Im September trafen sich Wolodymyr Selenskyj und Joe Biden im Oval Office im Weißen Haus.
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Ein begnadeter Redner ist Joe Biden nicht. Der US-Präsident punktet im persönlichen Gespräch. Insofern ist es bemerkenswert, wenn er nun "eine bedeutende Ansprache" ankündigt. Ihr Thema: die Ukraine. Es liege "im immensen Interesse der USA", das von Russland überfallene Land zu unterstützen.

Die Brandrede kommt nicht von ungefähr. Das Chaos im Repräsentantenhaus nach dem Sturz des Sprechers Kevin McCarthy bereite ihm Sorgen, gestand Biden: Das Übergangsbudget, das in der vergangenen Woche beschlossen wurde, enthält keine neuen Ukraine-Gelder. Mitte November läuft es aus. Angesichts der innerparteilichen Turbulenzen bei den Republikanern muss man befürchten, dass eine Anschlusslösung nicht rechtzeitig beschlossen werden kann. Dann gibt es eine Haushaltssperre.

Doch auch bei einer Einigung ist fraglich, ob diese neue Mittel für die Ukraine beinhalten würde. Eine Umfrage von Reuters/Ipsos besagt, dass nur noch 41 Prozent der Amerikaner die Unterstützung gutheißen.

"Kein Penny für Ukraine"

Einer der Kandidaten für die McCarthy-Nachfolge, der Trump-Verbündete Jim Jordan, erklärte, dass er ein Gesetz für weitere Ukraine-Mittel im Repräsentantenhaus nicht einbringen würde. "Das vordringliche Thema für Amerika ist nicht die Ukraine. Es ist die Situation an unserer Grenze und die Kriminalität auf den Straßen." Vor ihm hatte die rechtsextreme Abgeordnete Marjorie Taylor Greene den Slogan "Kein Penny für die Ukraine" zum Schlachtruf gemacht.

Im demokratisch beherrschten Senat wäre eine Initiative vorstellbar: Die neuen Ukraine-Hilfen könnten in ein Paket mit Geldern für die Sicherung der Grenze zu Mexiko gepackt werden. Doch es ist fraglich, ob ein frischgewählter Sprecher des Repräsentantenhauses dieses heikle Koppelgeschäft akzeptieren würde.

Bisher 44 Milliarden US-Dollar

Bislang haben die USA rund 44 Milliarden Dollar Militärhilfen für die Ukraine bereitgestellt. Das ist mehr als doppelt so viel wie Deutschland und ungefähr so viel wie alle europäischen Staaten zusammen. Ein Ausfall der Unterstützung aus Washington hätte daher gravierende Konsequenzen. Biden hat 24 Milliarden Dollar neue Ukraine-Mittel beantragt.

Derzeit kann sich das Pentagon noch aus genehmigten, aber nicht abgeflossenen Mitteln bedienen. Nach Angaben von John Kirby, dem Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, reicht das Geld "für die kommenden Wochen". Der genaue Zeitraum hänge von der Art und Menge der benötigten Waffen ab. Biden versicherte, Kiew könne mit der nächsten Tranche rechnen. Es gebe auch "einen anderen Weg, wie wir möglicherweise Mittel dafür finden", versicherte der Präsident vage.

Doch auch denkbare Buchungstricks können auf Dauer keinen Parlamentsbeschluss ersetzen. "Irgendwann kommen wir zu einem harten Ende", erklärte Kirby. (Karl Doemens aus Washington, 5.10.2023)