Aufnahme Sonnensturm
Ein Sonnensturm, aufgenommen im Jahr 2017. Vor mehr als 14.000 Jahren dürften sich koronare Massenauswürfe ungeahnten Ausmaßes abgespielt haben.
REUTERS/NASA

So ruhig die Sonne aus unserem Blickwinkel auch strahlt – von Zeit zu Zeit spuckt sie in gewaltigen Eruptionen unvorstellbar große Mengen an geladenen Teilchen ins All. Wenn sie auf die Erde treffen, kann das zu verheerenden Schäden bei Satelliten, Kommunikationssystemen und Stromnetzen führen. Der bisher stärkste, direkt beobachtete Sonnensturm ist als Carrington-Ereignis bekannt. 1859 brachte ein Ausbruch kosmischer Strahlung das Magnetfeld unseres Planeten derart durcheinander, dass Telegrafen in Brand gesetzt wurden und Polarlichter bis nach Rom, Havanna und Hawaii zu beobachten waren, zum Teil so hell, dass Vögel zu zwitschern begannen, im Glauben, dass es bereits Tag sei.

Miyake-Ereignisse

Lange hielt man nicht für möglich, dass Sonnenstürme noch energiereicher sein können. Bis ein Team um die japanische Physikerin Fusa Miyake 2012 in den Jahresringen japanischer Zedern Hinweise darauf fand, dass im Jahr 774 die Teilchen einer ungleich stärkeren Eruption über die Erde gefegt sein mussten. In den letzten Jahren haben weitere Untersuchungen gezeigt, dass solche heftigen "Superflares" – die nach ihrer Entdeckerin Miyake-Ereignisse heißen – häufiger vorkamen als angenommen. Neun solcher Ereignisse wurden bereits zwischen 7176 vor unserer Zeitrechnung und dem Jahr 993 entdeckt.

Ein Miyake-Ereignis, das alle bisherig rekonstruierten in den Schatten stellt, wurde nun von einem internationalen Team anhand von Baumringen in den französischen Alpen entdeckt. Demnach wurde die Erde vor 14.300 Jahren vom stärksten Sonnensturm getroffen, der jemals gemessen wurde. Die Intensität der kosmischen Strahlung war um mehr als das Zehnfache höher als bei allen Sonnenstürmen der Neuzeit und doppelt so hoch wie bei den letzten bekannten Miyake-Ereignissen.

Baumstamm im Wasser
Blick auf die Jahresringe eines der halbfossilen Bäume im Drouzet-Fluss.
Cile Miramont

Hinweise darauf fand das Forschungsteam in halbfossilen Baumstämmen, die im Drouzet-Fluss nahe Gap in den südlichen französischen Alpen konserviert wurden. Eine Analyse der einzelnen Jahresringe zeigte einen abrupten Anstieg von Radiokarbonwerten vor 14.300 Jahren. Infolge bestimmter Kettenreaktionen, die durch kosmische Strahlung ausgelöst werden, bilden sich ständig Kohlenstoff-14-Isotope in der oberen Atmosphäre. Diese lagern sich in der Umwelt – unter anderem in wachsenden Bäumen – ab. "Kürzlich haben Fachleute herausgefunden, dass Sonnenstürme und extreme koronare Massenauswürfe einen kurzen Schub energiereicher Teilchen erzeugen können, die sich als gewaltige Spitzen der Radiokarbonwerte nur eines einzigen Jahres zeigen", sagt Edouard Bard, Hauptautor der Studie vom Collège de France und dem Forschungszentrum Cerege.

Einzigartiger Fund

"So eine Sammlung an erhaltenen Baumstämmen zu finden war wirklich einzigartig", sagt Cécile Miramont, Paläoklimatologin an der Universität Aix-en-Provence. "So konnten wir Informationen über vergangene Umweltveränderungen von unschätzbarem Wert finden und Radiokarbonwerte über eine bisher unbekannte Periode messen."

Baumstümpfe
Die gut konservierten Baumstämme waren ein Glücksfall für die Forschenden.
Cile Miramont

Parallel untersuchten die Forschenden Eisbohrkerne des "North Greenland Ice Core"-Projekts – und wurden auch hier fündig. In den Eisschichten, die sich vor etwa 14.300 Jahren gebildet hatten, wurden erhöhte Konzentrationen des Isotops Beryllium-10 gemessen, ebenfalls ein Indiz für starke Sonnenstürme.

Monatelange Blackouts

Würde ein derart intensiver Sonnensturm heute die Erde erreichen, hätte das katastrophale Folgen: "Extreme Sonnenstürme können die Transformatoren in unseren Stromnetzen zerstören und damit ausgedehnte Blackouts auslösen, deren Behebung Monate dauern könnte", sagt Tim Heaton von der Universität Leeds, ebenfalls Autor der Studie. "Außerdem könnten sie Satelliten außer Betrieb setzen, von denen unsere Navigations- und Telekommunikationssysteme abhängen. Sie würden auch ein schweres Strahlenrisiko für Astronauten darstellen."

Sonnensturm Illustration
Koronare Auswürfe haben großen Einfluss auf die Erde, wie die Illustration zeigt.
Nasa

Umso wichtiger sei es, derartige Ereignisse besser zu verstehen, um sich darauf vorbereiten und technische Systeme davor schützen zu können. Besonders wenig ist über die Natur von Ausbrüchen in der Größenordnung von Miyake-Ereignissen bekannt, da sie nie direkt mit Instrumenten beobachtet wurden. Weder weiß man, was diese extremen Sonnenstürme verursacht, noch wie oft sie vorkommen oder wie man sie voraussagen könnte.

"Direkte Messungen der Sonnenaktivität gehen auf das 17. Jahrhundert zurück, als erstmals Sonnenflecken gezählt wurden", sagt Edouard Bard. "Heute erhalten wir detaillierte Aufzeichnungen von Observatorien, Weltraumsonden und Satelliten. Dennoch sind diese Instrumente unzureichend für ein komplettes Verständnis der Sonne. Radiokarbonmessungen in Jahresringen von Bäumen bieten neben Beryllium-Proben in polaren Eiskernen die beste Methode, um das Verhalten der Sonne bis weit in der Vergangenheit zu verstehen." Ein genaues Wissen über diese Vergangenheit sei essenziell, um potenzielle Risiken in der Zukunft vorhersagen zu können, sagt auch sein Kollege Tim Heaton. "Wir haben noch viel zu lernen." (Karin Krichmayr, 9.10.2023)