Frau isst einen Burger
Steht die Periode kurz bevor, kann es schon einmal zu Hungerattacken kommen, das kennen viele Frauen. Eine Studie liefert erste Hinweise für den Grund.
Getty Images/iStockphoto

Der weibliche Zyklus kann sich manchmal ziemlich bemerkbar machen. Mit mehr oder weniger Energie, mit Stimmungsschwankungen oder auch mit besonders viel Hunger. Das sind nicht nur gefühlte Erfahrungen von einzelnen Frauen, die einen natürlichen Zyklus ohne hormonelle Verhütung haben – so wird es nämlich immer noch viel zu oft dargestellt. All das wird durch die sich im Verlauf des Zyklus immer wieder verändernde Hormonsituation ausgelöst. Dazu gibt es auch immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse. Man weiß etwa mittlerweile, dass unter anderem diese starke Hormonaktivität dazu führt, dass Frauen häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen sind.

Eine neue Studie konnte nun zeigen, dass der Menstruationszyklus auch die Insulinsensitivität im Gehirn beeinflusst. In der Follikelphase vor dem Eisprung ist die Insulinsensitivität hoch, in der Lutealphase nach dem Eisprung deutlich niedriger. Die Empfindlichkeit, mit der das Gehirn auf das Hormon Insulin reagiert, ist also bei Frauen unterschiedlich. Bei Männern ist sie dagegen immer hoch. Diese Erkenntnis erklärt geschlechtsspezifische Unterschiede im Stoffwechsel von Männern und Frauen. Das Paper wurde vor kurzem im Fachjournal Nature Metabolism publiziert.

Die insgesamt elf Probandinnen der Studie erhielten im Verlauf des Menstruationszyklusses mehrmals ein Insulin- oder ein Placebospray über die Nase verabreicht, anschließend wurde die Insulinaktivität im Gehirn gemessen. Die Ergebnisse konnten bei weiteren 15 Frauen mit funktionellen MRT-Scans bestätigt werden. Dabei wird die Insulinaktivität im Hypothalamus gemessen, der zentralen Hirnregion für die Regulation von Hormonen. Die Autorinnen und Autoren vermuten, dass die Insulinresistenz des Gehirns in der Lutealphase zur Insulinresistenz des gesamten Körpers beiträgt. Das könnte erklären, warum Frauen mit Typ-1-Diabetes in der Lutelaphase den Blutzucker schlechter kontrollieren können. Das sei bisher bei Frauen nicht explizit untersucht worden.

Einfluss auf Essverhalten

Auch wenn die Zahl der Probandinnen gering ist, beurteilt Alexandra Kautzky-Willer, Internistin und Professorin für Gendermedizin an der Med-Uni Wien, die Ergebnisse als aussagekräftig. Die Untersuchungen wurden nach dem Goldstandard für entsprechende Messungen durchgeführt. Und sie begrüßt das Paper auch deshalb, weil die Forschung zu dem Thema marginal ist: "Wir wissen, dass sich die Insulinempfindlichkeit während des Zyklus verändert. Frauen mit Typ-1-Diabetes müssen ihre Insulindosis oft an die Zyklusphasen anpassen beziehungsweise bemerken starke Zyklus-abhängige Schwankungen ihrer Blutzuckerwerte."

Immerhin wurde vor kurzem eine Studie publiziert, ebenfalls in Nature Metabolism, für die, unterstützt von künstlicher Intelligenz, die Algorithmen von Insulinpumpen an die Zyklusveränderungen individuell angepasst wurden. So konnten in einer kleinen Versuchsreihe gleichmäßigere Blutzuckerspiegel bei Typ-1-Diabetes gezeigt werden. Das Thema müsse in künftigen Studien aber noch stärker berücksichtigt werden.

Spannend findet Kautzky-Willer die Erkenntnis, dass sich schlanke Frauen in der ersten Zyklushälfte wie schlanke Männer verhalten. "In der zweiten Zyklushälfte wurde dann aber eine zentrale Insulinresistenz aufgezeigt, wie sie zuvor bei übergewichtigen Männern gezeigt wurde." Grund dafür dürfte das veränderte Östrogen-Progesteron-Verhältnis sein.

Nun müsse man untersuchen, ob und inwieweit die Veränderungen in der Insulinsensitivität auch andere zyklusabhängige Veränderungen beeinflussen, etwa das ''Craving", also Heißhungerattacken, Essstörungen oder Gewichtsveränderungen. "Auch Stimmungsschwankungen oder das prämenstruelle Syndrom könnten davon beeinflusst werden."

Mehr Frauen in Studien

Anke Hinney, Molekulargenetikerin an der Uni Duisburg-Essen, betont, wie wichtig die Studie für geschlechtersensible Medizin ist. "Man kann daraus erkennen, wie relevant es ist, Frauen in klinische Studien einzubeziehen und dabei den Zyklusverlauf zu beachten. Es erscheint trivial, aber die gezeigten Ergebnisse wären bei alleiniger Betrachtung von Männern nicht erzielt worden wären." Erst diese Betrachtung beider Geschlechter könne das Verständnis der Ursachen von Krankheiten verbessern. "Werden beide Geschlechter einfach gleichbehandelt, könnte bei einem die Therapie nicht – oder zumindest weniger – wirksam sein." Bei der Finanzierung solcher Studien sei noch viel Luft nach oben – auch wenn sich mittlerweile einiges tut.

Ute Seeland, Internistin und Gendermedizinerin an der Charité in Berlin, betont, dass Erkrankungen nicht rein organbezogen entstehen. "Diabetes ist nicht nur eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, auch die Sexualhormone haben Einfluss auf den Insulinstoffwechsel. Und zwar nicht nur in der Bauchspeicheldrüse, sondern auch zentral im Gehirn."

Wichtig seien die Erkenntnisse auch deshalb, weil Frauen mit mehr unerwünschten Wirkungen auf Medikamente reagieren können als Männer. Gerade bei chronischen Erkrankungen stellt man Unterschiede zwischen den Geschlechtern fest. Und Seeland betont: "In der geschlechtersensiblen Medizin ist es wichtig, dass Frauen die Forschungsfragen formulieren, weil Männer den Blick für gewisse Aspekte gar nicht haben können."

Nicht für alle Erkrankungen dürfte speziell der Zyklus dabei eine Rolle spielen. "Bei einem Herzinfarkt ist der Zyklus irrelevant. Aber leiden Frauen zum Beispiel an Asthma, kann der Zyklus durchaus einen Einfluss haben. Und bei Frauen mit Diabetes hat der Zyklus definitiv einen Einfluss auf die Wirkung der Medikamente." Die betroffenen Frauen wüssten das oft, nun gebe es auch etwas wissenschaftliche Evidenz, die das stützt. Diese Erkenntnisse sollten auch an den Hochschulen gelehrt werden.

Doch warum gibt es überhaupt so wenig Frauen in Studien? "Das liegt an Schutzgründen, da die Frauen in der Zeit schwanger werden könnten und es gilt, den Embryo zu schützen. Deshalb sind die Hürden groß, Frauen in der reproduktiven Phase in Studien einzuschließen", erklärt Seeland. Wenn sie an klinischen Studien teilnehmen möchten, dann müssten sie zweifach verhüten. Und selbst wenn genügend Frauen an einer Studie teilnehmen, sei nicht garantiert, dass die Daten auch getrennt nach den Geschlechtern ausgewertet werden. "Medikamente für die kardiovaskuläre medizinische Versorgung etwa werden überwiegend für Männer entwickelt. Und die Ergebnisse werden auf Frauen einfach übertragen. Darüber hinaus sind viele Forschende männlich und stellen sich gewisse Forschungsfragen nicht, die für Frauen relevant wären." (Pia Kruckenhauser, 8.10.2023)