefer ist, als bisher in den Zahlen abgebildet war – wie kommt es dazu?

Einer der Gründe ist eine Datenrevision bei der Statistik Austria, wie Wifo-Ökonom Stefan Schiman-Vukan sagt. Die Statistiker führen regelmäßig eine Konjunkturerhebung durch, in deren Rahmen Unternehmen dazu befragt werden, wie sich ihre Umsätze entwickeln. Auf Basis der Zahlen und historischer Erfahrungen wird davon abhängig dann von der Statistik die Wirtschaftsentwicklung, das BIP, abgeschätzt. Die tatsächlich endgültigen Zahlen zur Produktion liegen oft erst später vor und wurden nun eingearbeitet.

Die Statistik Austria hat in der vergangenen Woche die Zahlen für 2022 in einer finalen Rechnung etwas hinunterkorrigiert – die Wirtschaftsentwicklung war im vergangenen Jahr also einen Tick schlechter als bisher ausgewiesen. Die Korrektur erfolgte für das Ende des Jahres.

Neue Rechnung bringt düsteres Ergebnis

Das hat dazu geführt, dass auch die Prognostiker bei Wifo und IHS neu rechnen mussten. Die Wifo-Prognosen beruhen auf eigenen Unternehmensbefragungen. Die Daten aus diesen Erhebungen werden dann mit der bisherigen Wirtschaftsentwicklung abgeglichen. Dabei deuteten die Erhebungen des Wifo schon bisher eine Rezession an. Weil sich das aber in den BIP-Zahlen der Statistik Austria bisher nicht widerspiegelte, ging man davon aus, dass die Stimmung bei den Unternehmen schlechter ist als die tatsächliche Lage.

Nun zeigt sich jedoch: Die Wirtschaftsentwicklung war doch schlechter. Hinzu kommt ein tatsächlich eingetrübtes Bild. Die hohen Zinsen belasten Unternehmen bei Neuinvestitionen, und die hohe Inflation hat den Konsum geschwächt. Dass der Industrie-Output heuer schrumpft, war schon erwartet worden, inzwischen hat die Rezession auch den Dienstleistungssektor, den Handel erfasst. Der Industrie-Sektor zieht den Verkehrsbereich hinunter. Angesichts hoher Zinsen und hoher Materialkosten leidet auch die Bauindustrie. Wachstum gibt es in der Gastronomie und Hotellerie sowie in der Finanzbranche.

Konjunkturprognosen von Wifo und IHS
DerSTANDARD

Arbeitsmarkt bleibt überraschend robust

Eine positive Ausnahme im Gesamtbild bietet der Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote soll demnach heuer und im kommenden Jahr steigen, aber nur minimal, sie wird weiterhin unter dem Niveau von 2019 bleiben. Und: Die Beschäftigung wird zunehmen, heuer um 40.000 Personen und im kommenden Jahr nochmals um 20.000. Angesichts einer Rezession sind das bemerkenswerte Zahlen.

Eine weitere gute Nachricht: Die Tatsache, dass Österreich schon in einer Rezession feststeckt, erhöht die Chancen, dass es nun aufwärts geht. Tatsächlich soll jetzt laut beiden Instituten die Talsohle erreicht sein. Für das kommende Jahr rechnet das Wifo mit einem Plus bei der Wirtschaftsleistung von 1,2 Prozent, das IHS erwartet 0,9 Prozent. Die Prognosen sind damit leicht hinunterrevidiert worden für 2024. Dennoch hielt der neue IHS-Chef Holger Bonin fest: "Das Schlimmste hat Österreich bereits hinter sich". Wodurch das Wachstum kommen soll, ist nicht ganz klar. Die Zinsen werden ja hoch bleiben. Eine Variante: Nach der Pandemie bauten Unternehmen Lager ab, investierten auch deshalb weniger. Nun dürften viele Lager geleert sein, es muss also wieder mehr eingekauft werden.

Interessant ist schließlich ein Blick auf die prognostizierte Entwicklung der Einkommen. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr erwartet "kräftige Realeinkommenszuwächse". Nachdem die Nettolöhne 2022 inflationsbereinigt pro Kopf um 2,9 Prozent schrumpften, sollen sie heuer um 1,1 Prozent und im kommenden Jahr um kräftige vier Prozent zulegen. Das, weil Kollektivverträge immer zeitversetzt verhandelt werden. Das ist freilich für 2024 bisher nur eine Prognose.

Die Lohnverhandlungen freilich werden durch die neuen Konjunkturzahlen weiter erschwert, aktuell verhandeln ja die Metaller. Laut den neuen Wifo-Zahlen fällt die Rezession in der Industrie etwas größer aus als vorhergesagt, 2024 soll die Industrieprodukten stagnieren. Die Industrievertreter laden bereits für Freitag zu einer Pressekonferenz angesichts der neuen Ausgangslage. (András Szigetvari, 6.10.2023)

Warenlager sind nach der Pandemie noch gut gefüllt. Neben hohen Zinsen ein weiterer Grund, weshalb weniger investiert wird
Getty